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Die Tore riefen ihn. Er schaute über die Schulter. So nahe jetzt. Noch immer geduckt lief er nun diese gewundenen Straßen entlang, immer auf der Hut vor diesen beiden Shaido oder anderen, die möglicherweise auf ihn warteten. Der Schlachtenlärm lag jetzt voraus, kam aus Norden und Süden, aber das bedeutete nicht, dass es keine Nachzügler gab.

Er bog nur wenige Schritte vor den weit geöffnet stehenden Toren um eine Ecke und fand es voller Menschen. Die meisten trugen schmutzige weiße Gewänder, aber drei von ihnen waren verschleierte Algai'd'siswai, einer davon ein Hüne, der Lamgwin hätte klein aussehen lassen. Er hatte Failes Arm in der Faust. Sie sah aus, als hätte sie sich im Dreck rumgewälzt.

Mit einem Aufschrei stürzte Perrin vorwärts und riss den Hammer hoch, und der Hüne stieß Faile zurück und rannte auf ihn zu, hob den Speer, während er den Rundschild von seinem Gürtel nahm.

»Perrin!«, schrie Faile.

Der große Shaido schien einen Augenblick lang zu zögern, und Perrin nutzte den Vorteil. Sein Hammer traf den Mann so hart am Kopf, dass seine Füße den Kontakt mit dem Boden verloren, als er fiel. Ein anderer Mann war direkt hinter ihm, den Speer bereit zum Zustoßen. Plötzlich grunzte der Aiel, in den grünen Augen über dem Schleier stand Überraschung geschrieben, und er sackte auf die Knie und schaute Faile, die nahe bei ihm stand, über die Schulter an. Langsam fiel er nach vorn und enthüllte einen stählernen Dolchgriff, der aus seinem Rücken ragte. Perrin sah sich hastig nach dem dritten um, aber der lag auch auf dem Gesicht; aus seinem Rücken ragten zwei hölzerne Dolchgriffe. Lacile stützte sich auf Arrela und weinte. Jemanden zu töten war für sie zweifellos nicht so einfach, wie sie sich vorgestellt hatte.

Auch Alliandre stand vor der Menge, und Maighdin befand sich direkt hinter ihr, ein junger Mann in Weiß trug sie, aber Perrin hatte nur Augen für Faile. Er ließ Hammer und Messer fallen, stieg über die Toten hinweg und riss sie in seine Arme. Ihr Duft stieg in seine Nase. Er füllte seinen Kopf. Sie roch ausgerechnet stark nach verbranntem Holz, aber er konnte sie trotzdem riechen.

»Ich habe so lange von diesem Augenblick geträumt«, hauchte er.

»Ich auch«, sagte sie, das Gesicht gegen seine Brust gedrückt, die Arme fest um ihn geschlungen. Ihr Geruch war voller Freude, aber sie zitterte auch.

»Haben sie dir wehgetan?«, fragte er sanft.

»Nein. Sie… Nein, Perrin, sie haben mir nichts getan.« Aber in ihre Freude drängten sich andere Gerüche, die untrennbar damit verbunden waren. Der dumpfe, quälende Geruch von Trauer und das schmierige Aroma von Schuld. Scham, so stechend wie tausend feine Nadeln. Nun, der Mann war tot, und eine Frau hatte das Recht, ihre Geheimnisse für sich zu behalten, wenn sie das wollte.

»Nur dass du lebst ist wichtig, und dass wir wieder zusammen sind«, sagte er zu ihr. »Das ist alles, was zählt auf dieser Welt.«

»Alles, was zählt auf dieser Welt«, stimmte sie ihm zu und umarmte ihn noch fester. Fest genug, dass die Anstrengung sie tatsächlich stöhnen ließ. Aber im nächsten Augenblick hatte sie sich von ihm gelöst und untersuchte seine Wunden, weitete mit den Fingern die Schlitze in seinem Mantel, um sie zu betrachten. »Das sieht nicht so schlimm aus«, sagte sie lebhaft, obwohl sich alle diese Gefühle noch immer in ihre Freude mischten. Sie griff nach oben, um sein Haar zu teilen, und zog, bis er nachgab und das Haupt beugte, damit sie den Riss in seiner Kopfhaut begutachten konnte. »Natürlich musst du Geheilt werden. Wie viele Aes Sedai hast du mitgebracht? Wie bist du… ? Nein, das spielt jetzt keine Rolle. Es sind genug da, um die Shaido zu besiegen, und darauf kommt es an.«

»Diese Shaido«, sagte er und richtete sich wieder auf, um sie zu betrachten. Beim Licht, schmutzig oder nicht, sie war so wunderschön. »Es werden weitere sechs oder siebentausend in…« — er schaute zur Sonne hoch; eigentlich hätte sie schon höher am Himmel stehen müssen —, »… vermutlich weniger als zwei Stunden hier sein. Wir müssen hier vorher zu einem Ende kommen und auf dem Weg sein, wenn das möglich ist. Was hat Maighdin?« Sie lehnte so schlaff wie ein Federkissen an der Brust des jungen Mannes. Ihre Lider flatterten, ohne sich zu öffnen.

