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›Zweifellos, scharfsinnigster aller Kater‹, bestätigte der andere, ›du hast meine Meinung erraten.‹

›Du meinst doch‹, fragte Rotschopf, ›solche Wesen wie Aslan und Tasch gibt es überhaupt nicht?‹

›Wer aufgeklärt ist, weiß das auch‹, erwiderte der Tarkhan.

›Dann verstehen wir einander, schnurrte der Kater. ›Bist du nicht auch des Affen ein bißchen überdrüssig geworden?‹

›Ein einfältiges, gefräßiges Vieh‹, sagte der andere, ›aber vorerst brauchen wir ihn noch. Wir beide müssen im geheimen Vorsorgen und dem Affen unseren Willen aufzwingen.‹

›Es wäre gut‹, sagte Rotschopf, ›einige der am meisten aufgeklärten Narnianen in unseren Rat aufzunehmen, einen nach dem anderen, wie wir sie für geeignet halten. Denn die Tiere, die wirklich an Aslan glauben, können sich jeden Augenblick wandeln und werden es tun, wenn der Affe in seiner Torheit sein Geheimnis verrät. Aber es gibt auch einige, die sich weder um Tasch noch um Aslan kümmern, sondern nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben. Die warten auf eine Belohnung von Tisrok, wenn Narnia eine kalormenische Provinz ist, und bleiben natürlich hart.‹

›Ausgezeichnet, du kluger Kater‹, lobte ihn der Hauptmann. ›Aber wähl die in Frage kommenden sorgsam aus.‹«

Während der Zwerg noch sprach, schien sich der Himmel zu verändern. Es war sonnig gewesen, als sie sich niedersetzten. Nun begann Grauohr zu zittern. Mißtrauisch hob Kleinod seinen Kopf. Auch Jutta sah auf.

»Es kommen Wölken«, sagte sie.

»Kalt ist es«, meinte Grauohr und schüttelte sich.

»Und wie kalt, bei der Mähne des Löwen!« rief Tirian und blies in die Hände, »und pfui, was für ein widerlicher Geruch!«

»Pfui!« japste Eugen. »Da muß irgend etwas Totes in der Nähe sein. Vielleicht ein Vogel? Warum haben wir das nicht schon früher gemerkt?«

Mühsam sprang Kleinod auf die Füße und deutete mit seinem Hörn in Richtung der Bäume.

»Seht nur!« rief er. »Seht dort, seht, seht!«

Da erblickten alle sechs, zu Tode erschrocken, etwas Grauenhaftes.

8. Tasch kommt

Im Schatten der Bäume gegenüber der Lichtung bewegte sich etwas sehr langsam. Auf den ersten Blick konnte man es für Rauch halten, für grauen, durchsichtigen Rauch. Aber der Totengeruch war kein Rauchgeruch. Auch behielt das rätselhafte Ding seine Gestalt, anstatt zu wogen und sich zu kräuseln. Es hatte annähernd die Gestalt eines Mannes, aber den Kopf eines Vogels, irgendeines Raubvogels mit einem grausamen, gebogenen Schnabel. Es hatte vier Arme, die es hoch über seinem Kopf hielt und nach Norden ausstreckte, als ob es ganz Narnia mit einem einzigen Griff an sich reißen wollte. Seine Finger – alle zwanzig – waren gebogen wie ein Schnabel und hatten anstelle von Nägeln lange, zugespitzte Vogelkrallen. Anstatt zu gehen, schwebte das Ungeheuer über das Gras, und das Gras schien unter ihm zu verdorren.

Als der Esel die scheußliche Gestalt sah, stieß er einen gellenden Schrei aus und stürzte in den Turm. Sogar Jutta, die kein Feigling war, schlug ihre Hände vor das Gesicht, um diesen Anblick zu vergessen. Die anderen konnten das seltsame Ding nur kurz betrachten. Es schwebte zwischen die dicht stehenden Bäume und verschwand. Dann kam die Sonne wieder hervor, und die Vögel begannen von neuem zu singen.

Langsam atmeten alle wieder leichter und wagten sich zu bewegen.

»Was war denn das?« fragte Eugen flüsternd.

»Ich habe es früher schon einmal gesehen«, sagte Tirian. »Aber damals war es in Stein geschnitten, mit Gold ausgelegt und hatte als Augen echte Diamanten. Ich war nicht älter als du und Gast an Tisroks Hof. Er nahm mich in den großen Tempel des Tasch mit. Dort sah ich es über dem Altar eingemeißelt.«

»Dann war das schreckliche Wesen am Ende Tasch selbst?« fragte Eugen.

Aber statt zu antworten, schlang Tirian seinen Arm um Juttas Schulter und fragte: »Wie geht es, edles Fräulein?«

»Ganz … ganz gut«, sagte Jutta, nahm die Hände von ihrem blassen Gesicht und versuchte zu lächeln. »Mir geht es gut. Es hat mich nur für einen Augenblick durcheinandergebracht.«

»Tasch gibt es also wirklich?« fragte das Einhorn erstaunt.

