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»Und wie kommt Ihr auf den Gedanken, Gaul?«

»Sie ist Aes Sedai. Und anscheinend eine Freundin Sevannas.«

»Ist sie das?«, sagte der Murandianer nachdenklich. »Tatsächlich?«

Seltsamerweise schien es keinem der Männer auch nur das geringste Unbehagen zu bereiten, Hand an eine Aes Sedai zu legen. Und der Aielmann hatte es anscheinend getan, obwohl er genau wusste, was sie darstellte. Selbst wenn er ein abtrünniger Shaido war, konnte er nicht wissen, dass sie ohne Erlaubnis nicht die Macht lenken konnte. Das wussten nur Sevanna und eine Hand voll Weise Frauen. Das alles wurde mit jedem verstreichenden Augenblick verwirrender.

Plötzlich wurde sie hochgehoben und auf den Bauch gelegt. Über den eigenen Sattel, wie ihr klar wurde, und im nächsten Augenblick wurde sie auf hartem Leder gewiegt; einer der Männer verhinderte mit einer Hand, dass sie herunterfiel, als ihre Stute sich in Bewegung setzte.

»Lasst uns an eine Stelle gehen, an der Ihr eines Eurer Löcher machen könnt, Fager Neald.«

»Direkt auf der anderen Seite des Hügels, Gaul. Ich bin hier so oft gewesen, ich kann fast überall ein Wegetor machen. Lauft ihr Aiel überall hin?«

Ein Wegetor? Was plapperte der Mann da? Sie verwarf seinen Unsinn, sann über ihre Möglichkeiten nach und befand keine davon für gut. Zusammengeschnürt wie ein Lamm auf dem Weg zum Markt und geknebelt, sodass man sie keine zehn Schritte weit entfernt hören würde, selbst wenn sie sich die Lungen aus dem Leib schrie, waren ihre Chancen zu entkommen nicht existent, falls nicht ein paar Shaido-Wachtposten ihre Entführer abfingen. Aber wollte sie das überhaupt? Solange sie Aybara nicht erreichte, konnte sie ihn auch nicht davon abhalten, alles zu ruinieren. Andererseits, wie viele Tagesmärsche entfernt befand sich sein Lager? Er konnte nicht in der Nähe sein, andernfalls hätten ihn die Shaido mittlerweile gefunden. Sie wusste, dass Späher in einem Umkreis von zehn Meilen ausgeschwärmt waren. So viele Tage man brauchen würde, ihn zu erreichen, so viele würde auch die Rückreise in Anspruch nehmen. Nicht nur Minuten zu spät, sondern gleich Tage.

Therava würde sie deshalb nicht töten. Sie nur wünschen lassen, sie wäre tot. Sie konnte es erklären. Eine Geschichte, wie sie von Räubern gefangen worden war. Nein, nur von zweien; es war schwer genug zu glauben, dass zwei Männer so nahe an das Lager herangekommen waren, geschweige denn eine Bande. Unfähig, die Macht zu lenken, hatte sie Zeit zur Flucht gebraucht. Sie konnte die Geschichte überzeugend darlegen. Sie würde Therava vielleicht erweichen. Wenn sie sagte, dass…

Es war sinnlos. Als Therava sie das erste Mal wegen Unpünktlichkeit bestraft hatte, war ihr Sattelgurt gerissen, und sie hatte das Pferd zu Fuß zurückführen müssen. Die Weise Frau hatte dies nicht als Entschuldigung akzeptiert, und sie würde auch eine Entführung nicht akzeptieren. Galina hätte heulen können. Tatsächlich wurde ihr bewusst, dass sie weinte, Tränen der Hoffnungslosigkeit, die sie nicht aufhalten konnte.

Das Pferd blieb stehen, und sie bäumte sich einfach auf, versuchte sich aus dem Sattel zu stürzen, schrie so laut es der Knebel gestattete. Sie mussten versuchen, den Wachtposten aus dem Weg zu gehen. Sicherlich würde Therava es verstehen, wenn die Wachtposten mit ihr und ihren Entführern zurückkamen, selbst wenn sie sich verspätete. Sicherlich würde sie eine Möglichkeit finden, Faile zu zwingen, selbst wenn ihr Ehemann tot war.

Eine harte Hand traf sie grob. »Sei still«, sagte der Aielmann, und sie wurde weitergeschaukelt.

Auch ihre Tränen flössen wieder, und die Seidenkapuze, die ihr Gesicht verhüllte, wurde feucht. Therava würde sie zum Schreien bringen. Aber noch während sie schluchzte, fing sie an, sich zurechtzulegen, was sie Aybara sagen würde.

