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Sahen sie ihn jetzt mit anderen Augen? Logains Gesicht war eine starre Maske, unleserlich. Bashere sah aus, als könnte er das alles trotzdem nicht glauben. Nynaeves Mund stand offen, ihre Augen waren weit aufgerissen. Der Bund… Einen langen Augenblick war der Bund wie… betäubt. Wenn sich Min von ihm abwandte, dann wusste er nicht, ob er das ertragen konnte. Aber die Betäubung wurde durch Mitgefühl und Entschlossenheit so unverrückbar wie ein Berg ersetzt, und einer Liebe, die hell strahlte, dass er sich daran die Hände hätte wärmen können. Ihr Griff um seinen Arm wurde fester, und er versuchte seine Hand auf die ihre zu legen. Die Erinnerung kam zu spät, und er riss den Stumpf zurück, aber nicht, bevor er sie berührt hatte. In ihrem Bund schwankte nichts, auch nicht um Haaresbreite.

Cadsuane trat einen Schritt auf die größere Frau zu und schaute zu ihr hoch. Einer der Verlorenen gegenüberzustehen schien ihr nicht mehr auszumachen, als dem Wiedergeborenen Drachen gegenüberzustehen. »Ihr seid sehr ruhig für eine Gefangene. Statt die Anschuldigung zu bestreiten, belastet Ihr Euch selbst.«

Semirhage lenkte das kalte Lächeln von Rand auf Cadsuane. »Warum sollte ich mich selbst verleugnen?« Jedes einzelne ihrer Worte troff vor Stolz. »Ich bin Semirhage.« Jemand keuchte auf, und einige der Sul'dam und Damane fingen an zu zittern und zu weinen. Eine Sul'dam, eine hübsche blonde Frau, erbrach sich plötzlich über die Brust, und eine andere, stämmig und dunkelhäutig, sah aus, als würde sie es ihr gleich nachmachen.

Cadsuane nickte bloß. »Ich bin Cadsuane Melaidhrin. Ich freue mich auf lange Gespräche mit Euch.« Semirhage grinste verächtlich. An Mut hatte es ihr noch nie gemangelt.

»Wir hielten sie für die Hochlady«, beeilte sich Falendre zu sagen und klang zugleich zögernd. Sie schien kurz davor, mit den Zähnen zu klappern, aber sie zwang die Worte heraus. »Wir dachten, wir würden geehrt. Sie brachte uns im Tarasin-Palast in ein Zimmer, in dem… in dem ein Loch in der Luft war, und wir traten hindurch und befanden uns an diesem Ort. Ich schwöre es bei meinem Augenlicht! Wir hielten sie für die Hochlady.«

»Also kommt kein Heer auf uns zu«, sagte Logain. Seinem Ton war nicht anzumerken, ob er erleichtert oder enttäuscht war. Er zog das Schwert einen Fingerbreit und stieß es zurück in die Scheide. »Was machen wir mit ihnen?« Er deutete ruckartig mit dem Kopf auf die Sul'dam und Damane. »Schicken wir sie wie die anderen nach Caemlyn?«

»Wie schicken sie zurück nach Ebou Dar«, sagte Rand.

Cadsuane drehte sich um und starrte ihn an. Ihr Gesicht war eine perfekte Maske der Aes-Sedai-Gelassenheit, doch er bezweifelte, dass sie innerlich tatsächlich gelassen war. Das Anleinen von Damane war eine Abscheulichkeit, die Aes Sedai persönlich nahmen. Nynaeve war alles andere als gelassen. In ihrem Blick funkelte der Zorn, sie hielt ihren Zopf so fest mit der Faust umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortraten; sie öffnete den Mund, aber er kam ihr zuvor. »Ich brauche diesen Waffenstillstand, Nynaeve, und diese Frauen gefangen zu nehmen wird mir dabei nicht helfen. Streite nicht mit mir. So würden sie es bezeichnen, und die Damane auch, und du weißt das genauso so gut wie ich. Sie können die Nachricht überbringen, dass ich die Tochter der Neun Monde treffen will. Die Thronerbin allein kann einem Waffenstillstand Bestand verleihen.«

»Es gefällt mir trotzdem nicht«, sagte sie entschieden.

»Wir könnten die Damane befreien. Die anderen können genauso gut Botschaften übermitteln.« Die Damane, die zuvor nicht geweint hatte, brach jetzt in Tränen aus. Ein paar von ihnen flehten die Sul'dam an, sie zu retten. Nynaeve sah aus, als würde ihr jetzt übel, aber sie warf nur die Hände nach oben und beendete die Diskussion.

