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Schließlich trug der Wind die Laute eines galoppierenden Pferdes heran, und er richtete sich in seinem Sattel auf. Vanins Falbe kam aus der Nacht heraus, und wie immer bot der dicke Mann im Sattel einen seltsamen Anblick.

Vanin zügelte das Pferd und spuckte durch eine Lücke in den Zähnen. »Sie sind ungefähr eine Meile hinter mir, aber es sind etwa tausend mehr als heute Morgen. Wer auch da den Befehl hat, er kennt sich aus. Sie rücken mit aller Eile vor, ohne die Pferde zuschanden zu reiten.«

»Wenn Ihr zwei zu eins in der Minderzahl seid«, sagte Teslyn, »dann überlegt Ihr es Euch vielleicht noch…«

»Ich habe nicht die Absicht, eine Feldschlacht gegen sie zu führen«, unterbrach Mat sie. »Und ich kann es mir nicht leisten, viertausend Lanzenreiter unbehelligt zu lassen, damit sie mir später Ärger machen. Lasst uns zu Mandevwin gehen.«

Die knienden Armbrustmänner auf dem Abhang des Nordhügels machten keinen Laut, als er mit den Frauen und Vanin durch ihre Reihe ritt; sie rückten bloß zur Seite, um sie durchzulassen. Er hätte mindestens zwei Reihen bevorzugt, aber er musste eine lange Front abdecken. Die wenigen Bäume schirmten den Wind nicht besonders erfolgreich ab, und die meisten Männer hatten sich in ihre Umhänge gekauert. Dennoch war jede Armbrust, die er sehen konnte, gespannt und ein Bolzen eingelegt. Mandevwin hatte Vanin eintreffen gesehen und gewusst, was das zu bedeuten hatte.

Der Cairhiener schritt direkt hinter der Reihe auf und ab, bis Mat sich von Pips schwang. Mandevwin hörte mit Erleichterung, dass er auf der Rückseite keine Wache mehr aufstellen musste. Er nickte bloß nachdenklich, als er hörte, dass es tausend mehr Lanzenreiter gab als erwartet, und schickte einen Mann los, der die Wachtposten vom Hügelkamm holte, damit sie ihre Plätze in der Reihe einnehmen konnten. Wenn sich Mat Cauthon schon nichts deswegen anmerken ließ, dann würde er das auch nicht. Mat hatte das vergessen. Die Bande vertraute ihm bedingungslos. Einst hätte ihn das beinahe die Flucht ergreifen lassen. In dieser Nacht war er froh darüber.

Eine Eule rief zweimal, irgendwo hinter ihm, und Tuon seufzte.

»Ist das ein Omen?«, fragte er, bloß um etwas zu sagen.

»Ich bin froh, dass Ihr endlich dafür Interesse zeigt, Spielzeug. Vielleicht werde ich Euch ja doch noch etwas beibringen können.« Ihre Augen schimmerten im Mondlicht. »Eine Eule, die zweimal ruft, bedeutet, dass bald jemand stirbt.« Nun, das beendete die Unterhaltung abrupt.

Kurz darauf erschienen die Seanchaner, in Viererreihe führten sie die Pferde im Laufschritt an den Zügeln, die Lanzen in der Hand. Vanin hatte Recht gehabt, ihr Anführer verstand etwas von seiner Arbeit. Wenn man Pferde galoppieren ließ und sie dann ein Stück führte, konnten sie schnell große Distanzen zurücklegen. Narren versuchten, sie große Distanzen galoppieren zu lassen, und hatten am Ende tote oder verkrüppelte Pferde. Nur ungefähr die ersten vierzig trugen die Segmentrüstungen und seltsamen Helme der Seanchaner. Eine Schande. Mat hatte keine Ahnung, wie die Seanchaner Verluste ihrer altaranischen Verbündeten aufnehmen würden. Verluste bei den eigenen Männern würde allerdings Aufmerksamkeit erringen.

Als die Mitte der Kolonne direkt vor ihm war, brüllte eine tiefe Stimme auf der Straße plötzlich: »Banner! Halt!« Die beiden Worte hatten den vertrauten Akzent der Seanchaner. Die Männer in den Segmentrüstungen hielten zackig an. Die anderen waren da etwas weniger diszipliniert.

Mat holte tief Luft. Nun, das konnte nur das Werk von ta'veren sein. Sie hätten kaum besser Aufstellung nehmen können, hätte er den Befehl selbst gegeben. Er legte Teslyn eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte leicht zusammen, aber er musste ihre Aufmerksamkeit lautlos erlangen.

»Banner!«, rief die tiefe Stimme. »Aufsitzen!«

»Jetzt«, sagte Mat leise.

