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»Eine von ihnen lenkt die Macht«, sagte Nynaeve gerade laut genug, dass er es hören konnte, während sie vom Pferd stieg. »Ich kann nichts sehen, also muss sie ihre Fähigkeiten maskiert und das Gewebe umgedreht haben, und mich würde wirklich interessieren, wo die Seanchaner das gelernt haben, aber sie lenkt die Macht. Nur eine von ihnen. Da ist nicht genug, als dass es zwei sein könnten.« Ihr Ter'angreal konnte nicht feststellen, ob Saidin oder Saidar gelenkt wurde, aber es war unwahrscheinlich, dass es sich um einen Mann handelte.

Ich habe dir gesagt, es ist eine Falle, stöhnte Lews Therin.

Ich habe es dir gesagt!

Rand tat so, als würde er den Sattelgurt überprüfen.

»Kannst du sagen, wer es ist?« Er griff noch immer nicht nach Saidin. Unmöglich zu sagen, was Lews Therin anstellen würde, wenn es ihm unter diesen Umständen wieder gelang, die Kontrolle an sich zu reißen. Auch Logain fummelte an seinem Sattelgurt herum, und Narishma sah zu, wie Sandomere einen der Hufe des Schecken überprüfte. Sie hatten es mitbekommen. Die kleine Frau wartete in der Tür, reglos, aber sicherlich ungeduldig und aller Wahrscheinlichkeit nach von ihrem vorgetäuschten Interesse an ihren Pferden beleidigt.

»Nein«, erwiderte Cadsuane grimmig. »Aber ich kann etwas dagegen unternehmen. Sobald wir näher heran sind.« Ihr goldener Haarschmuck baumelte, als sie den Umhang zurückwarf, als würde sie ein Schwert enthüllen.

»Bleib hinter mir«, sagte er zu Min, und zu seiner Erleichterung nickte sie. Ein leichtes Stirnrunzeln lag auf ihrem Gesicht, und der Bund trug Besorgnis. Aber keine Furcht. Sie wusste, dass er sie beschützen würde.

Er ließ die Pferde hinter sich zurück und ging zusammen mit Cadsuane und Nynaeve, die ein Stück Abstand zu ihm hielten, auf die Sul'dam und Damane zu. Logain hatte die Hand auf den Schwertgriff gelegt, als wäre das seine wahre Waffe, und ging ein Stück abseits von Cadsuane; Narishma und Sandomere hielten sich hinter Nynaeve. Die kleine dunkelhäutige Frau setzte sich langsam in Bewegung, auf sie zu, lüpfte die Faltenröcke von dem feuchten Boden.

Plötzlich flackerte sie, keine zehn Schritte mehr von ihnen entfernt. Einen Augenblick lang war sie größer als die meisten Männer, ganz in Schwarz gekleidet, mit einem Ausdruck der Überraschung auf dem Gesicht, und obwohl sie noch immer den Schleier trug, wuchsen schwarze Locken auf ihrem Kopf. Nur einen winzigen Augenblick lang, dann war die kleine Frau wieder da, deren Schritt stockte, als sie die weißen Röcke losließ, aber dann trat das Flackern wieder auf, und die hochgewachsene Frau stand dort, das Gesicht hinter dem Schleier wutverzerrt. Rand erkannte das Gesicht, obwohl er es nie zuvor gesehen hatte. Aber Lews Therin hatte es, und das reichte.

»Semirhage«, sagte er entsetzt, bevor er das Wort zurückhalten konnte, und plötzlich schien alles auf einmal zu passieren.

Er griff nach der Quelle und stieß auf Lews Therin, der auch danach krallte, und jeder versuchte den anderen daran zu hindern, sie zu erreichen. Semirhages Hand schnellte nach vorn, und ein Feuerball schoss aus ihren Fingerspitzen auf ihn zu. Möglicherweise schrie sie auch etwas, einen Befehl. Er konnte nicht zur Seite springen; Min stand direkt hinter ihm. Hektisch versuchte er nach der Quelle zu greifen, verzweifelt riss er schützend die Hand mit dem Drachenzepter nach oben. Die Welt schien in Flammen zu explodieren.

Ihm wurde bewusst, dass seine Wange auf dem feuchten Boden lag. Schwarze Flecken tanzten durch sein Blickfeld, und alles erschien leicht verschwommen, als würde man es durch Wasser sehen. Wo war er? Was war passiert? Sein Kopf fühlte sich wie mit Wolle ausgestopft an. Etwas stieß in seine Rippen. Sein Schwertgriff. Die alten Wunden darüber waren ein harter Knoten aus purem Schmerz. Langsam wurde ihm klar, dass er das Drachenzepter ansah, oder vielmehr das, was davon noch übrig war. Drei Schritte entfernt lagen die Speerspitze und ein Stück des angekokelten Schaftes. Kleine, flackernde Flammen verzehrten die lange Quaste. Die Schwertkrone lag daneben.

