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Als ich neben dem Wohnmobil vorfuhr, bellte auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes ein schwarzer Hund wild. Er war an der Stoßstange eines altmodischen Chevrolets festgebunden, die jedoch nicht vertrauenerweckend aussah, um das Tier davon abzuhalten, sich loszureißen und mir an die Kehle zu springen. Oben in den Bergen heulte der Wind.

Earl kam vor die Tür, als ich aus dem Wagen stieg. Er trug ausgebleichte Jeans und ein aufgeknöpftes Flanellhemd sowie braune Waldarbeiterstiefel, alles sah zwei Nummern zu groß für ihn aus. Er hob eine Hand zur Begrüßung, dann rief er etwas in die andere Richtung, das den Hund sofort zum Schweigen brachte, als hätte er ihn mit einer Birkenrute gepeitscht.

Ich schlug die Autotür zu, schulterte meinen Rucksack und watete durch den Schnee. Unter meinem Arm klemmten zwei Notizbücher; das dritte sah so aus, als hätte es sich in Luft aufgelöst.

Während der vergangenen zwei Tage hatte ich das ganze Haus auf den Kopf gestellt und fand es dennoch nicht. Ich beschuldigte Jodie, sie hätte das Buch vielleicht verlegt, doch sie schwor, es nicht gesehen zu haben. Ich kramte in allen Kartons in Elijahs Zimmer, wohin ich mich zwischenzeitlich zum Schreiben zurückzog. Deshalb mutmaßte ich, die Aufzeichnungen versehentlich zu den Sachen des Jungen gepackt zu haben. Als ich mich über eine der Kisten beugte, war mir, als höre ich Schritte. Dann hauchte mir jemand in den Nacken, und ich drehte mich in der Erwartung um, auf Elijah zu stoßen, der mit blau aufgeschwemmter Haut eine Armlänge vor mir im Halbdunkel stand, während sich auf dem Beton zu seinen Füßen schwarzes Wasser sammelte. Aber es stand niemand hinter mir; ich war allein.

Beim Näherkommen nickte mir Earl zu. »Der Schnee ist etwas geschmolzen. Wie war die Fahrt?«

»Die Innenstadt haben sie geräumt, aber hier in den Bergen ist es immer noch recht tückisch.«

Wir gaben uns die Hand. Gegenüber fing der große Hund erneut zu bellen an.

»Kommen Sie rein«, bat Earl, indem er mir die Tür aufhielt. »Kälter als die eisigen Titten einer Hexe hier draußen.«

Drinnen wurde ich mit getäfelten Wänden und neonfarbigem Teppich konfrontiert. Das Sofa sah aus wie ein Requisit aus Sanford and Son, geschmacklose Kunstdrucke zeigten Jagdhunde, Katzenschwanz und glupschäugige Barsche im Sprung aus Flüssen. Kleider häuften sich am Boden zu Gebirgen und schienen sich zu bewegen, wenn man nicht direkt hinsah, leere Bierflaschen und Pizzakartons lagen in nahezu strategischer Anordnung auf engstem Raum übereinander. Inmitten des Sammelsuriums empfing Earls vorsintflutlicher Minifernseher sein Programm über eine Zweipolantenne, um die er Aluminiumfolie gewickelt hatte. Diese Höhle zeugte von einem Berufsjunggesellen, jenem abgefeimten und schwer festzunagelnden Geschöpf, das niemand unter die Haube brachte, weil es seine Schmutzsocken herumliegen ließ und nichts vom Hemdenbügeln oder Abwaschen hielt.

»Ich habe Sie vor dem Chaos gewarnt.«

Ich folgte ihm auf eine erhöhte Fläche, wo schnöder Linolboden den groben Teppich ersetzte. Earl räumte halb verzehrtes Essen in Styroporboxen vom Chinesen und Zeitungsstapel von den Möbeln, bei dem ein Küchentisch zum Vorschein kam. Bescheiden nahm ich aufgetürmte Taschenbuchausgaben meiner Romane auf einer der Ablageflächen wahr, von denen eines aufgeklappt mit dem Einband nach oben lag, um später weitergelesen zu werden.

Earl nickte mit den Armen voller Abfall in Richtung zweier Campingstühle, die zusammengeklappt an einer Wand standen. Ich legte meine Blöcke auf den runden Tisch und stellte die beiden Plastikmöbel auf. Eine Papierlaterne, die an einem Kabel über dem Tisch hing, war die einzige Lichtquelle. Ich nahm Platz, als Earl mit einer Faltmappe und zwei geöffneten Flaschen Bier zurückkehrte,

»Cheers« sagte und klingend mit dem Hals seiner Flasche gegen meine stieß. Nachdem er sich schwer in den Sessel fallen ließ, stellte er den Ordner mitten auf den Tisch. »Bevor wir anfangen, möchte ich, dass Sie mir Ihr Wort geben. Das meiste dessen, was ich Ihnen heute Abend zeige, muss unter uns bleiben.«

»Ich weiß zwar nicht, worum es geht, aber okay. Ich gebe Ihnen mein Wort.«

Earl deutete auf meine Notizbücher. »Was ist das?«

»Ideen zu einem neuen Buch.« Nach einer Pause fügte ich hinzu: »Aber ich denke, sie sind mehr als das.«

Er sagte nichts, sondern nahm ein paar kräftige Schlucke aus der Flasche, ohne den Blick von mir abzuwenden.