Der Zwerg nickte. »Dieser Narr von einem Affen, der nicht an Tasch glaubt, ihn aber trotzdem herbeirief, wird noch sein blaues Wunder erleben.«

»Wo ist denn – wo ist das gräßliche Ding hin?« fragte Jutta.

»Nach Norden, ins Herz von Narnia«, sagte Tirian, »um bei uns zu wohnen.«

»Ho, hoho!« kicherte der Zwerg in sich hinein und rieb seine dunkelbehaarten Hände. »Das wird eine schöne Überraschung für den Affen. So ein Kerl sollte nicht nach bösen Geistern rufen, wenn es ihm nicht ernst ist.«

»Wer weiß, ob Tasch sich überhaupt dem Affen zeigt«, meinte Kleinod.

»Wo steckt denn Grauohr?« fragte plötzlich Eugen.

Sie riefen den Esel. Jutta ging um den Turm herum zur anderen Seite. Sie wollte nachsehen, ob sich Grauohr vielleicht dort versteckt hatte. Und richtig: Da lugte sein großer grauer Kopf vorsichtig aus dem Türspalt, und Grauohr fragte: »Ist das gräßliche Ding endlich weg?« Es war schwer, ihn aus dem Turm herauszulocken. Er zitterte noch immer wie ein Hund beim Gewitter.

»Ich war wirklich ein ganz böser Esel«, gestand Grauohr. »Niemals hätte ich auf Kniff hören sollen. Wer konnte aber auch ahnen, daß das solche Folgen hat.«

»Hättest du doch nicht immer gesagt, ich bin nicht klug, und statt dessen versucht, so klug zu sein wie du nur irgend konntest…«, fing Eugen an, aber Jutta unterbrach ihn.

»Laß doch den armen alten Grauohr in Ruhe«, sagte sie. »Das war doch alles ein Irrtum, nicht wahr, Grauohr?« Sie küßte ihn auf die Nase.

Der Schrecken steckte zwar noch in ihren Gliedern, aber sie setzten sich wieder und fuhren in ihrem Gespräch fort.

Kleinod hatte ihnen wenig zu erzählen. Während seiner Gefangenschaft war er fast immer an der Rückwand des Stalles angebunden gewesen und hatte nichts von den Plänen der Feinde gehört. Er hatte genug Fußtritte bekommen und hätte nur zu gern zurückgetreten. Man hatte Kleinod geschlagen und gedroht, ihn zu töten. Er hatte nicht glauben wollen, daß es Aslan war, den man aus dem Stall herausgebracht und jede Nacht im Schein des Feuers vorgezeigt hatte. Kleinod sollte hingerichtet werden, aber gerade an diesem Morgen wurde er befreit. Was mit dem vorlauten Lamm geschehen war, wußte er nicht.

Sie fragten sich, was zu tun sei. Sollten sie in dieser Nacht wieder auf den Stallberg gehen? Man könnte Grauohr vorzeigen und damit der Menge beweisen, wie man sie betrogen hatte. Oder sollten sie sich lieber wegschleichen? Sie könnten sich mit Runwitt dem Zentauren treffen, der aus Otterfluh Hilfskräfte heranholte, um gemeinsam gegen den Affen und die Kalormenen zu kämpfen.

Tirian hätte gern den ersten Plan durchgeführt. Er wollte den Affen keinen Augenblick länger das Volk unterdrücken lassen. Die Art, wie die Zwerge sich letzte Nacht benommen hatten, war eine deutliche Warnung. Wie mochte das Volk es aufnehmen, wenn er ihm Grauohr zeigte? Und dann mußte man noch mit den kalormenischen Soldaten rechnen. Pogge meinte, es wären etwa dreißig. Tirian glaubte sicher, wenn die Narnianen sich alle auf seine Seite stellten, könnten er und Kleinod, Jutta, Eugen und Pogge (Grauohr zählte ja nicht mit) die Kalormenen besiegen. Aber wie, wenn die Hälfte der Narnianen – alle Zwerge eingeschlossen – untätig blieb und dem Kampf zuschaute? Oder wenn sie sogar gegen ihn kämpften? Das Wagnis war zu groß. Und was war mit Tasch? Was würde er tun?

Außerdem, so meinte Pogge, konnte man den Affen mit seinen eigenen Schwierigkeiten ruhig ein oder zwei Tage allein lassen. Er hatte jetzt keinen Grauohr mehr im Stall, um ihn als Aslan auszugeben. Deshalb mußten Kniff oder Rotschopf eine neue Geschichte erfinden, und das war nicht leicht. Wenn die Tiere Nacht für Nacht Aslan sehen wollten und kein Aslan kam, mußten sogar die Dümmsten mißtrauisch werden.

Schließlich waren alle dafür, daß man sich mit Runwitt traf. Als sie sich endlich entschieden hatten, wurde jedem froher zumute. Man fühlt sich immer wohler, wenn man sich über etwas klargeworden ist.