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Wir haben immer noch das bei weitem größere Stadtgebiet in unserer Hand. Wenn wir ihre Linien durchbrechen, stehen wir direkt im Herzen ihres Territoriums.«

»Wo sie ihre Männer stehen haben, Orso. Ich bin nicht überzeugt davon, dass dein Plan funktioniert«, fuhr der Mann fort.

Orso sah ihn an. »Wie heißt du?«

»Bar Gallienus, Herr.«

»Hast du gehört, was Marius gerufen hat, bevor sie ihn umbrachten?«

Der Mann wurde ein bisschen rot. »Ja, Herr.«

»Ich auch. Wir verteidigen unsere Stadt und ihre Bewohner gegen einen unrechtmäßigen Angreifer. Mein Befehlshaber ist tot. Ich habe vorübergehend das Kommando übernommen, bis die derzeitige Krise vorbei ist. Falls du nichts Brauchbares zu der Besprechung beizutragen hast, schlage ich vor, dass du draußen wartest, bis ich dir mitteile, dass wir fertig sind. Ist das klar?« Obwohl Orsos Stimme ruhig und höflich geblieben war, spürten alle Anwesenden den Zorn, der von ihm ausging, wie körperliche Gewalt. Man brauchte ein wenig Mut, um nicht davor zurückzuwei chen.

Bar Gallienus antwortete leise.

»Ich bleibe lieber hier.«

Orso schlug ihm auf die Schulter und wandte den Blick von ihm ab.

»Alles, was einen Speer werfen kann, und jeder Mann mit einem Bogen, zieht sich in einer Stunde an diesen beiden Punkten zusammen. Wir beschießen sie mit allem, was wir haben, und dann stürmen zwei Zenturien auf mein Zeichen hin ihre Stellungen. Ich selbst führe den Angriff durch das alte Marktviertel, weil ich mich dort gut auskenne. Bar Gallienus führt den anderen. Noch Fragen?«

Rings um den Tisch herrschte Stille. Gallienus sah Orso in die Augen und nickte zustimmend. »Dann sammelt eure Legionäre ein, meine Herren. Sorgen wir dafür, dass der alte Mann stolz auf uns sein kann. Unser Schlachtruf lautet >Marius<. Das Signal sind drei kurze Trompetenstöße. In einer Stunde.«

Sulla trat einen Schritt von den blutbefleckten Männern vor ihm zurück. Von den einhundert, die er vor Stunden in die Schlacht geschickt hatte, waren nur elf zurückgekehrt, um ihm Bericht zu erstatten, und auch sie waren ausnahmslos verwundet.

»Legat. Die mobilen Einheiten waren nur teilweise erfolgreich«, sagte ein Soldat, der Mühe hatte, trotz seiner schwer arbeitenden Lunge aufrecht zu stehen. »In der ersten Stunde haben wir viel Schaden angerichtet und haben in kleinen Handgemengen schätzungsweise fünfzig Feinde niedergemacht. Überall dort, wo es möglich war, haben wir sie allein oder paarweise erwischt und überrumpelt. Dann muss es sich herumgesprochen haben, denn wir sind regelrecht durch die Straßen gejagt worden. Wer immer sie auch befehligt hat, er muss die Stadt sehr gut kennen.

Einige von uns sind auf die Dächer gestiegen, wurden dort aber bereits erwartet.« Er holte Luft, und Sulla wartete ungeduldig, bis sich der Mann wieder gefasst hatte.

»Ich habe gesehen, wie mehrere unserer Männer von Frauen oder Kindern umgebracht wurden, die mit Messern aus den Häusern kamen. Da es Zivilisten waren, haben unsere Leute gezögert und wurden in Stücke gehackt. Meine eigene Einheit ist einer ähnlichen Gruppe von Erstgeborenen zum Opfer gefallen, die sich ihrer Rüstung entledigt hatte und nur mit Kurzschwertern unterwegs war. Wir waren schon lange gerannt, und sie haben uns in einer kleinen Gasse in die Enge getrieben. Ich .«

»Du hast gesagt, du bringst Meldungen. Es war von Anfang an klar, dass die mobilen Trupps nur begrenzten Schaden anrichten können. Ich hatte gehofft, Angst und Chaos zu verbreiten, aber anscheinend ist bei den Erstgeborenen noch ein Rest von Disziplin übrig. Einer von Marius’ Stellvertretern muss die allgemeine taktische Kontrolle übernommen haben. Wahrscheinlich hat er vor, so bald wie möglich zum Gegenangriff überzugehen. Haben deine Männer Anzeichen dafür gesehen?«

»Jawohl, Legat. Sie ziehen ihre Leute in aller Stille zusammen. Ich weiß nicht, wann oder wo sie angreifen werden, aber irgendein Überfall dürfte in nächster Zeit stattfinden.«

»Das war wohl kaum achtzig meiner Männer wert, aber immerhin eine nützliche Information. Begebt euch zu den Sanitätern. Zenturio!«, fuhr er einen Mann ganz in der Nähe an. »Alle Mann auf die Barrikaden. Sie werden schon bald einen Durchbruch versuchen. Verdreifacht die Männer an der vordersten Linie.«

Der Zenturio nickte und gab den Boten ein Zeichen, die Nachricht an die Außenposten der Front zu bringen.