»Es klingt blöd, aber ich arbeite eine Story aus, basierend auf dem, was ich über die Dentmans weiß.« Ich hatte das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. »Ich litt unter dieser lausigen Schreibblockade, und als ich erfuhr, dass Elijah ertrunken ist, fühlte ich meine kreative Ader zurückkehren. In den vergangenen Wochen habe ich wie ein Irrer geschrieben.« Fast entschuldigend fügte ich an: »Es gibt noch einen dritten Block, aber den muss ich verlegt haben.«

»Ich bin ein Möchtegern-Reporter und arbeite bei einem kleinen Lokalblatt, also werde ich nicht so tun, als verstünde ich, wie ein kreativer Geist tickt«, erwiderte Earl, »aber meinen Sie damit, Sie schreiben ein Buch über die Dentmans?«

»Nicht direkt. Es ist schwer zu erklären.« Kurzzeitig fühlte ich mich versucht, ihm von Kyle zu erzählen – was mich zutiefst entsetzte, denn nicht einmal Jodie kannte die Wahrheit, und diesen Mann hatte ich gerade erst kennengelernt –, wich dann aber aus. »So hat es begonnen, die Story wuchs weiter. Die Charaktere entwickelten aufgrund der Parameter, die ich vorgab, ein Eigenleben. Aber jetzt …« Meine Stimme versiegte, denn ich wusste nicht, wie ich den Gedankengang zu Ende formulieren sollte.

»Das Folgende basiert auf einer wahren Begebenheit«, sagte Earl glucksend. »Lediglich die Namen der Beteiligten wurden verändert, um Unschuldige zu schützen und so weiter …«

»Genau«, stimmte ich zu, aber ich fühlte mich, als würde ich diesen alten Mann an der Nase herumführen. Ich hatte keinen einzigen Namen geändert; in meinem Text wimmelte es von den rechtschaffenen Bürgern aus Westlake, Maryland. Nicht einmal Tooey Jones und sein Tonic blieb unerwähnt.

Earl atmete geräuschvoll aus, wobei seine Nasenlöcher vibrierten. »Vorab möchte ich Ihnen noch etwas zeigen.« Er schlurfte hinüber zu einer Anrichte, die unter Papierstößen und ungeöffneter Post zusammenzubrechen drohte. Summend sortierte er einen Stapel, während er mir den Rücken zukehrte.

Ich begann, einen irischen Wolfshund, der mir neben der Kredenz auffiel, zu begutachten, er war noch struppiger als der Teppich und fast so groß wie ein Mensch. Unter den Fransen blickten mich zwei seelenvolle Augen an. Irgendwo im Schatten begann ein Heizlüfter surrend, seinen Dienst zu verrichten.

»Ah, da ist es ja.« Earl kam zurück an den Tisch. Das Geräusch, das er machte, als er sich wieder auf den Stuhl fallen ließ, klang nach einer alten Fahrradhupe.

Er überreichte mir ein grobkörniges Foto eines Mannes mit abgeschnittener Jeans und Trägerhemd, der gerade mit einem Waschlappen über die Windschutzscheibe eines gelben Pontiac Firebirds wischte. Er mochte Mitte vierzig sein, allerdings war das Bild unscharf, was eine stichhaltige Einschätzung unmöglich machte.

»Wer ist das?«, fragte ich.

»Mein Sohn.«

Ich hatte keine Ahnung, wohin das führen sollte, also schob ich ihm das Foto wieder zu, ohne mehr zu sagen.

»Aus einer unvorsichtigen Affäre in meiner Jugend«, erklärte Earl, indem er es an sich nahm und es betrachtete, mit einer Mischung aus Sehnsucht und Bedauern, wie mir schien. »Es weiter zu erläutern, ist müßig, aber ich musste es Ihnen einfach zeigen, weil Sie mich, warum auch immer, an ihn erinnern. Nicht weil Sie ihm irgendwie ähneln, und wenn ich vollkommen ehrlich sein soll, habe ich niemals Zeit mit dem Jungen verbracht, weshalb ich auch nicht sagen kann, ob Sie beide gewisse Eigenarten teilen. Ich schätze, Sie sind so, wie ich mir ihn bisweilen vorstelle.« Er legte das Foto zurück zu den Papieren auf der Anrichte. »Tut mir leid.«