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Kopf und Schultern über den Rand der Trümmer geschoben, senkte Rolan einen Arm. »Wir haben keine Zeit mehr, Faile Bashere. Nimm meine Hand.«

»Zuerst Maighdin«, sagte Faile mit belegter Stimme und wischte die zaghaften Proteste der blonden Frau fort. Beim Licht, ihr Mund war voller Mörtelstaub und zu trocken, um ihn auszuspucken. »Dann Arrela und Lacile. Ich gehe als Letzte.« Alliandre nickte beipflichtend, aber auch Arrela und Lacile wollten protestieren. »Seid still und tut, was ich euch sage«, rief sie energisch. Ununterbrochen donnerte es. Der Sturm, der so viel Donner produzierte, würde eine Überschwemmung bringen, nicht bloß einen Regenschauer.

Rolan lachte. Wie konnte er in so einem Augenblick lachen? Er hörte erst auf, als das verkohlte Holz unter ihm durch seine Bewegungen erneut ächzte. »Du trägst noch immer Weiß, Frau. Also sei still und tu, was ich dir sage.« Da lag ein Hauch von Spott in seiner Stimme, aber der war verschwunden, als er hinzufügte: »Hier wird keine vor dir rausgeholt.« Das klang wie ein Stück Eisen.

»Meine Lady«, sagte Alliandre leise und heiser. »Ich glaube, er meint es wirklich ernst. Ich schicke die anderen in der Reihenfolge raus, die Ihr festgelegt habt.«

»Hör auf zu schmollen und gibt mir deine Hand«, befahl Rolan.

Sie schmollte nicht! Dieser Mann konnte genauso unverschämt stur wie Perrin sein. Nur, bei Perrin war das interessant und nicht unbedingt unverschämt. Sie hob die rechte Hand, so weit sie konnte, ließ sie von Rolans Hand umschließen. Er hob sie mühelos nach oben, bis ihr Gesicht mit seinem fast auf einer Höhe war.

»Halte dich an meinem Mantel fest.« Trotz des ungünstigen Winkels seines Armes war seiner Stimme keinerlei Anstrengung anzuhören. »Du musst über mich klettern.«

Sie schwang die linke Hand nach oben und erwischte eine Faust voll rauer Wolle, hielt mit aller Kraft fest. Die Schmerzen in ihrer Schulter verrieten ihr, dass sie so schlimm geprellt war, wie sie befürchtet hatte. Als er ihre andere Hand losließ, ließ der stechende Schmerz sie aufstöhnen, und sie griff schnell mit den nun frei gewordenen Fingern nach seinem Mantel. Er packte ihre Taille mit beiden Händen und schob sie höher, sodass sie auf seinem breiten Rücken lag. Es donnerte ununterbrochen. Bald musste der Regen fallen. Das würde es noch schwerer machen, die anderen hier rauszuschaffen.

»Mir gefällt es, dein Gewicht auf mir zu spüren, Faile Bashere, aber vielleicht könntest du etwas schneller klettern, damit ich die anderen rausschaffen kann.« Er kniff sie in den Hintern, und sie lachte wider Willen. Dieser Mann konnte es einfach nicht lassen!

Über ihn hinwegzuklettern ging langsamer, als sie gehofft hatte. Sie glaubte zwar nicht, dass etwas in ihrer Schulter gebrochen war, aber es tat verflucht weh. Einmal glaubte sie, Rolan vor den Kopf getreten zu haben. Er kniff sie?

Schließlich war sie draußen und an Kinhuin vorbei, wied er auf den Füßen unter freiem Himmel. Ihr erster Blick auf das Haus von außen ließ sie schlucken und dann heftig husten, als sie Mörtel in den Hals bekam. Die verbrannten Balken standen auf alarmierende Weise schräg, bereit, in den Keller zu stürzen. Jhoradin, der dritte Bruderlose, ein blauäugiger Mann mit rotblondem Haar und einem Gesicht, das man fast hübsch hätte nennen können, behielt Kinhuin und Rolan im Blick, aber immer wieder schaute er das Gebäude an, als würde er erwarten, es einstürzen zu sehen. Für einen Aiel war er stämmig, nicht ganz so groß wie Perrin, dafür aber fast doppelt so breit. In der Straße mussten mindestens hundert ihrer Leute sein, die sie alle nervös anstarrten; bei einigen waren die weißen Gewänder rußverschmiert, weil sie sich bemüht hatten, sie auszugraben. Hundert! Aber sie konnte sich nicht dazu überwinden, sie zu tadeln. Vor allem nachdem Aravine ihr einen prallen Wasserschlauch in die Hände drückte. Der erste wieder ausgespuckte Schluck nahm Mörtel und Staub mit sich, obwohl sie ihn so gern trotzdem heruntergeschluckt hätte, aber danach hielt sie den Schlauch hoch und schüttete sich das Wasser beinahe die Kehle hinunter. Ihre angeschlagene Schulter protestierte. Sie ignorierte sie und trank weiter.

