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Zweifellos würde Tuon nicht erfreut sein, wenn man sie fand, aber es erschien unwahrscheinlich, dass ihr Missfallen so weit gehen würde, dass Suroth entehrt und gezwungen sein würde, sich die Pulsadern aufzuschlitzen; also musste Tuon gefunden werden. Jeder Sucher in Altara suchte nach ihr-jedenfalls die, die Suroth bekannt waren. Tuons eigene Sucher waren ihr natürlich unbekannt, aber sie mussten doppelt so angestrengt suchen wie die anderen. Es sei denn, sie hätte sie ins Vertrauen gezogen. Aber in siebzehn Tagen war nichts außer der albernen Geschichte aufgedeckt worden, dass Tuon von Goldschmieden Schmuck erpresste, und das wusste jeder gewöhnliche Soldat. Vielleicht…

Die bogenförmige Tür zum Vorraum öffnete sich verstohlen, und Suroth kniff schnell das rechte Auge zu, um ihre Nachtsicht vor dem einströmenden Licht zu schützen. Sobald der Spalt groß genug war, schlüpfte eine hellhaarige Frau im durchsichtigen Gewand einer Da'covale in das Schlafgemach, schloss die Tür leise hinter sich und stürzte den Raum in tiefe Finsternis. Bis Suroth ihr Auge wieder öffnete und eine schattenhafte Gestalt ausmachte, die auf ihr Bett zuschlich. Plötzlich erhob sich ein anderer Schatten in der Zimmerecke, als sich Almandaragal lautlos erhob. Der Lopar konnte den Raum in einem Herzschlag durchqueren und das Genick der dummen Frau brechen, aber Suroth umklammerte trotzdem den Dolchgriff. Eine zweite Verteidigungsreihe war klug, selbst wenn die erste unüberwindlich erschien. Einen Schritt vor dem Bett blieb die Da'covale stehen. Ihr aufgeregter Atem erschien in der Stille sehr laut.

»Sammelst du deinen Mut, Liandrin?«, sagte Suroth grob. Das honigfarbene, zu dünnen Zöpfen geflochtene Haar hatte ausgereicht, um sie zu erkennen.

Mit einem Quieken warf sich die Da'covale auf die Knie und drückte das Gesicht auf den Teppich. Zumindest das hatte sie gelernt. »Ich würde Euch nichts antun, Hochlady«, log sie. »Das wisst Ihr doch.« Ihre Stimme klang gepresst, kam in atemloser Panik. Anscheinend konnte sie genauso wenig lernen, wann sie sprechen musste und wann nicht, wie mit dem nötigen Respekt zu sprechen. »Wir sind beide verschworen, dem Großen Herrn zu dienen, Hochlady. Habe ich nicht bewiesen, dass ich nützlich sein kann? Ich habe für Euch doch Alwhin beseitigt, oder? Ihr habt gesagt, Ihr wollt sie tot sehen, Hochlady, und ich habe sie beseitigt.«

Suroth verzog das Gesicht und setzte sich in der Dunkelheit auf; die Decke rutschte ihr in den Schoß. Es passierte so schnell, dass man die Anwesenheit von Da'covale vergaß, selbst dieser Da'covale, und dann entschlüpften einem Dinge, die man besser für sich behalten hätte. Alwhin war nicht gefährlich gewesen, bloß ein Ärgernis, lästig in ihrer Stellung als Suroths Stimme. Sie hatte damit alles erreicht, was sie sich jemals ersehnt hatte, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie das auch nur durch den geringsten Verrat aufs Spiel gesetzt hätte, war winzig gewesen. Sicher, hätte sie sich bei einem Treppensturz das Genick gebrochen, wäre Suroth eine lästige Person losgewesen, aber Gift, das hervorquellende Augen und ein blaues Gesicht hinterließ, war eine andere Sache. Trotz der Suche nach Tuon hatte das den Blick der Sucher auf Suroths Haushalt gezogen. Sie war gezwungen gewesen, darauf zu bestehen, wegen des Mordes an ihrer Stimme. Sie akzeptierte, dass es Lauscher in ihrem Haushalt gab; jeder Haushalt hatte seinen Anteil Lauscher. Sucher taten aber mehr als nur zuzuhören, und möglicherweise entdeckten sie etwas, das verborgen bleiben musste.

