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«Wo hast du denn den her?», fragte Miss Marple.

«Reines Glück. Ich wusste ja noch nicht, dass sie später ermordet wird. Es war gestern Abend, kurz vor dem Essen. Ruby ist an Josies Tuch hängen geblieben und hat sich den Nagel eingerissen. Mum hat ihn ihr abgeschnitten, und ich sollte ihn in den Papierkorb werfen. Das wollte ich auch erst, aber dann hab ich ihn eingesteckt. Heute früh ist er mir wieder eingefallen, und ich hab nachgeschaut, ob er noch da ist, und jetzt hab ich mein Andenken.»

«Ist ja ekelhaft!», sagte Mrs. Bantry.

«Ja, finden Sie?», antwortete Peter höflich.

«Hast du noch andere Andenken?», fragte Sir Henry.

«Hm, ich weiß nicht. Ich hab was, das könnte auch eins sein.»

«Raus damit, junger Mann!»

Peter sah ihn nachdenklich an. Dann brachte er einen Briefumschlag zum Vorschein und zog ein bräunliches Stück Schnur daraus hervor.

«Das ist ein Stück Schnürsenkel von diesem George Bartlett», erklärte er. «Die Schuhe standen heute früh vor seiner Tür; und da hab ich’s abgemacht, für alle Fälle.»

«Für welche Fälle?»

«Na, dass er der Mörder ist. Er war der Letzte, der sie gesehen hat, und so was ist doch immer furchtbar verdächtig. Gibt’s bald Essen? Ich hab einen Riesenhunger. Wie lang das immer dauert vom Tee bis zum Abendessen! Ach, da ist ja Onkel Hugo. Ich hab gar nicht gewusst, dass Mum ihn hergeholt hat. Das macht sie immer, wenn sie in der Patsche sitzt. Da kommt Josie. Tag, Josie!»

Josephine Turner blieb stehen, sichtlich erstaunt, Mrs. Bantry und Miss Marple zu sehen.

«Guten Tag, Miss Turner», sagte Mrs. Bantry freundlich. «Wir wollen hier ein bisschen Detektiv spielen.»

Josie sah sich mit einem schnellen, schuldbewussten Blick um und sagte leise: «Es ist schrecklich. Die Leute wissen es noch nicht, weil es noch nicht in der Zeitung steht, aber bald wird mir jeder hier Fragen stellen. Das ist so peinlich, ich weiß gar nicht, was ich dann sagen soll.»

«Ja, das wird nicht ganz einfach für Sie werden», sagte Miss Marple.

Ihr Mitgefühl tat Josie wohl, und sie sah Miss Marple wehmütig an.

«Mr. Prestcott hat mich gebeten, nicht darüber zu sprechen», sagte sie. «Das ist ja schön und gut, aber alle hier werden Näheres wissen wollen, und man kann die Leute doch nicht vor den Kopf stoßen, oder? Mr. Prestcott sagt, er hofft, dass ich es schaffe, einfach so weiterzumachen wie bisher. Er war ja ziemlich wütend, also werde ich mir natürlich alle Mühe geben. Aber ich sehe gar nicht ein, dass ich an allem schuld sein soll.»

«Wären Sie so freundlich, mir eine etwas direkte Frage zu beantworten, Miss Turner?», wandte Sir Henry sich an sie.

«Fragen Sie, was immer Sie wollen», lautete Josies ein wenig heuchlerische Antwort.

«Hat es zwischen Ihnen, Mrs. Jefferson und Mr. Gaskell Unstimmigkeiten wegen der ganzen Angelegenheit gegeben?»

«Wegen des Mordes, meinen Sie?»

«Nein, nicht deswegen.»

Josie schlang die Finger ineinander und erwiderte etwas mürrisch: «Ja und nein, könnte man sagen. Gesagt haben sie nichts, aber ich glaube, sie geben mir die Schuld – daran, dass Mr. Jefferson sich so für Ruby interessiert hat, meine ich. Aber ich konnte doch nichts dafür! So was passiert eben, und ich hab vorher nicht im Traum daran gedacht, dass es passieren würde, nicht eine Sekunde! Ich – ich war selber sprachlos.»

Ihre Worte klangen unbestreitbar ehrlich.

«Das kann ich mir gut vorstellen», sagte Sir Henry freundlich. «Und nachher, als es passiert war?»

Josie warf den Kopf zurück. «Das war eben Glück. Ein bisschen Glück darf man ja wohl mal haben.»

Sie blickte fragend und ein wenig trotzig in die Runde und ging dann über die Terrasse ins Hotel zurück.

«Die war’s bestimmt nicht», sagte Peter fachmännisch.

Miss Marple murmelte: «Dieses Stück Fingernagel – interessant. Ich frage mich die ganze Zeit… Wenn ich an ihre Nägel denke…»

«Ihre Nägel?», fragte Sir Henry.