»Sie ist erschöpft, weil sie uns das Leben gerettet hat«, sagte Faile, riss die Aufmerksamkeit von seinen Verletzungen los und drehte sich zu den anderen Leuten in Weiß um.

»Aravine, ihr alle, holt die Gai'schain zusammen. Nicht nur die, die mir die Treue geschworen haben. Jeden in Weiß. Wir lassen keinen zurück, den wir nicht müssen. Perrin, welche Richtung ist die sicherste?«

»Norden«, sagte er. »Der Norden ist sicher.«

»Fangt an, sie nach Norden zu schicken«, fuhr Faile fort.

»Holt Karren, Wagen, Lastpferde und beladet sie mit allem, was ihr für nützlich haltet. Beeilt euch!« Leute setzten sich in Bewegung. Rannten los. »Nein, Ihr bleibt hier, Aldin. Maighdin muss getragen werden. Ihr bleibt auch, Alliandre. Und Arrela. Lacile braucht im Augenblick eine Schulter, an der sie sich ausweinen kann.«

Perrin grinste. Stellte man seine Frau in die Mitte eines brennenden Hauses, würde sie in aller Ruhe damit anfangen, die Flammen zu löschen. Und sie würde sie löschen. Er bückte sich und wischte das Gürtelmesser am Mantel des grünäugigen Mannes sauber, bevor er es wegsteckte. Sein Hammer musste auch ordentlich sauber gemacht werden. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, was er da am Mantel des Mannes abwischte. Das Feuer wich aus seinem Blut. Es blieb keine Aufregung zurück, sondern nur Müdigkeit. Seine Wunden finden an zu pochen. »Schickst du bitte jemanden in die Festung, um Ban und Seonid wissen zu lassen, dass sie jetzt rauskommen können?« Er schob den Hammergriff durch die Schlaufe an seinem Gürtel.

Faile starrte ihn erstaunt an. »Sie sind in der Festung!

Wie? Warum?«

»Alyse hat dir nicht Bescheid gesagt?« Vor Failes Entführung war er nur schwer in Wut zu bringen gewesen. Jetzt spürte er, wie der Zorn in ihm emporsprudelte. In Blasen wie aus weißglühendem Eisen. »Sie hat gesagt, sie würde dich mitnehmen, wenn sie geht, aber sie hat versprochen, dir zu sagen, dass du in die Festung gehen solltest, wenn du den Nebel auf den Hügelkämmen siehst und am Tag die Wölfe heulen hörst. Ich schwöre, sie hat es ohne Umschweife versprochen. Soll man mich doch zu Asche verbrennen, man kann keiner Aes Sedai über den Weg trauen.«

Faile schaute zum Westhügel, wo noch immer die dichten Nebelschwaden wogten, und verzog den Mund. »Nicht Alyse, Perrin. Galina. Wenn auch das keine Lüge war. Es kann nur sie sein. Und sie muss eine Schwarze Ajah sein. Oh, wie schön wäre es doch, wenn ich ihren richtigen Namen kennen würde.« Sie bewegte den linken Arm und zuckte zusammen. Sie war verletzt. Perrin verspürte das dringende Verlangen, den großen Shaido noch einmal zu töten. Faile ließ sich aber nicht durch ihre Verletzung stören. »Theril, komm da weg. Ich sehe dich.«

Ein dürrer junger Mann schob sich schüchtern um die Torecke. »Mein Vater hat mir befohlen, hier zu bleiben und auf Euch aufzupassen, meine Lady«, sagte er in einem so starken Akzent, dass Perrin ihn kaum verstehen konnte.

»Das mag ja sein«, sagte Faile energisch, »aber du läufst jetzt so schnell du kannst zur Festung und richtest wem auch immer du dort finden solltest aus, dass Lord Perrin ihnen sagt, sie sollen jetzt kommen. Beeil dich.« Der Junge legte den Knöchel an die Stirn und rannte los.

Etwa eine Viertelstunde später kam er zurückgerannt, gefolgt von Seonid und Ban und all den anderen. Ban machte einen Kratzfuß vor Faile und murmelte galant, wie froh er war, sie zu sehen, bevor er den Männern von den Zwei Flüssen befahl, einen Schutzkreis um das Tor zu bilden, die Bogen bereit und die Hellebarden in den Boden gerammt. Dafür benutzte er seinen normalen Tonfall. Er gehörte auch zu denen, die den letzten Schliff erstrebten. Selande und Failes andere Anhänger eilten auf sie zu und plapperten aufgeregt; sie sagten, wie beunruhigt sie doch gewesen waren, als sie nach dem Wolfsgeheul nicht aufgetaucht war.