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Eine Rote. Gelegentlich gab es Berichte, dass Rote in der Stadt waren, wenn auch nicht mehr so oft wie früher — die meisten Aes Sedai in der Stadt verzichteten auf ihre Stolen und verbargen ihre Ajah —, doch was konnte eine Rote von ihr wollen? Sicherlich wussten mittlerweile alle von ihnen, dass sie an Egwenes Seite stand und damit gegen Elaida war. Es sei denn, es versuchte endlich jemand, sie wegen des Handels mit dem Meervolk zur Rechenschaft zu ziehen.

»Sagt ihr, dass ich…«

Die Tür öffnete sich wieder, prallte gegen Denis Rücken und schubste sie aus dem Weg. Die Frau, die eintrat und die im Rebenmuster bestickte Stola so über die Arme drapiert hatte, dass die langen roten Fransen eindeutig zur Geltung kamen, war groß, schlank und hatte eine Haut wie Kupfer. Eigentlich hätte sie ganz hübsch sein können, aber ihr Mund war so verkniffen, dass ihre vollen Lippen schmal erschienen. Ihr Reitgewand war so dunkel, dass es schwarz erschien, aber das matte Licht der Kandelaber brachte einen roten Glanz zum Vorschein, und die abgenähten Röcke waren mit einem helleren Rot geschlitzt. Duhara Basaheen machte niemals ein Geheimnis aus ihrer Ajah. Einst wären Sumeko und Alise wie der Blitz aufgesprungen, um vor einer Aes Sedai einen Knicks zu machen, aber jetzt blieben sie sitzen und musterten sie. Deni, die sonst immer gelassen erschien, runzelte die Stirn und fummelte an ihrer Keule herum.

»Wie ich sehe, stimmen die Geschichten, dass Ihr die Wilden um Euch versammelt«, sagte Duhara. »Eine echte Schande. Ihr beiden da, raus hier. Ich will allein mit Elayne sprechen. Wenn ihr schlau seid, reist ihr heute Nacht noch ab, in getrennte Richtungen, und sagt den anderen eures Schlages, das Gleiche zu tun. Die Weiße Burg nimmt es übel, wenn sich Wilde zusammenrotten. Wenn die Weiße Burg etwas übel nimmt, sind schon Throne erbebt.« Weder Sumeko noch Alise rührten sich. Alise hob sogar eine Braue.

»Sie können bleiben«, sagte Elayne kühl. Dank der Macht in ihr waren ihre Gefühle nicht außer Kontrolle. Sie waren ganz ruhig und bestanden aus eiskaltem Zorn. »Sie sind hier willkommen. Ihr dagegen… Elaida wollte mich entführen lassen, Duhara. Entführen! Ihr könnt gehen.«

»Ein armseliger Empfang, Elayne, wo ich doch sofort nach meiner Ankunft zum Palast gekommen bin. Und das nach einer Reise, deren Beschreibung so quälend wäre, wie sie zu ertragen war. Andor hat immer gute Beziehungen zur Burg gehabt. Die Burg will dafür sorgen, dass sie gut bleiben. Seid Ihr sicher, dass diese Wilden alles hören sollen, was ich Euch zu sagen habe? Nun gut. Wenn Ihr darauf besteht.« Sie rauschte zu einer der mit Schnitzereien verzierten Kommoden, rümpfte die Nase über die Silberkanne mit Ziegenmilch und schenkte sich einen Becher dunklen Wein ein, bevor sie sich auf einen Elayne gegenüberstehenden Stuhl setzte. Deni machte eine Bewegung, als wollte sie versuchen, sie rauszuschleifen, aber Elayne schüttelte den Kopf. Die Domani-Schwester ignorierte die Kusinen, als hätten sie zu existieren aufgehört. »Die Frau, die Euch betäubt hat, ist bestraft worden, Elayne. Sie wurde vor ihrem eigenen Geschäft ausgepeitscht, und jeder Bewohner ihres Dorfes war Zeuge.« Duhara trank ihren Wein und wartete darauf, dass Elayne etwas erwiderte.

Sie sagte nichts. Sie wusste ganz genau, dass Ronde Macura wegen ihres Versagens ausgepeitscht worden war und nicht, weil sie ihr diesen widerwärtigen Tee gegeben hatte, aber dieses Eingeständnis hätte Duhara nur auf die Frage gebracht, woher sie das wusste, und das führte möglicherweise zu Dingen, die im Verborgenen bleiben mussten.