Die beiden Soldaten, die Bashere ins Haus geschickt hatte, kamen wieder heraus, junge Männer, die mit einem rollenden Gang daherschritten, mehr an Sättel als an ihre eigenen Füße gewöhnt waren. Hamad hatte einen prächtigen schwarz en Bart, der unter dem Helmrand herausragte, und eine Narbe im Gesicht. Aghan trug einen dichten Schnurrbart wie Bashere; unter dem Arm hielt er einen schlichten Holzkasten ohne Deckel. Sie verbeugten sich vor Bashere, mit der freien Hand schwangen sie die Schwerter nach hinten.

»Das Haus ist leer, mein Lord«, sagte Aghan, »aber in mehreren Zimmern sind die Teppiche blutverschmiert. Sieht aus wie in einem Schlachthaus, mein Lord. Ich glaube, die Bewohner sind alle tot. Das hier stand am Eingang. Es sah nicht so aus, als würde es hierher gehören, also habe ich es mitgebracht.« Er hielt ihnen den Kasten hin. Darin lagen zusammengerollte A'dam und eine Anzahl von Armbändern aus schwarzen Metallsegmenten, einige groß, andere klein.

Rand wollte mit seiner linken Hand danach greifen, bevor er daran dachte. Min fiel die Bewegung auf und ließ seinen rechten Arm los, damit er ein paar der schwarzen Metallarmbänder herausnehmen konnte. Nynaeve keuchte auf.

»Weißt du, was das ist?«, fragte er.

»Das sind A'dam für Männer«, sagte sie wütend. »Egeanin hatte versprochen, sie würde das Ding ins Meer werfen! Wir haben ihr vertraut, und sie hat es jemandem gegeben, um Kopien zu machen!«

Rand warf die Dinger zurück in den Kasten. Von den größeren Armbändern gab es sechs Stück, und fünf von den silbrigen Leinen. Semirhage war vorbereitet gewesen, ganz egal, wen er mitgebracht hätte. »Sie glaubte wirklich, uns alle gefangen nehmen zu können.« Diese Vorstellung hätte ihn wirklich schaudern lassen sollen. Er vermeinte fühlen zu können, wie Lews Therin erzitterte. Niemand wollte Semirhage in die Hände fallen.

»Sie hat ihnen zugerufen, uns abzuschirmen«, sagte Nynaeve, »aber sie konnten es nicht, weil wir alle bereits die Macht hielten. Hätten wir das nicht getan, hätten Cadsuane und ich nicht unsere Ter'angreale, dann weiß ich nicht, was passiert wäre.« Sie zitterte tatsächlich.

Er sah die hochgewachsene Verlorene an, und sie starrte völlig unbewegt zurück. Eiskalt. Ihre Grausamkeit war so berüchtigt, dass man leicht vergessen konnte, wie gefährlich sie sonst war. »Verknote die Abschirmungen der anderen, sodass sie sich in ein paar Stunden auflösen, dann schicke sie irgendwo in die Nähe von Ebou Dar.« Einen Augenblick lang glaubte er, Nynaeve würde erneut protestieren, aber sie beschränkte sich darauf, kräftig an ihrem Zopf zu ziehen und sich abzuwenden.

»Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt, um ein Treffen mit der Hochlady zu bitten?«, verlangte Falendre zu wissen. Aus irgendeinem Grund betonte sie den Titel.

»Mein Name ist Rand al'Thor. Ich bin der Wiedergebor ene Drache.« Hatten sie geweint, als sie Semirhages Namen gehört hatten, verfielen sie in schrilles Wehklagen, als sie den seinen hörten.

Den Ashandarei quer über dem Sattel, saß Mat auf Pips in der Dunkelheit zwischen den Bäumen und wartete, umgeben von zweitausend berittenen Armbrustmännern. Die Sonne war noch nicht lange untergegangen, und die Geschehnisse sollten im Gange sein. In dieser Nacht würden die Seanchaner an einem halben Dutzend Orten harte Schläge erhalten. Das Mondlicht, das durch das Laubwerk fiel, verbreitete gerade genug Helligkeit, dass er Tuons im Schatten befindliches Gesicht ausmachen konnte. Sie hatte darauf bestanden, bei ihm zu bleiben, was bedeutete, dass Selucia natürlich auf ihrem Falben an ihrer Seite war und ihn wie gewöhnlich finster anstarrte. Leider gab es nicht genug Mondschatten, um das zu verbergen. Tuon konnte nicht gefallen, was heute Nacht passieren würde, aber sie ließ sich nichts anmerken. Was dachte sie? Ihr Ausdruck war ganz der strenge Magistrat.