Der Fuchskopf auf seiner Brust wurde kalt, und plötzlich schwebte eine rote Lichtkugel hoch über der Straße und tauchte die Soldaten in ein unirdisches Licht. Ihnen blieben nur wenige Herzschläge, um zu starren. Ein Stück weit unter Mat schwirrten tausend Armbrustsehnen, und es klang wie ein einziges lautes Schnappen. Tausend Bolzen schössen in die Formation, durchschlugen Harnische auf diese kurze Distanz, rissen Männer von ihren Beinen, ließen Pferde sich wiehernd aufbäumen, während tausend weitere von der anderen Seite trafen. Nicht jeder Schuss traf richtig, aber das spielte bei einer schweren Armbrust kaum eine Rolle. Männer stürzten mit zerschmetterten Beinen, mit zur Hälfte abgerissenen Beinen. Männer umklammerten Armstümpfe und versuchten, das herausschießende Blut zu stoppen. Männer schrien so laut wie die Pferde.

Mat sah zu, wie ein Armbrustmann in seiner Nähe sich bückte, um die Doppelkralle der klobigen, kastenähnlichen Winde, die vorn an seinem Gürtel hing, an der Armbrustsehne zu befestigen. Als sich der Mann aufrichtete, spulte sich das Kabel aus der Winde; sobald er aufrecht stand, steckte er die Winde auf den Kolben der Armbrust, legte einen kleinen Hebel an der Seite des Kastens um und fing an, die Handgriffe zu drehen. Drei schnelle Drehungen mit einem schwirrenden Laut, und die Sehne schnappte ein.

»In die Bäume!«, rief die tiefe Stimme. »Schnappt sie euch, bevor sie nachladen können! Bewegt euch!«

Einige versuchten aufzusteigen, um reitend anzugreifen, andere ließen Zügel und Lanzen fallen, um Schwerter zu ziehen. Keiner schaffte es bis zu den Bäumen. Zweitausend weitere Bolzen regneten auf sie herab, schnitten Männer nieder, durchschlugen Männer, um hinter ihnen stehende Männer zu töten oder Pferde umstürzen zu lassen. Auf den Hügelseiten bearbeiteten Männer wie wild ihre Winden, aber das war unnötig. Auf der Straße trat hier und da noch ein Pferd mit erlahmender Kraft um sich. Die einzigen Männer, die sich noch bewegten, versuchten hektisch alles anzulegen, was sich als Aderpresse benutzen ließ, um nicht zu verbluten. Der Wind trug die Laute galoppierender Pferde heran. Einige mochten sogar Reiter haben. Die tiefe Stimme war verstummt.

»Mandevwin«, rief Mat, »wir sind hier fertig. Lasst die Männer aufsitzen. Wir haben noch an anderen Orten zu tun.«

»Ihr müsst bleiben und Hilfe anbieten«, sagte Teslyn energisch. »Das verlangen die Regeln des Krieges.«

»Das ist eine neue Art von Krieg«, sagte er grob zu ihr. Beim Licht, auf der Straße ertönte kein Laut, aber er konnte noch immer die Schreie hören. »Sie werden auf ihre eigenen Leute warten müssen, wenn sie Hilfe wollen.«

Tuon murmelte etwas. Er glaubte »Ein Löwe kann kein Mitleid haben« zu verstehen, aber das konnte nicht sein.

Er sammelte die Männer und führte sie die Nordseite des Hügels hinunter. Es bestand keine Notwendigkeit, die Uberlebenden ihre Zahl sehen zu lassen. In ein paar Stunden würden sie sich wieder mit den Männern von dem anderen Hügel vereinen, und noch ein paar Stunden später mit Carlomin. Vor Sonnenaufgang würden sie die Seanchaner erneut treffen. Er würde dafür sorgen, dass sie rannten, damit sie für ihn diesen verdammten Korken herauszogen.

28

In Malden

Kurz vor Tagesanbruch befestigte Faile zum ersten mal den breiten Gürtel aus goldenen Ringen um ihre Taille. Da betrat Dairaine das kleine, bereits überfüllte Spitzzelt, in dem sie alle schliefen. Draußen würde sich der Himmel langsam warzen Haar, das ihr in Locken bis zur Taille reichte, gähnte und runzelte gleichzeitig die Stirn. Sie hatte die erste Stellung direkt unter dem Hohen Herrn ihres Hauses in Cairhien eingenommen, aber sie war mitten in der Nacht geweckt worden, weil Sevanna nicht schlafen konnte und vorgelesen haben wollte. Sevanna hörte gern Dairaines Stimme, vermutlich genauso gern wie ihre Geschichten über die angeblichen Untaten der anderen Gai'schain. Die Cairhienerin gehörte nie zu denen, die Sevanna verärgert hatten. Ihre Hände griffen nach dem goldenen Kragen, zögerten aber, als ihr bewusst wurde, dass Faile, Alliandre und Maighdin bereits angezogen und auf den Beinen waren.