Wenigstens konnte sie ihre Chancen retten, den Stab in die 4 Hände zu bekommen. Therava würde… Nein, Nein! Sie musste sich auf das konzentrieren, was sie tun konnte. Bilder der Weisen Frau mit den grausamen Augen, die einen Stock oder einen Riemen oder Fesseln hielt, schössen in ihr hoch, aber sie verdrängte sie jedes Mal, während sie jede Frage durchging, die Aybara möglicherweise stellen würde, und jede Antwort, die sie geben würde. Was sie ihm sagen würde, damit er ihr die Sicherheit seiner Frau anvertraute.

In keiner ihrer Überlegungen hatte sie damit gerechnet, kaum mehr als eine Stunde nach ihrer Gefangennahme vom Pferd gehoben und aufrecht hingestellt zu werden.

»Sattle ihr Pferd ab, Noren, und binde es bei den anderen an«, sagte der Murandianer.

»Sofort, Meister Neald«, kam die Erwiderung. Es war ein cairhienischer Akzent.

Die Fesseln um ihre Knöchel verschwanden, ein Messer glitt zwischen ihre Handgelenke und durchtrennte das Seil, dann wurde das gelöst, das ihren Knebel an Ort und Stelle hielt. Sie spuckte von ihrem Speichel durchtränkte Seide aus und riss die Kapuze zurück.

Ein kleiner Mann in einem dunklen Mantel führte Schnell durch eine sich unregelmäßig ausbreitende Ansammlung aus großen, geflickten braunen Zelten und kleinen primitiven Hütten, die aus Zweigen konstruiert zu sein schienen, einschließlich Kiefernzweigen mit braunen Nadeln. Wie lange dauerte es, bis sich Kiefern braun verfärbten? Tage sicherlich, vielleicht sogar Wochen. Die sechzig oder siebzig Männer, die sich um Herdfeuer bemühten oder auf Hockern saßen, sahen in ihren groben Mänteln wie Bauern aus, aber einige von ihnen schärften Schwerter, und an einem halben Dutzend Stellen standen Bündel aus Speeren und Hellebarden. Durch die Lücken zwischen den Zelten und Hütten konnte sie noch mehr Männer entdecken, einige von ihnen mit Helmen und Brustharnischen, die auf Pferden saßen und lange, mit Wimpeln versehene Lanzen hielten. Soldaten, die auf Patrouille ritten. Wie viele gab es noch außerhalb ihrer Sicht? Egal. Was sich da vor ihren Augen erstreckte, war unmöglich! Die Shaido hatten Wachtposten in einer Entfernung vom Lager aufgestellt, die weiter als das hier war. Davon war sie überzeugt!

»Würde das Gesicht nicht schon ausreichen«, murmelte Neald, »dann würde mich diese kühle, berechnende Musterung überzeugen. Als würde sie Würmer untersuchen, die sie unter einem umgedrehten Stein entdeckt hat.« Er war ein schlanker Bursche in einem schwarzen Mantel, und er fuhr sich amüsiert über den gewachsten Schnurrbart, wobei er sorgfältig darauf achtete, die Spitzen nicht durcheinander zu bringen. Er trug ein Schwert, aber er sah keineswegs wie ein Soldat oder ein Waffenmann aus. »Nun, dann komm mit, Aes Sedai«, sagte er und ergriff ihren Oberarm. »Lord Perrin wird dir ein paar Fragen stellen wollen.« Sie riss sich los, und er fasste ruhig fester zu. »Schluss mit dem Unsinn.«

Gaul, der große Aielmann, nahm den anderen Arm, und sie konnte mit ihnen gehen oder geschleift werden. Sie ging mit hoch erhobenem Kopf und tat so, als wären sie bloß eine Eskorte, aber jeder, der sah, wie sie ihre Arme hielten, würde die Wahrheit erkennen. Sie starrte stur geradeaus und war sich bewusst, dass die bewaffneten Bauernburschen — die meisten waren sehr jung — sie anschauten. Sie starrten sie nicht erstaunt an, sondern beobachteten sie nur nachdenklich. Wie konnten sie bei einer Aes Sedai nur so hochmütig sein? Einige der Weisen Frauen, die nicht über den Eid Bescheid wussten, der sie gefangen hielt, hatten ihre Zweifel zum Ausdruck gebracht, dass sie überhaupt eine Aes Sedai war, weil sie Therava so widerspruchslos gehorchte, aber diese beiden wussten, was sie war. Und es war ihnen einerlei. Sie vermutete, dass diese Bauern es ebenfalls wussten, aber keiner zeigte auch nur die geringste Überraschung über ihre Behandlung. Es verursachte ihr eine Gänsehaut.

Als sie sich dem großen, rot-weiß gestreiften Zelt näherten, dessen Eingangsbahnen zurückgebunden waren, hörte sie aus dem Inneren Stimmen ertönen.