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Beim nächsten Mal lag ich nachts im Bett, und Jodie schlief in seliger Unschuld neben mir. Da kam es vom Flur, und einen irrigen Moment lang glaubte ich, ein Dutzend winziger Elfen tänzelte über die Tastatur meines Computers, um den Roman für mich zu vollenden. Ich stand aus dem Bett auf und ging über den Flur ins Büro, wo ich das Licht anknipste. Da war das Geräusch wieder versiegt. Ich stand mit angehaltenem Atem da und horchte sehr lange, doch es kehrte nicht wieder.

Beim dritten und letzten Mal war es helllichter Tag. Ein riesiger, gelber Bulldozer rollte über unseren Hinterhof und grub unsere Wiese um. Beamte beobachteten das Geschehen und selbst Strohman ließ sich kurz blicken. Ich streifte rasch ein paar Klamotten über und traf draußen auf ihn. Wir rauchten schweigend ein paar Zigaretten. Die Abgase des Baufahrzeugs waren abstoßend.

Zurück im Haus bereitete ich das Mittagessen vor. Jodie saß mit Beth und den Kids im Kino. Trotz des Lärms hinterm Haus traute ich mir zu, den Entwurf meines neuen Werkes noch an diesem Tag zu beenden. Die Vorstellung stimmte mich glücklich. Alleine aß ich auf der Vorderterrasse zu Mittag, bis die Abgaswolken des Bulldozers irgendwann übers Dach stiegen und um mich herum niedersanken wie während eines nuklearen Winters.

Ich duschte, rasierte mich und zog frische Sachen an. Im Büro setzte ich mich, fuhr den Rechner hoch, roch seine elektronischen Innereien und ließ meine Finger über die leicht summende Tastatur gleiten.

Dann begann das Pochen wieder. Es kam direkt von der Wand hinterm Schreibtisch.

Auf Händen und Füßen schob ich ihn, da er nicht schwer war, von der Mauer fort. Augenblicklich fühlte ich mich töricht. Der Übeltäter, natürlich, war die Aushöhlung hinter der Wand. Das Türchen war aufgesprungen und stieß gegen die Rückseite des Schreibtischs, wenn der Wind durch den Dachvorsprung fuhr und sie so zum Schwingen brachte.

Ich drückte die Öffnung wieder zu, stand aber nicht sofort wieder auf. Draußen röhrte die Planierraupe und jemand brüllte etwas.

Ich zog die Schwanenhalslampe auf dem Schreibtisch nach unten und schaltete sie ein. Das Licht war nicht sonderlich stark, erfüllte aber seinen Zweck. Als ich wieder mit einer Hand gegen das Türchen drückte, sprang es erneut auf, und kalte Luft strömte heraus.

Ich dachte daran, wie Elijah Althea Coulter gesagt hatte, er sei weggegangen.

Dann fiel mir Veronica während der Befragung ein: Als ich zurückkam … weg …

Ich bückte mich tiefer und schob die Lampe ins Loch, um besser zu sehen.

Es war nichts weiter als ein quadratischer Raum mit rosafarbenem Dämmstoff und Stützbrettchen, der sich als Schrank verwenden ließ, das Versteck eines kleinen Jungen. Der zerschlissene Baseball lag darin, sowie Matchbox-Autos und ein Dagobert-Duck-Comic. Ich erinnerte mich daran, wie Adam und ich unter dem Pier auf der Stelle geschwommen waren, um dem Irren mit dem Gewehr zu entgehen, der auf den Brettern über uns marschierte. Verstecken, dachte ich mir. Kinder verstecken sich.

Als ich zurückkam … weg …

Aber es versteckte sich niemand darin. Die Ausstanzung war leer. Ich hatte es gewusst, und zwar schon damals, als ich sie zum ersten Mal geöffnet und den Schuhkarton mit den toten Vögeln entdeckt hatte. Was hatte ich erwartet zu finden?

Und dann roch ich es.

Widerlich süß wie tagelang abgestandener Kamillentee. Getragen durch die kühle Luft wurde es mit jedem Atemzug intensiver. Ich knickte den Hals der Lampe an der Öffnung fest und steckte meinen Kopf hinein. Auch wenn ich mitnichten ein stämmiger Kerl bin, war es trotzdem zu eng für mich, um meine Schultern hineinzuzwängen. Ich entsann mich der Albträume, die mich Wochen zuvor heimgesucht hatten – zu Tode gequetscht zwischen sich zusammenziehenden Wänden. Plötzlich brach mir der Schweiß auf der Stirn aus.

