Выбрать главу

»An diesen Ritualen beteiligten sich sogar die großen irischen Kriegerinnen«, erklärte Torcan und ignorierte geflissentlich Adnars Bemerkung.

»Ihr scheint eine Menge darüber zu wissen«, stellte Fidelma fest. »Sagt, Torcan, würde man auch den Kopf von jemandem abschneiden, der beispielsweise ein Mörder war?«

Torcan war von der Frage überrascht.

»Was veranlaßt Euch zu dieser Überlegung?«

»Reine Neugier.«

»In früherer Zeit spielte das keine Rolle, solange man die Person als großen Krieger, Helden oder Anführer seines Volkes betrachtete.«

»Wenn also jemand, der von den alten Traditionen durchdrungen ist, einen Feind träfe und diesen Feind als Mörder betrachtete, könnte er ihm ohne weiteres den Kopf abschneiden, sozusagen als Symbol?«

Olcans schmales Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.

»Ich beginne zu begreifen, worauf die Fragen der guten Schwester abzielen.«

Bruder Febal stieß ein entrüstetes Schnauben hervor und beugte sich tief über seinen Metkrug.

Torcan blickte verwundert drein.

»Das kann ich von mir nicht behaupten«, gab er zu. »Aber, um Eure Frage zu beantworten, möglich ist es. Warum fragt Ihr?«

»Sie fragt, weil sie vermutet, daß die Tote ohne Kopf und die enthauptete Schwester Siomha einem unserer Vorfahren aus der Zeit der Kopfjäger zum Opfer gefallen sind!« höhnte Bruder Febal.

Fidelma blieb gelassen und ignorierte die Provokation.

»Nicht ganz, Febal. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß der Mörder - wer immer es sein mag - eine gewisse Symbolik in seine Tötungsmethode eingebaut hat.«

Adnar beugte sich interessiert über den Tisch.

»Was für eine Symbolik?«

»Genau das will ich herausfinden«, erwiderte Fidelma. »Außerdem legt der Mörder es darauf an, daß derjenige, der die jeweilige Leiche findet, die Symbolik kennt und ihre Bedeutung versteht.«

»Ihr meint, der Mörder gibt Euch Hinweise auf seine Ziele und Tatmotive?« fragte der junge Olcan staunend.

»Seine oder ihre Tatmotive«, verbesserte Fidelma ihn liebenswürdig. »Ja. Ich glaube inzwischen, der Zustand, in dem er die Leichen hinterlassen hat, enthält eine Botschaft für diejenigen, die sie finden.«

Bruder Febal knallte seinen Becher auf den Tisch.

»Unsinn! Die Morde sind Auswüchse eines kranken Hirns. Und ich weiß, wessen Hirn das allerkrän-keste auf dieser Halbinsel ist.«

Adnar seufzte unglücklich.

»Ich kann dieser Einschätzung nicht widersprechen. Vielleicht sind die Symbole, von denen Ihr sprecht, Schwester Fidelma, aber auch nur ein Trick, um Euch bei Euren Nachforschungen abzulenken? Ein Versuch, Euch auf eine Spur zu bringen, die ins Leere führt?«

Fidelma beugte den Kopf zum Zeichen, daß sie dieses Argument in Erwägung zog.

»Das mag schon sein«, pflichtete sie ihm nach kurzem Überlegen bei. »Dennoch bin ich überzeugt, daß die Symbolik den Täter schließlich entlarven wird, ob das nun beabsichtigt ist oder nicht. Und für das, was Ihr mir über die Bedeutung der Enthauptung erzählt habt, Torcan, bin ich Euch sehr verbunden.«

»Ha!« schmunzelte Olcan. »Ich glaube, Torcan, Ihr habt Euch damit in den Augen der guten Schwester äußerst verdächtig gemacht. Nicht wahr, Fidelma?«

Sie ignorierte seinen spöttischen Tonfall.

»Ganz und gar nicht«, erwiderte Torcan mit ernstem Blick.

»Schwester Fidelma weiß doch ganz genau, daß ich, falls ich darauf verfallen wäre, die Leichen meiner Opfer so gräßlich zugerichtet in der Gegend herumliegen zu lassen, nicht auch noch angefangen hätte, derart ausführlich über die Symbolik zu reden und damit ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.«

Fidelma neigte den Kopf in seine Richtung.

»Andererseits«, ergänzte sie mit grimmigem Lächeln, »kann es durchaus sein, daß Ihr genau das tätet, um mich so von der richtigen Fährte abzulenken.«

Jetzt war es Olcan, der in sich hineinlachte und seinem Freund Torcan auf die Schulter schlug.

