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«Sicher, Harper, so könnte es durchaus gewesen sein. Bleibt nur noch eins: Cherchez l’homme.»

«Bitte?», fragte Superintendent Harper und quittierte den Scherz seines Vorgesetzten dann mit einem taktvoll beifälligen «Ach so, köstlich, Sir», nachdem ihm der exzellenten französischen Aussprache des Colonels wegen der Sinn der Worte beinahe entgangen wäre.

II

«Ach, äh, hören Sie, äh, k-könnte ich Sie wohl kurz sprechen?»

Es war George Bartlett, der die beiden Männer mit diesen Worten überfiel.

«Was ist denn los, was wollen Sie?», herrschte Colonel Melchett ihn an, der sich zu Mr. Bartlett nicht eben hingezogen fühlte und es außerdem eilig hatte, von Slack Näheres über die Durchsuchung des Zimmers der Ermordeten und die Verhöre der Zimmermädchen zu erfahren.

Der junge Bartlett wich ein paar Schritte zurück und klappte wie ein Fisch im Aquarium den Mund auf und wieder zu.

«Ja, also, äh, wahrscheinlich ist es ja nicht weiter wichtig, aber ich dachte, ich muss es Ihnen sagen. Die Sache ist nämlich die: Mein Auto ist weg.»

«Ihr Auto ist weg? Was wollen Sie damit sagen?»

Unter ausgiebigem Gestotter erklärte Mr. Bartlett, er wolle damit sagen, dass sein Auto weg sei.

«Sie meinen, es ist gestohlen worden?», fragte Superintendent Harper.

George Bartlett wandte sich dankbar der milderen Stimme zu.

«Na ja, das ist es ja gerade, ich meine, man weiß ja nie, könnte ja sein, dass jemand einfach damit abgezischt ist, ohne sich was dabei zu denken, sozusagen.»

«Wann haben Sie den Wagen denn zuletzt gesehen, Mr. Bartlett?»

«Das weiß ich eben nicht mehr. Verrückt, wie schwer es ist, sich an so etwas zu erinnern, was?»

«Für einen durchschnittlich intelligenten Menschen wohl kaum», antwortete Melchett kühl. «Sagten Sie nicht, das Auto stand gestern Abend im Hof des Hotels…»

Mr. Bartlett erkühnte sich, ihn zu unterbrechen: «Ja, eben – oder?»

«Was meinen Sie mit ‹oder›? Sie sagten doch, es stand dort.»

«Na ja, also, das dachte ich ja auch, ich, äh, ich hab nicht nachgesehen, verstehen Sie?»

Colonel Melchett seufzte. Er bot alle Geduld auf, deren er noch fähig war, und sagte: «Nun mal der Reihe nach. Wann haben Sie Ihren Wagen zuletzt gesehen, mit eigenen Augen, meine ich. Was ist es überhaupt für einer?»

«Ein Minoan 14.»

«Und zuletzt gesehen haben Sie ihn wann?»

George Bartletts Adamsapfel hüpfte wild auf und ab.

«Daran versuch ich mich ja zu erinnern. Vor dem Mittagessen war er noch da. Wollte am Nachmittag einen Ausflug machen. Aber dann hab ich doch lieber einen Mittagsschlaf gehalten – Sie wissen ja, wie das ist. Nach dem Tee hab ich Squash gespielt und so weiter, und danach war ich schwimmen.»

«Und in der ganzen Zeit stand der Wagen im Hof des Hotels?»

«Ich nehm’s an. Jedenfalls hatte ich ihn da hingestellt. Dachte, ich könnte später mit jemand eine Fahrt machen, verstehen Sie? Nach dem Abendessen, meine ich. War aber nicht mein Glückstag gestern. Nichts los. Hab die Karre dann gar nicht mehr bewegt.»

«Aber Sie nahmen an, dass Ihr Auto noch im Hof steht?»

«Ja, klar. Ich meine, da hatte ich’s ja hingestellt.»

«Hätten Sie es gemerkt, wenn es nicht da gewesen wäre?»

Mr. Bartlett schüttelte den Kopf.

«Glaub ich nicht. Da fahren ja jede Menge Autos rein und raus. Jede Menge Minoans.»

Superintendent Harper nickte. Er hatte einen kurzen Blick aus dem Fenster geworfen. Nicht weniger als acht Wagen vom Typ Minoan 14 standen im Hof. Es war das Billigauto des Jahres.

«Pflegen Sie Ihr Auto über Nacht nicht in die Garage zu stellen?», fragte Colonel Melchett.

«Normalerweise nicht. Schönes Wetter und so, verstehen Sie? Zu viel Aufwand, ein Auto in die Garage zu stellen.»

