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Diese Ausritte beinhalteten nie den Befehl, nicht zu fliehen, ein Befehl, dem sie hätte gehorchen müssen, und sein Fehlen brachte seine eigene Bitterkeit. Therava wusste, dass sie zurückkehren würde — ganz egal, wie sehr man sie auch misshandelte —, von der Hoffnung getrieben, dass die Weise Frau eines Tages den verfluchten Gehorsamseid wieder zurücknahm. Sie würde die Macht wieder lenken können, wann und wie sie es wollte. Sevanna ließ sie manchmal die Macht lenken, um unwichtige Aufgaben zu erledigen oder um einfach nur zu demonstrieren, dass sie es befehlen konnte, aber das geschah so selten, dass Galina förmlich selbst nach diesen Gelegenheiten hungerte, um Saida r umarmen zu können. Therava weigerte sich, sie auch nur die Macht berühren zu lassen, es sei denn, sie flehte und bettelte, aber selbst dann verweigerte sie die Erlaubnis, einen Strang zu lenken. Und sie hatte gebettelt und sich völlig erniedrigt, nur um dieses Almosen zu bekommen. Ihr wurde bewusst, dass sie mit den Zähnen knirschte, und sie zwang sich, damit aufzuhören.

Vielleicht würde der Eidstab in der Weißen Burg sie von diesem Eid genauso befreien können wie der fast identische Eidstab in Theravas Besitz, aber sie konnte da nicht sicher sein. Die beiden waren nicht identisch. Der Unterschied bestand nur in der Zeichnung, aber was, wenn das ein Hinweis darauf war, dass ein darauf geleisteter Eid allein an diesen Stab gebunden war? Sie konnte es einfach nicht wagen, ohne Theravas Eidstab zu gehen. Die Weise Frau ließ ihn oft offen in ihrem Zelt herumliegen, aber sie hatte gesagt: Du wirst ihn niemal s ho chheben.

Oh, Galina konnte den weißen Stab mit dem Umfang eines Handgelenks berühren, seine glatte Oberfläche streicheln, aber sie konnte nicht die Finger darum schließen, es sei denn, jemand gab ihr den Stab. Zumindest hoffte sie, dass das nicht dasselbe sein würde, wie ihn hochzuheben. Es musste einfach so sein. Allein der Gedanke, es könnte sich anders verhalten, erfüllte sie mit Verzweiflung. Das Verlangen in ihren Augen, wenn sie den Stab ansah, rief bei Therava ein seltenes Lächeln hervor.

Will meine k leine Lina von ihrem Ei d befreit werden?, pflegte sie dann spöttisch zu sagen. Dann m uss Li na ei n ganz bra ves Scho ßtier sein, denn ich werde nur darüber nachdenk en, dich zu befreien, wenn du mich davo n überzeugst, dass du auch da nn mein Schoßtier bleibst.

Auf Lebenszeit Theravas Spielzeug und das Ziel ihrer Launen sein? Jemand, den man als Ersatz prügeln konnte, wann immer Therava wütend auf Sevanna war? Das Wort Verz weifl ung war nicht stark genug, um ihre Gefühle bei dieser Aussicht zu beschreiben. Entsetzen traf es schon eher. Sie befürchtete wahnsinnig zu werden, sollte das geschehen. Gleichzeitig befürchtete sie, dass es keine Flucht in den Wahnsinn geben würde.

Die Stimmung war ihr gründlich verdorben, sie beschattete die Augen, um nach dem Stand der Sonne zu sehen. Therava hatte lediglich gesagt, dass sie sie vor Einbruch der Dunkelheit wiedersehen wollte, und es blieben noch zwei gute Stunden Tageslicht, aber sie seufzte bedauernd und wandte Schnell hangabwärts, um zwischen den Bäumen zurück zum Lager zu reiten. Die Weise Frau genoss es, Möglichkeiten zu finden, Gehorsam ohne direkten Befehl zu erzwingen. Tausend Möglichkeiten, sie kriechen zu lassen. Um sicher zu sein, musste die geringste Andeutung dieser Frau als Befehl gedeutet werden. Ein paar Minuten der Verspätung hatten Bestrafungen zur Folge, die Galina bei der Erinnerung zusammenzucken ließen — zusammenzucken und die Stute zu einem schnelleren Schritt antreiben. Therava akzeptierte keine Entschuldigungen.