Plötzlich wurde sie sich der Blitze bewusst, die im Westen vor der Stadt einschlugen, und sie senkte den Wasserschlauch, um dorthin zu starren. Nahe außerhalb der Stadt. Aus einem wolkenlosen Himmel. Und manchmal schlugen sie gar nicht ein. Viele der silbrigen, verästelten Blitze explodierten donnernd weit über dem Boden. Feuerbälle schössen über den Himmel, platzten manchmal mitten im Flug mit einem Getöse wie Gewitterdonner. Jemand kämpfte eine Schlacht mit der Macht! Aber wer? Konnte Perrin genügend Aes Sedai oder Asha'man aufgetrieben haben, um das Lager anzugreifen? Aber etwas war sehr seltsam. Sie wusste, wie viele der Weisen Frauen im Lager die Macht lenken konnten, und es schienen bei weitem nicht genug Feuerbälle und Blitze zu sein. Vielleicht war es gar nicht Perrin. Unter den Weisen Frauen gab es Fraktionen. Nicht nur bei denen, die für oder gegen Sevanna waren, sondern auch zwischen Septimen mit alten Bündnissen oder Animositäten. Vielleicht bekämpften sich ja zwei solche Fraktionen. Das erschien zwar sehr unwahrscheinlich, aber die Vorstellung, dass Perrin genug Aes Sedai für einen Angriff gefunden hatte und die Weisen Frauen nicht mit allem zurückschlugen, was sie hatten, war nicht minder albern.

»Als die Blitze anfingen, sagte Rolan, es würde eine Schlacht geben«, erwiderte Aravine, als Faile sie fragte.

»Das ist alles. Keiner wollte hingehen und mehr herausfinden, bevor wir wussten, dass Ihr in Sicherheit seid.«

Faile knirschte frustriert mit den Zähnen. Selbst wenn sie sich nicht mit Rolan hätte auseinandersetzen müssen, was sich auch immer da vor den Stadtmauern abspielte, machte jede Flucht noch schwieriger. Wenn sie nur gewusst hätte, worum es da ging, wäre ihr eine Möglichkeit eingefallen, wie sie die Schlacht hätte meiden können. Oder sie benutzen.

»Niemand geht irgendwohin, Aravine. Es könnte gefährlich sein.« Und sie könnten bei ihrer Rückkehr unabsichtlich Shaido mitbringen. Beim Licht, was ging dort bloß vor?

Maighdin stolperte an Kinhuin vorbei und rieb sich das Hinterteil. »Er hat mich gekniffen!« Ihre Stimme war belegt, aber ihr war deutlich ihre Empörung anzuhören. Faile verspürte einen Stich der… Nein, keine Eifersucht. Bestimmt nicht. Der verdammte Kerl konnte kneifen, wen er wollte. Er war nicht Perrin.

Mit einer Grimasse gab sie der blonden Frau den Wassers chlauch, und Maighdin spülte sich schnell den Mund aus, bevor sie durstig mit großen Schlucken trank. Im Augenblick war sie nicht so blond, ihre Locken waren schweißverklebt und genau wie ihr erhitztes Gesicht voller Staub. Im Augenblick war sie nicht einmal hübsch.

Arrela kam aus der Ruine, rieb sich den Hintern und schaute so grimmig wie der Tod aus, aber sie griff dankbar nach dem Wasserschlauch, den Aldin ihr hinhielt. Der hochgewachsene junge Amadicianer, ein Bursche mit breiten Schultern, der eher wie ein Soldat aussah denn wie der Buchhalter, der er war, schaute sie hingerissen an, während sie trank. Arrela mochte Männer nicht auf diese Weise, aber Aldin weigerte sich einzusehen, dass es sinnlos war, sie zu einer Heirat zu überreden. Lacile erschien — sie rieb sich den Hintern! — und Jhoradin gab ihr einen anderen Wasserschlauch, streichelte mit dem Finger über ihre schmutzige Wange. Sie lächelte zu ihm hoch, bevor sie trank. Sie bereitete schon ihren Weg zurück unter seine Decke vor, falls Rolan sich als uneinsichtig erweisen würde. Zumindest glaubte Faile, dass sie das tat.