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»Soldaten?« Fidelma hob fragend eine Augenbraue. »Wieso sollte ein gallisches Handelsschiff fränkische Soldaten in diesen Teil der fünf Königreiche bringen?«

»Genau das habe ich mich auch gefragt«, erwiderte Eadulf. »Mein fränkischer Freund prahlte mit dem vielen Geld, das er und seine Kameraden hier verdienen würden. Ich glaube, er war mir gegenüber so mitteilsam, weil ich Sachse bin. Es stellte sich heraus, daß sie keine gewöhnlichen Soldaten waren, sondern Spezialisten für den Einsatz von Geschützen.«

Fidelma sah ihn fassungslos an. Da in der irischen Sprache kein entsprechender Ausdruck existierte, hatte Eadulf das lateinische Wort tormenta benutzt.

»Ich verstehe nichts von Ausdrücken der Kriegskunst, Eadulf. Erklärt mir die Bedeutung. Ist ein tor-mentum ein Gerät zum aufwickeln und hochwinden, wie beispielsweise eine Ankerwinde?«

»Es ist eine Vorrichtung, die kriegerischen Zwek-ken dient«, erklärte Eadulf. »Die alten Römer benutzten sie häufig in ihren Kriegen. Das ballistae war ein Gerät, mit dem man Steine und Felsbrocken weit fortschleudern konnte, genau wie das catapulta. «

Fidelma schauderte.

»Gott sei Dank sind solche Vorrichtungen in Irland nie zum Einsatz gekommen. Wenn hier Krieger miteinander kämpfen, dann stehen sie einander noch mit Schwert und Schild gegenüber, und oft genug wurden Schlachten durch einen Zweikampf zwischen dem jeweils Besten der beiden Gegner entschieden. Solche Geschütze sind verabscheuungswürdig.« Sie hielt inne und sah Eadulf prüfend an, als ihr die Bedeutung seiner Worte plötzlich dämmerte. »Wollt Ihr damit sagen ...?«

»Wozu Männer von weither holen, die für die Bedienung der tormenta ausgebildet sind, wenn sie solche Vernichtungsgeräte nicht bei sich haben?«

»Bestand die Ladung aus diesen Vorrichtungen?« wollte Fidelma wissen.

»Nachdem der fränkische Soldat so gesprächig war, beschloß ich, selbst im Laderaum nachzusehen. Er war vollgestopft mit allerlei Kriegsgerät, hauptsächlich mit catapultae. «

»Was ist das?«

»Spezialgeräte, die von Pferden in die Schlacht gezogen werden. Ein catapulta besteht aus einem großen Bogen, der auf einen Kasten mit Rädern montiert ist, ähnlich wie ein Lastkarren. Es kann Wurfspieße über eine Entfernung von fünfhundert Metern schleudern.«

Fidelma erinnerte sich wieder an den langen Strang aus Gedärmen, den sie im Laderaum des Schiffes entdeckt hatte.

»Funktioniert der große Bogen mit Gedärmen?«

»Ja. Er wird mit Strängen aus Haar oder Gedärmen gespannt. Diese werden fest um große, hölzerne Scheiben gewickelt und mit Holzbolzen gesichert. Man kann sie noch straffer spannen, indem man Handspa-ken in die Löcher am Rand der Scheiben einpaßt. Der Strang wird gespannt, die Wurfspieße werden bereitgelegt. Manchmal zündet man sie sogar an, um noch größeren Schaden anzurichten. Der Strang wird durch einen einfachen Mechanismus gelöst.«

»Wie viele solcher Geräte habt Ihr im Laderaum gesehen?«

»Vielleicht zwanzig, weniger bestimmt nicht. Und es waren etwa sechzig Franken an Bord.«

»Was dann?«

»Ich interessierte mich natürlich dafür. Aber da ging es mich eigentlich noch gar nichts an.«

»Wann begann es denn, Euch etwas anzugehen?« Fidelma war seine Betonung nicht entgangen.

»Sobald wir an dieser allem Anschein nach feindlichen Küste landeten.«

»Erklärt Euch.«

»Die Überfahrt zur irischen Küste verlief recht ereignislos. Wir gingen im Hafen in der Nähe der Ortschaft vor Anker. Ein junger Häuptling kam an Bord. Ich weiß nicht, wer er war, doch er befahl dem Kapitän, die Ladung zu löschen. Die fränkischen Soldaten gingen von Bord und überwachten das Ausladen ihrer Waffen. Die Schwerstarbeit - das Herausheben der Geräte aus dem Laderaum - wurde von Sklaven erledigt. Sie waren schmutzig und mit Lehm verschmiert. Später fand ich heraus, daß sie normalerweise in den Kupferminen arbeiten.«

Er hielt kurz inne, ordnete seine Gedanken und fuhr fort.

