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»Ruhe!« donnerte Rischda Tarkhan. »Ruhe, ihr Unterirdischen! Hört mir zu, auch ihr anderen Narnianen, sonst befehle ich meinen Kriegern, mit den Schwertern über euch herzufallen. Graf Kniff hat euch schon von dem verruchten Esel erzählt. Glaubt ihr, seinetwegen gäbe es keinen richtigen Taschlan im Stall? Glaubt ihr das? Hütet euch, nehmt euch in acht!«

»Nein, nein!« schrien die meisten. Doch die Zwerge riefen: »Recht so, Rischda, du Schwarzgesicht, nun hast du es uns aber gegeben, was? Los, Äffchen, nun zeig uns doch, was wirklich im Stall ist. Wir können nur das glauben, was wir sehen.«

Nach einem Augenblick der Stille sagte der Affe: »Ihr Zwerge denkt, daß ihr wunder wie klug seid, nicht wahr? Aber nicht so voreilig. Ich habe niemals gesagt, daß ihr Taschlan nicht sehen könnt. Jeder, der Lust hat, kann ihn sehen.«

Die ganze Versammlung wurde still. Dann, fast nach einer Minute, begann der Bär mit langsamer, verwirrter Stimme zu sprechen: »Ich verstehe das alles nicht ganz. Ich dachte, du sagtest…«

»Du dachtest?« wiederholte der Affe. »Wer soll denn schon wissen, was für Gedanken in deinem Kopf herumschwirren? Hört zu, ihr anderen. Jeder kann Taschlan sehen, aber er kommt nicht heraus. Ihr müßt schon hineingehen, wenn ihr ihn sehen wollt.«

»O danke, danke, danke«, sagten Dutzende von Stimmen. »Das wollten wir ja! Nun können wir hinein und ihn von Angesicht zu Angesicht sehen. Jetzt wird er freundlich sein, und alles ist wie sonst.« Und die Vögel zwitscherten, und die Hunde bellten aufgeregt.

Plötzlich geriet alles in Bewegung, und ein Geräusch entstand, als ob sie alle auf einmal aufsprängen. Die ganze Sippschaft stürzte vorwärts, und alle versuchten, gleichzeitig in die Stalltür zu drängen.

Aber der Affe schrie: »Zurück! Nicht so schnell!«

Die Tiere standen still, viele mit einer Pfote in der Luft, einige mit dem Schwanz wedelnd und den Kopf auf die Seite gelegt.

»Ich dachte, du sagtest…«, begann der Bär von neuem, aber Kniff unterbrach ihn.

»Jeder kann hineingehen«, erklärte er. »Aber immer nur einer nach dem andern. Wer will der erste sein? Der Unvergleichliche sagte nichts davon, daß er gut aufgelegt sei. Taschlan leckt sich immer die Lippen, seitdem er neulich nachts den bösen König verschlang. Heute morgen hat er ziemlich geknurrt und gebrummt. Ich selbst ginge nicht gern heute abend in den Stall. Aber wie ihr wollt. Wer will zuerst hinein? Gebt mir nur keine Schuld, wenn Taschlan euch verschlingt oder euch mit dem schrecklichen Blick seiner Augen zu Asche versengt. Das ist eure Sache. Nun, wer geht zuerst? Wie wär’s mit einem von euch Zwergen?«

»Kille, kille, komm und laß dich töten!« höhnte Krall. »Äffchen, was hast du im Stall versteckt?«

»Hoho!« schrie der Affe. »Meint ihr etwa, es wäre nichts drin? Vor einer Minute noch habt ihr geprahlt, nun seid ihr wie vor den Kopf geschlagen. Also, wer geht?«

Aber die Tiere standen da und sahen einander stumm an. Auf einmal entfernten sie sich mehr und mehr von dem Stall, und nur wenige wedelten mit dem Schwanz. Der Affe ging unruhig hin und her und spottete über die Tiere. »Ho – ho – ho!« kicherte er. »Ich dachte, ihr wäret alle so eifrig, Taschlan von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Ihr habt wohl eure Meinung geändert, wie?«

Tirian beugte seinen Kopf zu Jutta herunter, um zu hören, was sie ihm wohl ins Ohr flüstern wollte.

»Was glaubst du, was wirklich drinnen im Stall ist?« fragte sie.

»Wer weiß«, erwiderte Tirian, »vielleicht zwei Kalormenen mit gezogenen Schwertern, auf jeder Seite der Tür einer.«

»Du glaubst doch etwa nicht«, sagte Jutta, »es könnte sein … du weißt doch … das schreckliche Ding, das wir sahen?«

»Tasch selbst?« flüsterte Tirian. »Das kann man nicht wissen. Aber nur Mut, Kind, wir sind alle in der Hand des wirklichen Aslan.«

Dann aber kam die größte Überraschung. Der Kater Rotschopf sagte mit kühler, klarer Stimme und nicht im geringsten aufgeregt: »Wenn ihr wollt, werde ich hineingehen.«

Alle wandten sich dem Kater zu und starrten ihn an.