Es ist ein Kommen und Gehen.

Gehen, entschied ich in diesem Fall. Er ist hier drin verschwunden.

Ich streckte meine Hand und nestelte an einem Stück der Papierfolie, die an den Isoliermatten klebten. Schälte sie langsam von den Holzbalken ab. Eigentlich rechnete ich damit, dahinter auf eine Gipswand zu stoßen, die Seite zum Büro hin. Doch was mir die Schwanenhalslampe zeigte, war ein schmaler Durchlass zwischen Wand und Dachsims, ein vertikaler Schnitt. Dies war nicht bloß eine Öffnung, sondern eine zum Durchkriechen.

Ich zog die Lampe dichter an den engen, finsteren Spalt, hielt die Luft an und fühlte, wie mir der Schweiß übers Gesicht lief.

Kommen und Gehen, dachte ich.

Atmete nicht.

Ich sah ihn.

Kapitel 36

Der ungewöhnlich harte Winter hatte den Leichnam praktisch konserviert und verhindert, dass das ganze Haus stank. Das jedenfalls mutmaßte der Forensiker und die Polizisten, die die Zimmer, Flure (und Wände) von Waterview Court 111 mehrere Stunden lang in Beschlag nahmen.

Ich stand vor dem Haus, als sie Elijah Dentman bargen. Zwei Officers trugen den Körper zum Krankenwagen, obwohl klar ersichtlich war, dass es einer allein auch geschafft hätte, ohne Schweißausbrüche zu bekommen. Sie benutzten eine Holzbahre mit je zwei Griffen an den Enden und hatten sein Gerippe mit einem weißen Laken zugedeckt. Von der Seite betrachtet sah es wie eine ferne Gebirgskette aus. Ein paar Hunde aus der Nachbarschaft kamen und schnüffelten herum, die ein weiterer

Officer davonscheuchte.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine Traube Schaulustiger in der Sackgasse zusammengekommen, manche von ihnen traten auf die Grünfläche vor dem Haus und schauten an der Seite vorbei nach hinten. Sie alle sahen entsetzt zu, wie man den Leichnam heraustrug und in den Wagen schob. Als er losfuhr, blieben Blaulicht und Sirene ausgeschaltet.

Oben blieb ich in der Bürotür stehen. Ich durfte nichts anrühren, wie man mir gesagt hatte. Meine Erfahrung mit Verbrechensschauplätzen (zugegebenermaßen von zu viel Fernsehen) war eine sterile Umgebung, aufgeräumt, in der die Beamten grimmig bis gefühllos arbeiteten und Krawatten zu steifen Anzughemden trugen.

Hier allerdings versuchte jeder die Atmosphäre so zwanglos wie möglich zu halten, selbst in dem andächtigen Augenblick, als die Leiche durch einen Schnitt in der Wand aus dem Spalt in den Flur gezogen wurde. Da war nirgendwo gelbes Band ausgerollt, und die Cops trugen Uniform. Weder sahen sie aus, als hätten sie alles unter Kontrolle, noch als hätten sie Antworten, obwohl alles geregelt ablief. Sie wirkten so jung und sahen aus, als würden sie hier dazulernen, mehr als ich. Diese Officers waren nicht allwissend und allmächtig; es waren Normalsterbliche, die ihren Job erledigten, die unverhohlen ihre Emotionen auf den Gesichtern zeigten. Realer ging es nicht.

All diese Jahre, dachte ich mir, habe ich Verbrechensszenen falsch beschrieben.

Adam tauchte neben mir auf. »Du siehst grün aus«, bemerkte er.

»Ja? So wie du.«

»Mir ist auch schlecht.« Sein Blick schweifte durchs Zimmer.

Zwei Beamte fotografierten den Teppich sowie die vergrößerte Öffnung, die sie in die Wand geschnitten hatten, um zu dem Spalt zu gelangen.

Eines dritten Officers schwarze Stiefel kamen zum Vorschein, er kroch aus der Nische heraus. »Ziemlich eng dort«, befand er, schwitzend, er glänzte wie ein Aal. »Der Tunnel führt die ganze Wand entlang bis hinter die Stufen. Liegt auch eine Menge Müll herum; das Kind muss es als Räuberlager oder so genutzt haben.«

Nein, dachte ich. Kein Räuberlager. Dort versteckte er sich, wenn er sich fürchtete oder wenn er sich verletzte.