Mit einem Blick auf Colonel Melchett sagte Superintendent Harper: «Ich komme gleich nach, Sir. Ich will nur rasch Sergeant Higgins verständigen, damit Mr. Bartlett die Einzelheiten zu Protokoll geben kann.»

«In Ordnung, Harper.»

«Dachte, ich sag’s Ihnen lieber», murmelte Mr. Bartlett gedankenvoll. «Könnte ja wichtig sein, oder?»

III

Mr. Prestcott hatte seiner neuen Tänzerin Kost und Logis gewährt. Von welcher Qualität die Kost auch sein mochte – das Logis war das dürftigste, das es im ganzen Hotel gab.

Josephine Turner und Ruby Keene wohnten am Ende eines düsteren, schmuddeligen, schmalen Flurs. Die Zimmer waren klein und gingen nach Norden auf das Kliff hinter dem Hotel, das Mobiliar bestand aus bunt zusammengewürfelten Stücken, die vor dreißig Jahren zur Luxusausstattung der besten Suiten gehört hatten. Als Letztere im Zuge der Modernisierung des Hotels mit Einbauschränken versehen worden waren, hatte man die großen viktorianischen Eichen- und Mahagonischränke in die Zimmer des im Hause wohnenden Personals oder in jene Räume verbannt, in denen während der Hochsaison, wenn das Hotel ausgebucht war, einzelne Gäste untergebracht wurden.

Melchett sah auf den ersten Blick, dass Ruby Keenes Zimmer ideal geeignet war, das Hotel unbemerkt zu verlassen, und denkbar ungeeignet, die Umstände dieses Verlassens zu erhellen.

Am Ende des Flurs führte eine schmale Treppe auf einen ebenso düsteren Flur im Erdgeschoss hinab. Durch eine Glastür gelangte man von dort auf die wenig frequentierte Seitenterrasse des Hotels, die keinen Blick aufs Meer bot. Von hier aus ging es auf die Hauptterrasse oder aber über einen gewundenen Pfad zu einem Sträßchen, das weiter entfernt in die Kliffstraße mündete und seines schlechten Zustandes wegen selten befahren wurde.

Inspektor Slack hatte die Zimmermädchen in die Mangel genommen und Rubys Zimmer auf Spuren abgesucht. Zu seinem Glück hatte er den Raum noch in genau dem Zustand vorgefunden, wie er am Abend zuvor verlassen worden war.

Ruby Keene war keine Frühaufsteherin gewesen. Sie hatte gewöhnlich bis zehn, halb elf geschlafen, wie Slack herausgefunden hatte, und dann nach dem Frühstück geklingelt. So hatte die Polizei, nachdem Conway Jefferson beim Hoteldirektor vorstellig geworden war, die Dinge in die Hand nehmen können, bevor die Zimmermädchen den Raum betraten. Sie waren nicht einmal auf dem Flur gewesen, denn die anderen Zimmer dort wurden um diese Jahreszeit nur einmal in der Woche aufgeschlossen und abgestaubt.

«So weit, so gut», sagte Slack düster. «Wenn hier etwas zu finden wäre, würden wir es auch finden. Aber da ist nichts.»

Die Polizei von Glenshire hatte den Raum bereits auf Fingerabdrücke untersucht, aber nur Rubys eigene, Josies und die der beiden Zimmermädchen von der Früh- und der Spätschicht gefunden. Einige stammten auch von Raymond Starr, der ja mit Josie zusammen nach Ruby hatte sehen wollen, nachdem sie nicht zur Mitternachtsvorstellung erschienen war.

In den Fächern des schweren Mahagonischreibtischs in der Ecke hatte Slack allerlei Krimskrams und einen Stapel Briefe gefunden. Er hatte alles sorgfältig geprüft, aber nichts Brauchbares entdeckt. Rechnungen, Quittungen, Theaterprogramme, Abschnitte von Kinokarten, Zeitungsausschnitte, aus Zeitschriften herausgerissene Schönheitstipps. Unter den Briefen fanden sich einige von einer gewissen Lil, offenbar einer Freundin aus dem Palais de Danse. Sie berichtete von diversen Affären, breitete allerlei Klatsch und Tratsch aus und schrieb, man vermisse «Rube» schrecklich. «Mr. Findeison hat noch so oft nach dir gefragt! Ganz geknickt ist er! Reg hat mit May angebandelt, nachdem du weg warst. Barny fragt auch noch ab und zu nach dir. Sonst ist alles beim Alten. Der alte Grouser ist zu uns Mädchen gemein wie eh und je. Ada hat einen Rüffel von ihm bekommen, weil sie mit einem Jungen geht.»