Plötzlich wurde der Himmel schwarz vor Pfeilen; ein stechender, summender Todesschwarm raste auf sie zu. Sulla sah, wie sie sich auf seine Stellung herabsenkten und ballte die Fäuste. Rings um ihn warfen sich Männer zu Boden, doch er blieb aufrecht stehen, und nicht einmal ein Zucken umspielte seine glitzernden Augen.

Die Pfeile regneten prasselnd um ihn nieder, doch er blieb unversehrt. Er drehte sich um und lachte seine auf dem Boden kriechenden Berater und Offiziere aus. Einer kniete auf dem Boden und zerrte an einem Pfeil, der ihm aus der Brust ragte. Blut rann ihm aus dem Mund. Zwei andere starrten mit glasigen Augen regungslos in den Himmel.

»Ein gutes Omen, findet ihr nicht?«, sagte er, immer noch lächelnd.

Weiter vorn blies irgendwo in der Stadt eine Trompete drei kurze Stöße. Lautes Gebrüll erhob sich als Antwort. Durch den Lärm hörte Sulla einen Namen, der laut skandiert wurde, und für einen Augenblick regten sich Zweifel in ihm.

»Ma-ri-us!«, schrieen die Erstgeborenen. Dann stürmten sie heran.

32

Alexandria hämmerte an die Tür des kleinen Juwelierladens. Es musste doch jemand da sein! Sie wusste, dass er wie viele andere die Stadt verlassen haben konnte, und bei dem Gedanken, dass sie mit ihrem Klopfen vielleicht die Aufmerksamkeit auf sich zog, wurde sie ganz blass. Ein paar Häuser weiter schabte etwas knarrend, wie eine Tür, die sich öffnete.

»Tabbic! Ich bin’s, Alexandria! Bei den Göttern, mach auf, Mann!« Keuchend ließ sie den Arm fallen. Nicht weit entfernt wurden Rufe laut. Ihr Herz pochte wie wild.

»Mach schon. Mach schon«, flüsterte sie.

Dann wurde die Tür aufgerissen, und Tabbic funkelte sie an, ein Beil in der Hand. Als er sie erblickte, sah er erleichtert aus, auch seine Wut verrauchte ein bisschen.

»Komm rein, Mädchen. Heute Nacht sind die Tiere draußen«, sagte er ruppig. Er schaute nach links und rechts die Straße hinunter. Sie schien leer und verlassen, aber er spürte fremde Blicke auf sich ruhen.

Drinnen fiel Alexandria vor Erleichterung fast in Ohnmacht.

»Metella ... hat mich geschickt, sie ...«, sagte sie.

»Schon gut, Mädchen. Das erzählst du mir alles später. Meine Frau und die Kinder sind oben und bereiten das Essen zu. Geh hinauf und hilf ihnen. Hier bist du sicher.«

Sie hielt einen Moment inne, dann wandte sie sich an ihn. Sie musste es einfach loswerden. »Tabbic. Ich habe Papiere und alles. Ich bin frei.«

Er beugte sich zu ihr und sah ihr freudig lächelnd in die Augen.

»Wann bist du jemals etwas anderes gewesen? Geh jetzt nach oben. Meine Frau wundert sich bestimmt schon, was hier unten vor sich geht.«

Bei der Ausbildung brachten sie einem nicht bei, wie man eine quer über die Straße gezogene Barrikade mitten in einer Stadt angreift. Orso Ferito brüllte einfach den Namen seines toten Legaten und warf sich über den zusammengeschobenen Haufen aus zerbrochenen Karren und Türen hinweg auf den Feind. Zweihundert Männer folgten seinem Beispiel.

Orso bohrte seinen Gladius in die erste Kehle, die er sah und entging seinerseits nur dadurch knapp einem Treffer, weil er auf der wackligen Barrikade ausrutschte und auf der anderen Seite hinunterkugelte. Mit einem kräftigen Rundumschlag kam er wieder auf die Beine und wurde prompt mit dem Krachen von Knochen belohnt. Rings um ihn herum waren seine Männer, die sich unbeirrt weiter durchhackten und -säbelten. Orso wusste nicht, wie gut sie sich dabei hielten, oder wie viele gefallen waren. Er wusste nur, dass der Feind vor ihm stand und dass er ein Schwert in der Hand hielt. Er brüllte und schnitt einem Mann, der gerade einen Schild hochriss, um ihn aufzuhalten, den Arm von der Schulter. Er packte den Schild, aus dessen Griff der schlaffe Arm fiel, und benutzte ihn dazu, zwei weitere Männer aus dem Weg zu räumen. Als er über sie hinwegtrampelte, stach einer nach oben, und er spürte ein warmes Rinnsal am Oberschenkel, achtete jedoch nicht weiter darauf. Ab hier war zunächst einmal alles frei, nur am Ende der Straße rotteten sich mehr Feinde zusammen. Orso sah, wie ihr Hauptmann zum Angriff blasen ließ und warf sich ihnen in vollem Lauf entgegen. In diesem Augenblick wusste er, wie man sich als Berserker in einer der unzivilisierten Nationen, die sie bereits erobert hatten, fühlen musste. Es war eine merkwürdige Freiheit. Es gab keinen Schmerz, nur eine erfrischende Abwesenheit von Angst und Erschöpfung.