Das Schweigen zog sich hin, und schließlich fuhr die andere Frau fort. »Ihr müsst wissen, die Weiße Burg möchte sehr gern, dass Ihr den Löwenthron besteigt. Um das zu gewährleisten, hat mich Elaida als Eure Beraterin hergeschickt.«

Elayne konnte nicht anders, sie musste lachen. Elaida hatte ihr eine Beraterin geschickt? Es war so lächerlich! »Ich habe Aes Sedai, die mich beraten, wenn ich Rat brauche, Duhara. Ihr müsst doch wissen, dass ich gegen Elaida bin. Ich würde von dieser Frau nicht einmal ein Paar Strümpfe annehmen.«

»Eure sogenannten Beraterinnen sind Rebellen, Kind«, sagte Duhara scheltend und betonte das Wort »Rebellen« mit schwerem Missfallen. Sie gestikulierte mit dem silbernen Weinbecher. »Warum, glaubt Ihr wohl, stehen so viele Häuser gegen Euch, und warum sind so viele schwankend? Sie wissen sicherlich, dass Euch in Wirklichkeit die Unterstützung der Burg fehlt. Mit mir als Eurer Beraterin wird sich das ändern. Ich könnte Euch die Krone innerhalb einer Woche aufsetzen. Schlimmstenfalls sollte es nicht länger als einen oder zwei Monate dauern.«

Elayne begegnete dem Blick ihres Gegenübers ganz ruhig.

Ihre Hände wollten sich zu Fäusten ballen, aber sie hielt sie ganz still auf ihrem Schoß. »Selbst wenn dem so wäre, würde ich Euch ablehnen. Ich rechne jeden Tag mit der Nachricht, dass man Elaida abgesetzt hat. Die Weiße Burg wird wieder vereint sein, und dann wird niemand mehr behaupten können, dass mir ihre Unterstützung fehlt.«

Duhara musterte einen Augenblick lang ihren Wein, ihr Gesicht eine Maske der Aes-Sedai-Gelassenheit. »Das wird für Euch etwas unerfreulich werden«, sagte sie, als hätte Elayne nichts gesagt. »Das ist der Teil, von dem ich annahm, Ihr wolltet nicht, dass ihn die Wilden hören. Und diese Wache. Glaubt sie, ich würde Euch angreifen? Egal. Sobald die Krone fest auf Eurem Kopf sitzt, werdet Ihr einen Regenten einsetzen müssen, weil Ihr dann nämlich in die Burg zurückkehren müsst, um Eure Ausbildung zu vollenden und schließlich die Prüfung für die Stola abzulegen. Ihr müsst keine Angst haben, wegen Eures Weglaufens geprügelt zu werden. Elaida akzeptiert, dass Siuan Sanche Euch befohlen hat, die Burg zu verlassen. Sich fälschlicherweise als Aes Sedai auszugeben ist eine andere Sache. Dafür werdet Ihr mit Tränen zahlen.« Sumeko und Alise rührten sich, und Duhara beachtete sie wieder. »Ah, habt Ihr nicht gewusst, dass Elayne in Wirklichkeit nur eine Aufgenommene ist?«

Elayne stand auf und starrte auf Duhara herunter. Für gewöhnlich war einer, der saß, einem Stehenden gegenüber im Vorteil, aber sie machte ihren Blick hart und ihre Stimme noch härter. Am liebsten hätte sie die Frau geohrfeigt! »Ich wurde von Egwene al'Vere zur Aes Sedai erhoben an dem Tag, an dem sie zur Amyrlin erhoben wurde. Ich habe die Grüne Ajah gewählt und wurde aufgenommen. Behauptet nie wieder, ich wäre keine Aes Sedai, Duhara. Soll man mich zu Asche verbrennen, wenn ich das ungestraft dulde!«

Duharas Mund wurde so verkniffen, dass ihre Lippen wie Schlitze erschienen. »Denkt nach, und Ihr werdet die Realität Eurer Situation erkennen«, sagte sie schließlich. »Denkt gründlich nach, Elayne. Eine Blinde könnte sehen, wie sehr Ihr mich braucht, und den Segen der Weißen Burg. Wir sprechen später noch einmal. Lasst mich zu meinen Gemächern bringen. Ich bin mehr als bereit für mein Bett.«

»Ihr werdet Euch ein Zimmer in einem Gasthaus suchen müssen, Duhara. Jedes Bett im Palast wird bereits von drei oder vier Personen benutzt.« Und wenn Dutzende von Betten frei gewesen wären, hätte sie Duhara keines angeboten. Sie drehte sich um, ging zum Kamin und wärmte sich die Hände. Die vergoldete Pendeluhr auf dem Marmorsims schlug drei Mal. Vielleicht noch einmal so viele Stunden bis Sonnenaufgang. »Deni, lasst Duhara von jemandem zum Tor geleiten.«

»So einfach werdet Ihr mich nicht los, Kind. Niemand wird die Weiße Burg einfach los. Denkt nach, und Ihr werdet einsehen, dass ich Eure einzige Hoffnung bin.« Seide raschelte auf Seide, als sie das Zimmer verließ, und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Es war durchaus nicht unwahrscheinlich, dass Duhara Ärger machen würde, nur um dann gebraucht zu werden, aber ein Problem nach dem anderen.

»Hat sie Zweifel in euch geweckt?«, sagte Elayne und wandte sich vom Feuer ab.

»Nein«, erwiderte Sumeko. »Vandene und die anderen beiden akzeptieren Euch als Aes Sedai, also müsst Ihr eine sein.« Ihre Stimme verriet feste Überzeugung, andererseits hatte sie genügend Gründe, es glauben zu wollen. Wenn Elayne eine Lügnerin war, waren ihre Träume gestorben, zur Burg zurückzukehren oder sich der Gelben Ajah anzuschließen.