Ihre Wut zu verbergen erforderte eine überraschende Mühe, und ihr Ton war kälter als gewünscht. »Ich hoffe, du hast mich nicht geweckt, nur um wieder zu betteln, Liandrin.«

»Nein, nein!« Die Närrin hob den Kopf und sah sie doch tatsächlich direkt an! »General Galgan hat einen Offizier geschickt, Hochlady. Er wartet, um Euch zum General zu bringen.«

Suroth verspürte ein gereiztes Pochen im Kopf. Die Frau verzögerte eine Botschaft von Galgan und schaute ihr in die Augen? Es geschah zwar in der Dunkelheit, aber in ihr stieg das Verlangen auf, Liandrin mit bloßen Händen zu erwürgen. Ein zweiter Tod so kurz nach dem ersten würde das Interesse der Sucher an ihrem Haushalt verstärken, falls sie davon erfuhren, aber Elbar konnte ihre Leiche leicht verbergen; bei solchen Aufträgen war er sehr geschickt.

Nur genoss sie es, die ehemalige Aes Sedai zu besitzen, die sie einst so hochmütig behandelt hatte. Sie in eine in jeder Hinsicht perfekte Da'covale zu verwandeln würde ein großes Vergnügen sein. Aber es war Zeit, die Frau an die Leine zu legen. Unter den Dienern kursierten bereits ärgerliche Gerüchte über eine kragenlose Marath'damane. Es würde Aufsehen erregen, wenn die Sul'dam entdeckten, dass sie auf eine gewisse Weise von der Einen Macht abgeschirmt war, sodass sie sie nicht lenken konnte, aber das würde helfen, die Frage zu beantworten, warum man sie nicht vorher an die Leine gelegt hatte. Allerdings würde Elbar unter den Sul'dam ein paar Atha'an Shadar finden müssen. Das war nie eine einfache Aufgabe — seltsamerweise wandten sich nur wenige Sul'dam dem Großen Herrn zu —, und eigentlich vertraute sie keiner Sul'dam mehr richtig, aber vielleicht konnte man Atha'an Shadar mehr vertrauen als dem Rest.

»Entzünde zwei Lampen, dann bring mir ein Gewand und Schuhe«, sagte sie und schwang die Beine über die Bettkante.

Liandrin eilte zu dem Tisch, auf dem die zugeklappte Sandschüssel auf ihrem vergoldeten Dreifuß stand, und sog zischend die Luft ein, als sie mit sorgloser Hand dagegenstieß, aber sie holte schnell mit einer Zange eine glühende Kohle heraus, blies dagegen, bis sie aufglühte, und entzündete zwei Silberlampen, drehte an den Dochten, damit die Flammen gleichmäßig brannten und nicht qualmten. Ihre Zunge mochte den Eindruck erwecken, dass sie sich als Suroths Gleichgestellte und nicht als Besitz fühlte, aber der Riemen hatte sie gelehrt, Befehlen schnell zu gehorchen.

Sie drehte sich mit einer Lampe in der Hand um, zuckte zusammen und stieß beim Anblick von Almandaragal in der Ecke einen unterdrückten Schrei aus. Seine dunklen, von Wülsten umgebenen Augen waren auf sie fixiert. Man hätte denken können, dass sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte! Allerdings bot er einen furchterregenden Anblick, drei Meter groß und fast zweitausend Pfund schwer, die haarlose Haut wie rötlich braunes Leder; er spannte die sechsgliedrigen Vorderpfoten an, sodass seine Krallen immer wieder ausfuhren und zurückschnellten.

»Ruhig«, sagte Suroth zu dem Lopar, ein vertrauter Befehl, aber er zog den Mund auseinander und entblößte scharfe Zähne, bevor er sich wieder auf dem Boden niederließ und den großen runden Kopf wie ein Hund auf die Pranken bettete. Er schloss die Augen nicht wieder. Lopar waren recht intelligent, und offensichtlich vertraute er Liandrin nicht mehr als sie.

Trotz furchterfüllter Blicke auf Almandaragal holte die Da'covale schnell blaue Samtschuhe und ein weißes Seidengewand mit aufwändigen grünen, roten und blauen Stickereien aus dem hohen, mit Schnitzereien verzierten Kleiderschrank, und sie hielt Suroth das Gewand so hin, dass sie die Arme in die Ärmel schieben konnte, aber die lange Schärpe musste sie selbst binden und einen Fuß nach vorn strecken, bevor Liandrin daran dachte, niederzuknien und ihr die Schuhe anzuziehen. Herrje, was war diese Frau doch inkompetent!