Plötzlich wurde ihm bewusst, dass in der Nähe Saidin gelenkt wurde. Genau wie Saidar, das verriet ihm die Gänsehaut am ganzen Körper. Das Herrenhaus. Semirhage! Er wollte sich hochstemmen und brach mit einem Aufschrei wieder zusammen. Langsam drehte er den linken Arm, der von der Stelle an schmerzte, wo er seine Hand sehen konnte. Sehen konnte, wo seine Hand gewesen war. Es war nur ein zerfetzter, verkohlter Stumpf übrig. Ein Stumpf, der aus einem Ärmel ragte, von dem dünne Rauchwolken emporstiegen. Aber um ihn herum wurde noch immer die Macht gelenkt. Seine Leute kämpften um ihr Leben. Sie konnten sterben. Min! Er wollte sich erneut aufrappeln und sackte wieder zusammen.

Als hätte sie der Gedanke an sie herbeigeholt, lag Min plötzlich über ihm. Versuchte, ihn mit dem Körper zu decken. Der Bund pulsierte vor Mitgefühl und Schmerz. Keinem körperlichen Schmerz. Er hätte gewusst, hätte sie auch nur die kleinste Verletzung davongetragen. Sie verspürte Qualen wegen ihm. »Bleib still liegen«, sagte sie. »Du bist… du bist verletzt worden.«

»Ich weiß«, erwiderte er heiser. Wieder griff er nach Saidin, und wunderbarerweise versuchte Lews Therin dieses Mal nicht, sich einzumischen. Die Macht erfüllte ihn, und das verlieh ihm die Kraft, sich mit einer Hand hochzustemmen und dabei ein paar sehr hässliche Gewebe vorzubereiten. Trotz seines schlammbeschmutzten Mantels ergriff Min seinen unverletzten Arm, als wollte sie versuchen, ihn aufrechtzuerhalten. Aber der Kampf war vorüber.

Semirhage stand steif da, die Arme an den Körper gepresst, die Röcke gegen die Beine gedrückt, zweifellos in Ströme aus Luft gehüllt. Aus ihrer Schulter ragte der Griff von Mins Messer, und sie musste auch abgeschirmt sein, aber ihr dunkelhäutiges, wunderschönes Gesicht zeigte nichts als Verachtung. Sie war schon einmal Gefangene gewesen, für kurze Zeit, im Krieg des Schattens. Sie war aus einem Kerker entkommen, indem sie ihren Wächtern eine solche Angst eingejagt hatte, dass sie sie doch tatsächlich in die Freiheit geschmuggelt hatten.

Andere hatten schlimmere Verletzungen davongetragen. Eine kleine schwarze Sul'dam und eine große blonde Damane lagen verbunden durch ein A'dam auf dem Boden und starrten mit bereits starr werdenden Augen in die Sonne, ein anderes Paar lag aneinander geklammert auf den Knien; Blut lief ihnen ins Gesicht und verklebte das Haar. Die anderen Paare standen so steif wie Semirhage da, und er konnte die Abschirmungen um drei der Damane sehen. Sie sahen wie betäubt aus. Eine der Sul'dam, eine schlanke, dunkelhaarige junge Frau, schluchzte leise.

Auch Narishmas Gesicht war blutverschmiert, sein Mantel erschien angesengt. Genau wie bei Sandomere; ein Knochen durchstieß seinen linken Ärmel, rot verschmiertes Weiß, bis Nynaeve den Arm mit festem Ruck richtete. Er verzog gequält das Gesicht und stieß ein gutturales Stöhnen aus. Sie legte die Hände über den Bruch, und Augenblicke später spannte er den Arm an und bewegte die Finger und murmelte einen Dank. Logain erschien unversehrt, genau wie Nynaeve und Cadsuane, die Semirhage musterte, so wie eine Braune ein zuvor noch nie gesehenes exotisches Tier studieren würde.

Da klafften überall um das Herrenhaus herum Wegetore auf und spuckten berittene Asha'man und Aes Sedai und Behüter aus, desgleichen verschleierte Töchter. Bashere ritt an der Spitze seiner Reiter. Ein Asha'man und eine Aes Sedai, die sich zu einem Zirkel verknüpften, konnten ein beträchtlich größeres Tor erschaffen, als Rand allein imstande gewesen wäre. Also musste es jemand geschafft haben, das Signal zu geben, eine rote, zerplatzende Flammenkugel am Himmel. Jeder Asha'man war mit Saidin gefüllt, und Rand vermutete, dass die Aes Sedai gleichermaßen viel Saidar hielten. Die Töchter schwärmten zwischen den Bäumen aus.