»Das habt Ihr davon! Jetzt müßt Ihr Euch wohl auch einen ddlaigh suchen, der Euch verteidigt.«

»Unsinn!« Einen Augenblick schaute Torcan besorgt drein. »Ich war nicht einmal hier, als der erste Mord begangen wurde ...«

Er unterbrach sich und grinste verlegen, da er merkte, daß sein Freund ihn auf die Schippe genommen hatte.

»Olcan hat einen merkwürdigen Sinn für Humor«, entschuldigte sich Adnar. »Ich bin sicher, Fidelma meint es nicht ernst, wenn sie sagt, Ihr könntet der Schuldige sein.«

»Ich glaube nicht, daß ich etwas derartiges auch nur angedeutet habe«, bemerkte sie ausweichend. »Ich habe lediglich auf Torcans hypothetische Behauptung reagiert. Der letzte, dem ich erzählen würde, daß er oder sie verdächtig ist, ist der Verdächtige selbst ... es sei denn, ich verfolgte damit einen bestimmten Zweck.«

»Wohl gesprochen«, erwiderte Adnar und ignorierte den letzten Punkt. »Laßt uns dieses makabere Gerede über Leichen und Mörder beenden.«

»Ich bitte um Verzeihung«, stimmte Fidelma ihm zu. »Aber unglücklicherweise gehören Leichen und Mörder nun mal zu meinem Beruf. Nichtdestotrotz bin ich Torcan zu Dank verpflichtet: seine Erklärungen der alten Bräuche sind ausgesprochen hilfreich für mich.«

Torcan wollte seine Kenntnisse herunterspielen.

»Ich interessiere mich für die Regeln der Krieger in früheren Zeiten und für ihre Methoden der Kriegsführung, das ist auch schon alles.«

»Ach? Ich dachte, Ihr seid fasziniert von unserer Geschichte und von historischen Berichten?« fragte Fidelma.

»Ich? Nein. Das trifft eher auf Olcan und Adnar zu. Die vertiefen sich gern in alte Bücher, nicht ich. Laßt Euch von meinem Gerede über alte Kriegsgebräuche nicht irreführen. Das lernt man alles während der Ausbildung zum Waffendienst.«

Einen Augenblick überlegte Fidelma, ob sie dem nachgehen und Torcan fragen sollte, warum er die Bi-bliothek der Abtei gebeten hatte, ihm eine Kopie der Chroniken von Clonmacnoise zu schicken. Bevor sie jedoch fortfahren konnte, sagte Bruder Febaclass="underline" »Ich habe gesehen, daß Ross’ Schiff wieder im Hafen liegt.«

Alle hatten mitbekommen, daß die Bark von Kapitän Ross am Nachmittag in die Meerenge gesegelt war. Febals Einwurf bedurfte also keiner Erwiderung.

Olcan schenkte sich Wein nach. Sein hageres Gesicht war gerötet; er schien dem Alkohol munter zuzusprechen.

»Ich habe gehört, daß sein Schiff nahe der Insel Doirse gesichtet wurde, ein Stück die Küste hinunter«, fuhr Bruder Febal fort.

Diesmal konnte sie seine offensichtliche Aufforderung zu einer Stellungnahme nicht mehr ignorieren. Die ausgezeichnete Kommunikation unter Gulbans Leuten war ausgesprochen ärgerlich, doch Fidelma ließ sich nichts anmerken.

»Ich glaube, Ross ist regelmäßig in Geschäften entlang der Küste unterwegs«, antwortete sie.

»Ich hätte nicht gedacht, daß man mit Doirse große Geschäfte machen kann. Es ist eine karge Insel, vom Sturm umtost«, bemerkte Adnar.

»Mit den Handelsbedingungen an dieser Küste bin ich nicht vertraut«, erwiderte Fidelma.

Nun kam Bewegung in die Tischgesellschaft, Diener traten ein, räumten die Teller ab und brachten zum Nachtisch eine Auswahl neuer Schüsseln herein, mit Äpfeln, Honig und den verschiedensten Nüssen.

»Wir handeln viel mit Kupfer aus unseren Minen hier in der Nähe«, erklärte Olcan, während er sich erneut Wein nachschenkte.

Fidelma gab vor, die Schale mit den Nüssen zu untersuchen, doch sie hatte den Eindruck, daß Torcan sie anstarrte, als wolle er ihre Reaktionen prüfen.

»Ich habe gehört, daß es viele Kupferminen in diesem Bezirk gibt.« Es war besser, sich so weit wie möglich an die Wahrheit zu halten. »Treibt Ihr viel Handel mit anderen Ländern?«

»Manchmal kommen gallische Schiffe und tauschen Wein gegen Kupfer«, antwortete Adnar.

Fidelma hob ihren Becher, als wolle sie einen Trinkspruch ausbringen.