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»Sashalle sagt, dass sie bei ihrer Abreise verfluchte Behüter mitgenommen haben, von denen sie glaubt, dass sie zu Schwestern gehören, die bei dem Jungen sind, also kann man wohl davon ausgehen, dass sie auf der Suche nach ihm waren und ihn mittlerweile gefunden haben dürften. Sie hat keine Ahnung, was der Grund dafür sein könnte. Aber sie bestätigt, was Toveine über Logain behauptet hat. Anscheinend ist der verfluchte Mann nicht länger gedämpft.«

»Unmöglich«, murmelte Javindhra in ihre Teetasse, aber sie tat es leise. Tsutama mochte es nicht, wenn man ihren Behauptungen widersprach. Pevara behielt ihre Meinung für sich und trank nun selbst einen Schluck. Bis jetzt schien in dem Brief nichts zu stehen, was einer Diskussion würdig gewesen wäre, ausgenommen vielleicht die Behauptung, dass Sashalle das »Kommando« über irgendetwas haben könnte, und sie würde lieber über andere Dinge nachdenken als über Sashalles Schicksal. Der Tee schmeckte nach Blaubeeren. Wie hatte Tsutama so früh im Frühling Blaubeeren heranschaffen können? Vielleicht waren sie getrocknet gewesen.

»Ich lese euch den Rest vor«, sagte Tsutama, glättete den Brief und überflog ihn stumm bis fast unten, bevor sie begann. Anscheinend war Sashalle sehr ausführlich gewesen. Was enthielt die Oberste ihnen alles vor? So viele Verdächtigungen.

»Ich habe lange keine Nachricht geschickt, weil ich nicht wusste, wie ich das sagen soll, was ich sagen muss, aber jetzt sehe ich ein, dass die einzige Möglichkeit darin besteht, einfach die Fakten zu schildern. Zusammen mit einer Zahl anderer Schwestern, denen ich die Entscheidung selbst überlasse, ob sie das enthüllen wollen, was ich jetzt enthülle, habe ich dem Wiedergeborenen Drachen den Treueid geschworen, der so lange gilt, bis Tarmon Gai'don ausgefochten ist.«

Javindhra keuchte laut auf, ihr quollen beinahe die Augen aus dem Kopf, aber Pevara flüsterte bloß: »Ta'veren.« Es konnte nicht anders sein. Ta'veren war immer ihre Erklärung für die meisten der beunruhigenden Gerüchte aus Cairhien gewesen.

Tsutama las einfach weiter.

»Was ich tue, tue ich zum Nutzen der Roten Ajah und der Weißen Burg. Solltet Ihr anderer Meinung sein, werde ich mich Eurer Disziplin unterwerfen. Nach Tarmon Gai'don. Wie Ihr vielleicht gehört habt, wurden Irgain Fatamed, Ronaille Vevanios und ich gedämpft, als der Wiedergeborene Drache bei den Quellen von Dumai entkam. Wir sind jedoch Geheilt worden, von einem Mann namens Damer Flinn, einem Asha'man, und wir scheinen alle wieder restlos hergestellt worden zu sein. So unwahrscheinlich das auch erscheint, ich schwöre beim Licht und bei meiner Hoffnung auf Errettung und Wiedergeburt, dass das die Wahrheit ist. Ich freue mich auf meine Rückkehr in die Weiße Burg, die irgendwann einmal stattfinden wird, wo ich die Drei Eide erneut ablegen werde, um meine Hingabe an meine Ajah und die Weiße Burg nochmals zu verkünden.«

Sie rollte den Brief zusammen und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Da steht noch mehr, aber es ist nur weitere Bettelei, dass das, was sie tut, für die Ajah und die Burg ist.« Ein Funkeln in ihren Augen deutete an, dass Sashalle es möglicherweise bedauern würde, die Letzte Schlacht zu überleben.

»Wenn Sashalle wirklich Geheilt wurde«, setzte Pevara an und konnte dann nicht weitersprechen. Sie befeuchtete sich die Lippen mit Tee, dann hob sie die Tasse erneut und nahm einen Mund voll. Die Möglichkeit erschien zu wundervoll, um darauf hoffen zu können, eine Schneeflocke, die bei Berührung vermutlich schmelzen würde.