»Was für ein durchtriebenes Tier, Majestät«, sagte Pogge zum König. »Dieser verteufelte Kater steckt mit in der Verschwörung, vielleicht ist er sogar der Anführer. Wer oder was auch immer in dem Stall ist, niemand wird ihm ein Haar krümmen. Rotschopf wird heil wieder herauskommen und verkünden, was für ein großes Wunder er drinnen gesehen hat.«

Aber Tirian hatte keine Zeit mehr zu antworten. Der Affe bat den Kater, näher zu treten. »Hoho!« höhnte er, »du also, du vorlaute Mieze, willst Taschlan von Angesicht zu Angesicht sehen. Dann komm nur! Ich werde dir die Tür öffnen. Gib mir aber nicht die Schuld, wenn Taschlan dir die Schnurrhaare einzeln ausreißt. Das ist dann deine Sache.«

Der Kater stand auf und kam von seinem Platz in der Menge hervor. Er ging tänzelnd und geziert, den Schwanz in die Luft erhoben, kein Haar auf dem glatten Fell sträubte sich. Er kam am Feuer vorbei, und stand so nahe, daß Tirian, mit der Schulter gegen die Seitenwand des Stalles gelehnt, in sein Gesicht sehen konnte. Seine großen grünen Augen funkelten nicht mehr.

»Kühl wie eine Gurke«, murmelte Eugen. »Er weiß eben, er hat nichts zu befürchten.«

Der Affe, der kicherte und Gesichter schnitt, schob sich neben den Kater, hob seine Pfote hoch, zog den Riegel weg und öffnete die Tür. Tirian meinte, den Kater schnurren zu hören, als er den dunklen Stall betrat.

»Au, au auweh!…«

Der schrecklichste Katzenschrei, den man je gehört hat, ließ alle aufspringen. Wer ist nicht schon selbst durch ihr Gezeter geweckt worden oder hat nicht Katzenmusik auf dem Dach um Mitternacht gehört? Hier aber war es noch schlimmer. Der Affe wurde Hals über Kopf von dem Kater zu Boden geworfen, als er in großen Sätzen aus dem Stall floh. Wenn man nicht gewußt hätte, daß es ein Kater war, hätte man denken können, ein rötlicher Blitzstrahl käme aus dem Stall geschossen. Über das Gras raste er zurück in die Menge. Keiner möchte einem Kater in diesem Zustand begegnen. Links und rechts liefen ihm die Tiere aus dem Weg. Er sprang wie wild einen Baum hinauf, flitzte herum und hing mit dem Kopf herunter. Der gesträubte Schwanz schien fast so dick wie sein ganzer Körper. Seine Augen, groß wie Untertassen, funkelten im grünen Feuer, den Rücken entlang stand ihm jedes einzelne Haar zu Berge.

»Ich gebe meinen Bart dafür«, flüsterte Pogge, »wenn ich wüßte, ob dieses Vieh nur so tut oder ob es im Stall wirklich etwas Furchtbares angetroffen hat.«

»Schweigt, Freunde«, mahnte Tirian, denn der Hauptmann und der Affe flüsterten miteinander, und er wollte gern hören, was sie sagten. Es gelang ihm nicht. Nur den Affen hörte er noch einmal wimmern: »Mein Kopf, mein armer Kopf!« Aber Tirian bemerkte, daß das Verhalten des Katers die beiden ebenso verwirrte wie ihn selbst.

»Na, Rotschopf«, sprach der Hauptmann. »Nun mal Schluß mit dem Lärm! Erzähl doch, was du gesehen hast.«

»Aii – aii – au – auweh«, kreischte der Kater.

»Bist du nicht ein sprechendes Tier?« fragte der Hauptmann. »Dann nimm dich zusammen, laß den Lärm und sprich vernünftig.«

Was nun folgte, war schrecklich. Tirian fühlte (und jeder andere auch), daß der Kater zu sprechen versuchte. Aber nichts kam aus seinem Maul, außer den üblichen, gräßlichen Lauten, die man von jedem wütenden oder erschreckten Kater in den Hinterhöfen hören kann. Je länger er miaute, desto weniger sah er wie ein sprechendes Tier aus.

Da wimmerten und quiekten auch die anderen Tiere.

»Schaut nur, schaut!« rief der Eber. »Der Kater kann nicht mehr sprechen. Er hat das Sprechen verlernt. Er ist wieder ein stummes Tier geworden. Schaut doch nur sein Gesicht an!«

Wie traurig und wahr! Das erkannten nun alle. Und die narnianischen Tiere packte Entsetzen und Jammer. Sie hatten doch schon als Küken gelernt, als junger Hund oder als sonst ein Tierjunges, daß Aslan zu Beginn der Welt die Tiere von Narnia in sprechende Tiere verwandelt hatte. Zugleich aber hatte Aslan sie gewarnt: Wenn sie nicht gut wären, würden sie eines Tages wieder zurückverwandelt und wären dann wie die armen geistlosen Tiere in anderen Ländern.