«Die Fingernägel der Toten», erklärte Mrs. Bantry. «Die waren ziemlich kurz, und jetzt, wo Jane es sagt, kommt mir das auch merkwürdig vor. Solche Mädchen haben normalerweise doch die reinsten Krallen.»

«Wenn einer abgebrochen war», sagte Miss Marple, «könnte sie die anderen natürlich auf gleiche Länge geschnitten haben. Hat man denn in ihrem Zimmer abgeschnittene Nägel gefunden?»

Sir Henry sah sie neugierig an. «Ich werde Superintendent Harper fragen, wenn er zurück ist.»

«Zurück?», wollte Mrs. Bantry wissen. «Ist er nach Gossington gefahren?»

«Nein», erwiderte Sir Henry ernst. «Es ist schon wieder etwas Schreckliches passiert. Ein ausgebranntes Auto, in einem Steinbruch.»

Miss Marple schnappte nach Luft. «War jemand drin?»

«Leider ja.»

Miss Marple überlegte. «Bestimmt die vermisste Pfadfinderin», sagte sie dann. «Patience – nein, Pamela Reeves.»

Sir Henry starrte sie an. «Wie kommen Sie denn darauf, Miss Marple?»

Miss Marple errötete. «Ich hab im Radio gehört, dass sie vermisst wird, seit gestern Abend. Sie hat in Daneleigh Vale gewohnt, nicht weit von hier. Zuletzt hat man sie ganz in der Nähe gesehen, bei einem Pfadfinderinnentreffen in den Danebury Downs. Auf dem Nachhauseweg musste sie durch Danemouth. Das passt alles zusammen, nicht wahr? Sieht fast so aus, als hätte sie etwas gesehen – oder vielleicht gehört –, was niemand sehen oder hören sollte. Dann hätte sie dem Mörder gefährlich werden können und musste – beseitigt werden. Da muss es einfach einen Zusammenhang geben, meinen Sie nicht?»

Sir Henry senkte die Stimme. «Sie meinen – ein zweiter Mord?»

«Warum nicht?» Ihr ruhiger, gelassener Blick begegnete seinem. «Wer einen Mord begangen hat, der schreckt vor einem zweiten nicht zurück. Auch nicht vor einem dritten.»

«Einem dritten? Glauben Sie denn, es wird auch noch ein dritter Mord geschehen?»

«Das halte ich für möglich… Ja, das halte ich für durchaus möglich.»

«Miss Marple», sagte Sir Henry, «Sie machen mir Angst. Wissen Sie denn auch, wer das Opfer sein wird?»

«Ich habe da eine ziemlich konkrete Vermutung.»

Zehntes Kapitel

I

Superintendent Harper betrachtete den verkohlten Blechhaufen. Ein ausgebranntes Auto war immer etwas Abstoßendes, auch ohne die grausige Fracht einer schwarz verkohlten Leiche.

Venn’s Quarry lag weit abseits jeder menschlichen Behausung. Von Danemouth waren es zwar nicht mehr als zwei Meilen Luftlinie, aber man gelangte nur über ein gewundenes, von tiefen Wagenspuren durchzogenes Sträßchen dorthin, wenig mehr als ein Feldweg, der an dem seit langer Zeit stillgelegten Steinbruch endete. Die Einzigen, die hin und wieder hierher kamen, waren Brombeerpflücker. Es war der ideale Ort, um einen Wagen loszuwerden. Das Auto wäre wochenlang unentdeckt geblieben, wenn nicht zufällig der Landarbeiter Albert Briggs auf seinem Weg zur Arbeit den Feuerschein gesehen hätte.

Albert Briggs war noch an Ort und Stelle, obwohl alles, was er zu sagen hatte, längst festgehalten worden war. Er schmückte die atemberaubende Geschichte mit immer neuen Details aus.

«Ich denk, ich seh nicht recht, was ist denn das? Richtig geleuchtet hat das am Himmel droben. Da macht wohl jemand ein Kartoffelfeuer, sag ich mir, aber wer macht schon drüben in Venn’s Quarry ein Kartoffelfeuer? Nein, sag ich, keine Frage, das ist ein richtig großes Feuer. Aber was kann da brennen, frag ich mich. Da in der Gegend gibt’s doch überhaupt kein Haus und keinen Hof. Das ist im Steinbruch, sag ich, ja, da ist es, keine Frage. Hab erst mal nicht gewusst, was tun, aber da ist Constable Gregg gekommen, mit dem Fahrrad, und dem hab ich’s erzählt. Gebrannt hat da schon nichts mehr, aber ich hab ihm gezeigt, wo er hinmuss. Da drüben, sag ich, riesiger Feuerschein, sag ich. Ein Heuschober wahrscheinlich, sag ich. Den hat bestimmt ein Landstreicher in Brand gesteckt. Aber dass es ein Auto ist, das hätt ich nie gedacht, und erst recht nicht, dass da jemand drin verbrennt, bei lebendigem Leibe. Furchtbare Tragödie das Ganze, keine Frage.»