»An Land standen Pferde bereit, um die Vernichtungsgeräte zu den Höhlen zu bringen, in denen das Kupfer gefördert wird. Offensichtlich sollten sie dort versteckt werden. Sie sind immer noch dort.«

»Woher wißt Ihr das?« fragte Ross.

Eadulf stieß ein verbittertes Lachen aus.

»Weil ich ein Narr war. Kaum hatten die fränkischen Soldaten samt ihrem Kriegsgerät das Schiff verlassen, da kamen Krieger und nahmen die gesamte Besatzung gefangen, einschließlich meiner Wenigkeit. Der junge Häuptling erklärte uns alle zu Geiseln.«

Kapitel 15

»Das verstößt gegen sämtliche Regeln der Gastfreundschaft«, platzte Ross voller Entrüstung heraus. »Das ist unerhört. Wenn Händler ihren Geschäften nicht mehr nachgehen können, ohne befürchten zu müssen, als Sklaven verschleppt zu werden, dann hat die Welt wahrhaftig einen bedauernswerten Zustand erreicht.«

»Unerhört war nicht der Ausdruck, der dem gallischen Kapitän entfuhr«, bemerkte Eadulf bitter.

»Hat denn niemand Widerstand geleistet?« fragte Fidelma.

»Wir wurden vollkommen überrumpelt. Der junge Häuptling erklärte uns zwar alle zu seinen Geiseln, doch das Wort Sklaven wäre zutreffender gewesen. Die Besatzung wurde zur Arbeit in den Kupferminen gezwungen, nur mir als Mönch wurden mehr Privilegien zuteil als den anderen. Man brachte mich in eine Hütte, wo ich auf Schwester Comnat traf - angekettet wie ein Tier. Es war furchtbar.«

Schwester Comnat meldete sich zum ersten Mal seit Beginn der Unterhaltung zu Wort.

»Bruder Eadulf hat recht. Ich war seit mindestens drei Wochen ihre Gefangene. Gott sei Dank seid Ihr gekommen, Schwester. Ich hoffte die ganze Zeit, es möge Schwester Almu gelingen, Hilfe zu holen.«

Fidelma hielt tröstend die zitternde Hand der Älteren.

»Es war nicht Schwester Almu, die uns alarmierte.«

»Wie habt Ihr uns dann gefunden?«

»Das ist eine lange Geschichte, und im Augenblick bin ich mehr daran interessiert, von Euren Erlebnissen zu hören, denn davon hängt eine Menge ab. Wie ich erfahren habe, Schwester Comnat, seid Ihr und Schwe-ster Almu vor drei Wochen in der Abtei Der Lachs aus den Drei Quellen aufgebrochen. Was ist seither passiert?«

Die alte Bibliothekarin zögerte.

»Wißt Ihr etwas über Schwester Almus Verbleib?« beharrte sie.

Fidelma beschloß, ihr die Wahrheit zu sagen.

»Ich glaube, Schwester Almu ist tot. Es tut mir leid.«

Die alte Frau war sichtlich erschüttert. Sie schwankte, und Bruder Eadulf streckte die Hand aus, um sie zu stützen.

»Ihr seid unter Freunden, gute Schwester«, versicherte er ihr. »Das ist Fidelma von Kildare, eine Advokatin der Gerichtsbarkeit. Ich kenne sie gut. Habt keine Angst. Erzählt ihr Eure Geschichte, so wie Ihr sie mir erzählt habt.«

Es gelang Schwester Comnat, sich zusammenzureißen, auch wenn man ihr ihren Kummer ansah. Sie fuhr sich mit zitternden Fingern über die Stirn, als müsse sie die Erinnerung erst suchen.

»Fidelma von Kildare? Dieselbe Fidelma, die die geheimnisvollen Morde in Ros Ailithir aufgeklärt hat?«

»Ja. Ich bin Fidelma.«

»Dann seid Ihr die Schwester von Colgu, dem König von Cashel. Ihr müßt Euern Bruder warnen. Sofort.« Die Stimme der Alten klang plötzlich schrill, und Fidelma mußte beschwichtigend ihre Hand ergreifen.

»Ich verstehe nicht. Wovor muß ich ihn warnen?«

»Sein Königreich ist in Gefahr. Er muß gewarnt werden«, wiederholte Schwester Comnat.

»Ich möchte alles verstehen. Was ist passiert, seit Ihr und Schwester Almu die Abtei verlassen habt?«