Ein Aielmann trat hinter einem breiten Baum hervor und versperrte ihr den Weg, ein sehr großer Mann im Cadin'sor, der seine Speere in das Geschirr geschoben hatte, das sein Bogenfutteral auf dem Rücken hielt. Sein Schleier hing auf seiner Brust. Wortlos ergriff er ihr Zaumzeug.

Sie starrte ihn einen Augenblick lang an, dann richtete sie sich empört zu ihrer vollen Größe auf. »Narr!«, fauchte sie.

»Ihr müsst mich mittlerweile kennen. Lasst mein Pferd los, oder Sevanna und Therava werden sich darin abwechseln, Euch die Haut abzuziehen!«

Für gewöhnlich zeigten diese Aiel nur wenig von ihren Gesichtern, aber sie glaubte zu sehen, dass sich seine grünen Augen ein Stück weiteten. Und dann schrie sie auf, als er seine gewaltige Faust in die Brust ihres Gewandes verkrallte und sie aus dem Sattel riss.

»Sei ruhig, Gai'schain«, sagte er, aber auf eine Weise, als wäre es ihm egal, ob sie gehorchte oder nicht.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie gehorchen müssen, aber sobald ihnen klar geworden war, dass sie jedem Befehl von wem auch immer gehorchen musste, hatte es zu viele gegeben, die sich einen Spaß daraus gemacht hatten, sie alberne Besorgungen erledigen zu lassen, während Therava oder Sevanna ihre Dienste brauchten. Jetzt musste sie nur noch bestimmten Weisen Frauen und Sevanna gehorchen, also trat und wand und schrie sie in der verzweifelten Hoffnung, jemanden auf sich aufmerksam zu machen, der wusste, dass sie Therava gehörte. Hätte sie doch bloß ein Messer tragen dürfen. Selbst das wäre eine Hilfe gewesen. Wie konnte dieser Mann sie nicht erkennen, oder nicht wissen, was ihr juwelenbesetzter Gürtel und der Kragen bedeuteten? Das Lager war riesig, mit so vielen Leuten gefüllt, wie manche Städte Einwohner hatten, und doch hatte es den Anschein, als könnte jeder Theravas gefangene Feuchtländerin erkennen. Die Frau würde diesen Burschen häuten lassen, und Galina hatte vor, zuzusehen und jede Minute zu genießen.

Nur zu schnell wurde ersichtlich, dass ein Messer völlig nutzlos gewesen wäre. Trotz ihrer Gegenwehr kam der Riese mühelos mit ihr zurecht, zog ihr die Kapuze über den Kopf und raubte ihre Sicht, dann stopfte er so viel er konnte davon in ihren Mund, bevor er sie knebelte. Er warf sie mit dem Gesicht nach unten zu Boden und band Handgelenke und Knöchel fest zusammen. So mühelos, als wäre sie ein Kind gewesen! Sie wand sich noch immer, aber es war vergebene Mühe.

»Er wollte eine Gai'schain, die keine Aiel ist, Gaul, aber eine Gai'schain in Seide und Schmuck, die ausreitet?«, sagte ein Mann, und Galina erstarrte. Das war kein Aielmann. Dieser Akzent kam aus Murandy! »Das entspricht doch sicher keinem eurer Bräuche, oder?«

»Shaido!« Das Wort wurde wie ein Fluch ausgespuckt.

»Nun, wir müssen noch ein paar andere finden, wenn er etwas Nützliches erfahren soll. Vielleicht mehr als nur ein paar. Da unten gibt es Tausende von Leuten in Weiß, und sie könnte überall dort sein.«

»Ich glaube, die hier könnte Perrin Aybara sagen, was er wissen muss, Fager Neald.«

Hatte sie zuvor ihre Gegenwehr eingestellt, erstarrte sie jetzt förmlich. In ihrem Bauch und ihrem Herzen schien sich ein Eisklumpen gebildet zu haben. Perrin Aybara hatte diese Männer geschickt? Wenn er die Shaido angriff, um zu versuchen, seine Frau zu retten, würde er getötet werden und ihre Macht über Faile zerstören. Sollte ihr Mann sterben, würde es der Frau egal sein, was man über sie enthüllte, und die anderen hatten keine Geheimnisse, deren Aufdeckung sie fürchteten. Entsetzt sah Galina ihre Hoffnungen, den Eidstab zu bekommen, dahinschwinden. Sie musste ihn aufhalten. Aber wie?