»Nachdem meine Leute und ich weg sind«, sagte Perrin. Er hatte seine Vereinbarung mit ihr getroffen. Er wollte es nicht riskieren, sie bei jemand anderem auf die Probe zu stellen. »Wie hoch sind unsere Verluste, abgesehen von Masemas Männern?«
»Beim Licht«, erwiderte Tylee. »Wegen Eurer Bogens chützen und den Damane haben sie es nicht geschafft, an uns heranzukommen. Ich habe noch keinen Schlachtplan gesehen, der so glatt gelaufen ist. Es würde mich überraschen, wenn wir zusammen hundert Tote haben.«
Perrin zuckte zusammen. Unter diesen Umständen waren das leichte Verluste, aber einige davon würden von den Zwei Flüssen sein. Ob er sie nun persönlich kannte oder nicht, sie waren in seiner Verantwortung. »Wisst Ihr, wo Masema ist?«
»Bei den Resten seines Heeres. Er ist kein Feigling, das muss ich ihm lassen. Er und seine zweihundert, nun ja, jetzt noch etwa einhundert, haben sich einen Weg durch die Shaido bis zum Hügel gehauen.«
Perrin knirschte mit den Zähnen. Der Mann war wieder zurück bei seinem Abschaum. Sein Wort würde gegen Masemas stehen, wenn es darum ging, warum Aram versucht hatte, ihn zu töten, und es war sowieso unwahrscheinlich, dass die Anhänger des Mannes ihn für eine Gerichtsverhandlung ziehen lassen würden. »Wir müssen aufbrechen, bevor die anderen hier sind. Wenn die Shaido glauben, dass Rettung naht, könnten sie vergessen, dass sie sich ergeben haben. Wer ist Eure Gefangene?«
»Sevanna«, sagte Faile kalt. Der Geruch ihres Hasses war beinahe so stark wie bei dem Gespräch über Galina.
Die Frau mit dem goldenen Haar stemmte sich hoch, schüttelte ein paar Strähnen aus dem Gesicht und verlor dabei noch ein paar Ketten. Ihre Augen, die Faile anstarrten, waren wie ein grünes Feuer über dem Stoffstreifen, der den Knebel an Ort und Stelle hielt. Sie stank nach Zorn.
»Sevanna von den Jumai Shaido.« In Tylees Stimme lag starke Zufriedenheit. »Sie hat es mir voller Stolz gesagt. Auch sie ist kein Feigling. Nur in einem seidenen Morgenmantel und ihren Juwelen ist sie uns entgegengetreten, aber es ist ihr gelungen, zwei meiner Altaraner mit dem Speer zu durchbohren, bevor ich ihn ihr abnehmen konnte.« Sevanna knurrte etwas durch den Knebel und wand sich, als wollte sie sich von dem Pferd werfen. Jedenfalls bis Tylee ihr auf den Hintern schlug. Danach beschränkte sie sich darauf, jeden in Sichtweite böse anzustarren. Sie hatte hübsche Rundungen, obwohl ihm so etwas nicht hätte auffallen dürfen, wo doch seine Frau neben ihm stand. Aber Elyas sagte, sie würde von ihm erwarten, dass es ihm auffiel, also überwand er sich und musterte sie offen.
»Ich beanspruche den Inhalt ihres Zelts«, verkündete Faile und warf ihm einen scharfen Blick zu. Vielleicht war das doch zu offen gewesen. »Sie hat dort eine große Truhe mit Juwelen, und ich will sie haben. Sieh mich nicht so an, Perrin. Wir müssen hunderttausend Leute ernähren, kleiden und ihnen helfen, wieder nach Hause zu kommen. Mindestens hunderttausend.«
»Ich möchte Euch begleiten, meine Lady, wenn es Euch recht ist«, sagte der junge Bursche, der Maighdin getragen hatte. »Ich werde nicht der Einzige sein, wenn Ihr gestattet.«
»Eure Frau, nehme ich an, mein Lord«, sagte Tylee und musterte Faile.
»Das ist sie. Faile, darf ich dir Bannergeneralin Tylee Khirgan vorstellen, im Dienst der Kaiserin von Seanchan.« Vielleicht bekam er selbst etwas von diesem letzten Schliff mit.
»Bannergeneralin, meine Frau, Lady Faile ni Bashere t'Aybar a.« Tylee verneigte sich im Sattel. Faile machte einen kleinen Knicks, senkte den Kopf ein Stück. Schmutziges Gesicht oder nicht, sie sah majestätisch aus. Was ihn an die Zerbrochene Krone denken ließ. Die Diskussion über diese nebensächliche Angelegenheit würde später erfolgen müssen. Zweifellos würde es eine ziemlich lange Diskussion werden. Er glaubte nicht, dass es ihm diesmal schwerfallen würde, die Stimme zu heben, so wie sie es anscheinend wollte. »Und das ist Alliandre Maritha Kigarin, Königin von Ghealdan, Gesegnete des Lichts, Verteidigerin von Garens Wall. Und meine Lehnsfrau. Ghealdan steht unter meinem Schutz.« Es war albern, das zu sagen, aber es musste gesagt werden.