»Das ist unmöglich«, knurrte Javindhra, wenn auch nicht besonders energisch. Dennoch richtete sie die Bemerkung an Pevara, damit die Oberste nicht auf den Gedanken kam, dass sie gemeint war. Ein tiefes Stirnrunzeln ließ ihre Züge noch kantiger erscheinen. »Eine Dämpfung kann nicht Geheilt werden. Eher lernen Schafe fliegen! Sashalle muss den Verstand verloren haben.«

»Toveine könnte sich irren«, sagte Tsutama in sehr energischem Tonfall, »obwohl ich dann nicht verstehe, warum die verdammten Asha'man Logain einen von ihnen sein lassen, geschweige denn ihm einen Rang verleihen, aber ich glaube kaum, dass Sashalle verdammt noch mal nicht merkt, was mit ihr geschieht. Und sie schreibt nicht wie eine Frau, die Wahnvorstellungen hat. Manchmal ist das, was verflucht unmöglich ist, nur so lange verflucht unmöglich, bis es die erste Frau tut. Also. Eine Dämpfung ist Geheilt worden. Von einem Mann. Die verfluchten seanchanischen Heuschrecken legen jede Frau an die Leine, die die Macht lenken kann, anscheinend auch ein paar Schwestern. Vor zwölf Tagen . . . Nun, ihr wisst genauso gut wie ich, was passiert ist. Die Welt ist ein viel gefährlicherer Ort geworden als seit den Trolloc-Kriegen, vielleicht sogar seit der Zerstörung der Welt selbst. Darum habe ich entschieden, dass wir Euren Plan für diese verfluchten Asha'man in die Tat umsetzen, Pevara. Widerlich und gefährlich, aber soll man mich zu Asche verbrennen, wir haben keine Wahl. Ihr und Javindhra werdet das gemeinsam arrangieren.«

Pevara zuckte zusammen. Nicht wegen der Seanchaner. Sie waren Menschen, was auch immer für seltsame Ter'angreale sie besaßen, und sie würden schließlich besiegt werden. Es war die Erwähnung dessen, was die Verlorenen vor zwölf Tagen getan hatten, das sie die Miene verziehen ließ, trotz ihrer Bemühungen, ihr Gesicht unbewegt zu halten. So viel Macht, die an einer Stelle gelenkt worden war, das konnte kein anderer gewesen sein. Sie vermied nach Möglichkeit, darüber nachzudenken, was sie damit wohl versucht hatten. Oder noch schlimmer, was sie damit möglicherweise erreicht hatten. Ein zweites Zucken rührte daher, dass der Vorschlag, mit den Asha'man den Bund einzugehen, nun ihr zugeschrieben wurde. Aber das war von dem Augenblick an unvermeidlich gewesen, in dem sie Tarnas Vorschlag Tsutama präsentiert und sich zugleich gegen die Explosion gewappnet hatte, die ihrer Überzeugung nach erfolgen musste. Sie hatte sogar das Argument benutzt, Zirkel durch Männer zu vergrößern, um der monströsen Zurschaustellung der Einen Macht entgegentreten zu können. Überraschenderweise hatte es keine Explosion gegeben, noch nicht einmal eine große Reaktion. Tsutama hatte lediglich gesagt, sie würde darüber nachdenken, und darauf bestanden, dass man ihr die relevanten Schriften über Männer und Zirkel aus der Bibliothek brachte. Das dritte und stärkste Zucken kam daher, mit Javindhra zusammenarbeiten zu müssen, dass man ihr diese Aufgabe überhaupt aufbürdete. Sie hatte im Moment mehr als genug zu tun, davon abgesehen war es immer eine Qual, mit Javindhra zusammenarbeiten zu müssen. Die Frau hatte grundsätzlich immer Einwände gegen alles, was nicht von ihr selbst kam. Fast alles.

Javindhra war vehement dagegen gewesen, mit Asha'man den Bund einzugehen, die Vorstellung, dass Rote Schwestern überhaupt mit einem Mann den Behüterbund eingehen sollten, hatte sie fast genauso entsetzt wie die Idee, den Bund mit Männern einzugehen, die die Macht lenken konnten, aber jetzt, da die Oberste es befohlen hatte, war sie matt gesetzt. »Elaida wird das niemals erlauben«, murmelte sie.

Tsutamas funkelnder Blick fixierte sie. Die knochige Frau schluckte schwer.

»Elaida wird es nicht erfahren, bevor es zu spät ist, Javindhra. Ich hüte ihre Geheimnisse, so gut ich kann, weil sie aus den Roten erhoben wurde — ob es nun die Katastrophe beim Angriff auf die Schwarze Burg ist oder die bei den Quellen von Dumai. Aber sie ist der Amyrlin-Sitz aller Ajah und keiner. Das bedeutet, dass sie nicht mehr zu den Roten gehört, und das ist Sache der Ajah und nicht ihre.« Ein gefährlicher Tonfall schlich sich in ihre Stimme ein. Und sie hatte nicht einmal geflucht. Das bedeutete, dass sie am Rand eines Wutanfalls stand. »Stimmt Ihr da nicht mit mir überein? Wollt Ihr Elaida trotz meiner ausdrücklichen Wünsche informieren?«