»In unserer Übereinkunft war davon keine Rede, mein Lord«, sagte Tylee vorsichtig. »Ich entscheide nicht, wo das Immer Siegreiche Heer hingeht.«
»Nur damit Ihr Bescheid wisst, Bannergeneralin. Und sagt Euren Vorgesetzten, dass sie Ghealdan nicht haben können.« Alliandre lächelte ihn so breit, so dankbar an, dass er beinahe gelacht hätte. Beim Licht, auch Faile lächelte. Ein stolzes Lächeln. Er rieb sich die Nase. »Wir müssen wirklich los, bevor diese anderen Shaido eintreffen. Ich will sie nicht vor mir haben und alle diese Gefangenen hinter mir, die daran denken, den Speer wieder aufzunehmen.«
Tylee kicherte. »Ich habe etwas mehr Erfahrung mit diesen Leuten als Ihr, mein Lord. Sobald sie sich ergeben, kämpfen sie nicht wieder und versuchen drei Tage lang nicht zu entkommen. Außerdem lasse ich einige meiner Altaraner aus ihren Speeren und Bögen einen Scheiterhaufen machen, nur um sicherzugehen. Wir haben Zeit, unseren Aufmarsch in Gang zu setzen. Mein Lord, ich hoffe, ich muss Euch niemals auf dem Schlachtfeld gegenübertreten.« Tylee zog den Panzerhandschuh von der Hand. »Ich würde mich geehrt fühlen, wenn Ihr mich Tylee nennen würdet.« Sie beugte sich über Sevanna, um die Hand auszustrecken.
Einen Augenblick lang konnte Perrin sie nur anstarren. Es war eine seltsame Welt. Er war mit dem Gedanken zu ihr gegangen, einen Handel mit dem Dunklen König abzuschließen, und das Licht wusste, einige der Dinge, die die Seanchaner taten, waren unentschuldbar, aber die Frau war eine unerschütterliche Kämpferin und stand zu ihrem Wort.
»Ich bin Perrin, Tylee«, sagte er und ergriff die Hand. Eine sehr seltsame Welt.
Galina zog das Unterhemd aus, warf es auf das Seidengewand und bückte sich, um das Reitkleid aufzuheben, das sie aus Schnells Satteltasche gezogen hatte. Es war für eine etwas größere Frau genäht worden, aber es würde reichen müssen, bis sie einen der Feuertropfen verkaufen konnte.
»Bleib so stehen, Lina«, ertönte Theravas Stimme, und plötzlich hätte sich Galina nicht einmal dann aufrichten können, wenn der Wald um sie in Flammen gestanden hätte. Aber sie konnte schreien. »Sei still.« Sie würgte, als sich ihre Kehle verkrampfte und den Schrei verschluckte. Aber sie konnte noch immer stumm weinen, und Tränen fielen auf den weichen Waldboden. Eine Hand schlug sie auf unanständige Weise. »Irgendwie hast du den Stab bekommen«, sagte Therava. »Sonst wärst du nicht hier. Gib ihn mir, Lina.«
Sich zu weigern stand außer Frage. Galina richtete sich auf, zog den Stab aus der Satteltasche und gab ihn der Frau mit den Falkenaugen, während ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen.
»Hör auf zu heulen, Lina. Und leg deinen Gürtel und dein en Kragen an. Ich werde dich bestrafen müssen, weil du sie abgelegt hast.«
Galina zuckte zusammen. Nicht einmal Theravas Befehl konnte ihre Tränen versiegen lassen, und sie wusste, dass sie auch dafür bestraft werden würde. Der goldene Gürtel und der Kragen kamen aus der Satteltasche und wurden angelegt. Sie stand nur mit ihren weißen Wollstrümpfen und den weißen Stiefeln bekleidet da, und das Gewicht des mit Feuertropfen besetzten Kragens schien zu reichen, um sie zu Boden zu drücken. Ihre Blicke klammerten sich förmlich an dem weißen Stab in Theravas Händen fest.
»Dein Pferd wird als Lasttier herhalten, Lina. Was dich angeht, dir ist verboten, jemals wieder zu reiten.«
Es musste eine Möglichkeit geben, diesen Stab wieder in die Hände zu bekommen. Das musste es! Therava drehte das Ding in den Händen, verspottete sie.
»Hört auf, mit Eurem Schoßtier zu spielen, Therava. Was sollen wir tun?« Belinde, eine schlanke Weise Frau mit von der Sonne fast ausgebleichten Haaren, kam heranstolziert und starrte Therava finster an. Sie war knochig, mit einem Gesicht, das gut böse schauen konnte.