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»Sie ist nicht unsere wirkliche Tante, weißt du«, sagte Eugen. »Sie heißt Frau Plummer, aber wir nennen sie einfach Tante Marie, Nun, diese beiden holten uns alle zusammen – Peter, seinen Bruder Edmund, seine Schwester Luzie, Jutta und mich –, damit wir alle über Narnia plaudern konnten. Natürlich kann man mit anderen Menschen nicht über solche Dinge reden.

Aber es gab noch einen Grund. Onkel Digor fühlte nämlich, daß man uns hier in Narnia brauchte. Na, dann kamst du herein wie ein Geist oder wer weiß was und erschrecktest uns fast zu Tode. Du verschwandest wieder, ohne ein Wort zu sagen. Wir aber wußten nun, daß etwas los war in Narnia. Die nächste Frage war, wie wir herkommen sollten. Man kann nicht einfach gehen, wenn man will. So berieten und berieten wir, und zuletzt meinte Onkel Digor, der einzige Weg wäre der durch die magischen Ringe.

Durch diese Ringe waren er und Tante Marie nämlich vor langer, langer Zeit nach Narnia gekommen, als sie noch Kinder waren. Aber die Ringe lagen alle im Garten ihres alten Hauses in London vergraben (London ist unsere große Stadt, Majestät), und das Haus war inzwischen verkauft worden. Wie konnte man zu den Ringen kommen? Du ahnst nicht, was wir schließlich taten!

Edmund und Peter – das ist der Große König Peter, der zu dir sprach – gingen nach London, um den Garten von der Rückseite zu betreten, früh am Morgen, bevor die Leute aufstanden. Peter und Edmund waren als Arbeiter verkleidet, die angeblich etwas an den Wasserrohren zu reparieren hatten. Wäre ich doch dabeigewesen, es war sicher ein herrlicher Spaß! Der Streich muß ihnen schon am nächsten Tag gelungen sein, denn Peter schickte uns ein Telegramm – das ist eine Art Botschaft, Majestät, ich werde es dir ein andermal erklären. Dieses Telegramm meldete uns, sie hätten die Ringe gefunden.

Vierundzwanzig Stunden darauf, am Tag von Peter und Paul, mußte ich wieder zur Schule gehen. Nur wir beide gehen noch zur Schule; wir sind in der gleichen Klasse und gleich alt. Wir wollten uns mit Peter und Edmund an einer bestimmten Stelle auf dem Schulweg treffen, da sollten sie uns die Ringe übergeben. Wir beide waren auserwählt, nach Narnia zu gehen, weil die älteren nicht mehr dorthin zurückkehren können.

So stiegen wir denn in den Zug. Ein Zug, das ist ein besonderes Ding, in dem Menschen unserer Welt reisen: eine Menge aneinandergeketteter Wagen, weißt du. Onkel Digor und Tante Marie und Luzie fuhren mit uns. Wir saßen also alle fünf im Zug. Als wir zu der Haltestelle kamen, wo wir Edmund und Peter treffen sollten, schaute ich aus dem Fenster, um nach ihnen zu sehen. Da gab es plötzlich einen schrecklichen Ruck und einen furchtbaren Lärm, und auf einmal waren wir beide im Lande Narnia.«

»So brauchtet ihr die Ringe gar nicht?« fragte Tirian.

»Nein«, sagte Eugen. »Wir sahen sie nicht einmal. Aslan tat alles für uns in seiner eigenen Weise, ohne irgendwelche Ringe.«

»Aber der Große König Peter hat sie doch«, meinte Tirian.

»Ja«, sagte Jutta, »aber wir glauben nicht, daß er sie gebrauchen kann. Als König Edmund und Königin Luzie zuletzt in Narnia waren, hat Aslan ihnen erklärt, sie könnten nie mehr wiederkommen. Früher schon hat Aslan etwas Ähnliches zu dem Großen König Peter gesagt. Peter käme blitzschnell hierher, aber er darf nicht.«

»Es wird heiß in der Sonne. Sind wir bald da, Majestät?« fragte Eugen.

»Schaut«, sagte Tirian und zeigte hinüber. Wenige Meter vor ihnen stiegen graue Zinnen über den Baumwipfeln auf, und als sie eine Minute länger gegangen waren, kamen sie auf eine große Wiese. Hier floß ein Bach, und auf der anderen Seite des Baches stand ein gedrungener, viereckiger Turm mit wenigen schmalen Fenstern und einem wuchtigen Tor in der Mauer.

Tirian sah sich überall genau um, ob keine Feinde in Sicht waren. Dann ging er zum Turm, stand einen Augenblick still und fischte sein Schlüsselbund hervor. Er trug es innerhalb seines Jagdgewandes an einer schmalen Silberkette um den Hals. Das war ein hübsches Bündel Schlüsseclass="underline" zwei aus Gold und viele reich verziert. Man konnte sofort erkennen, daß die Schlüssel dazu bestimmt waren, feierliche oder geheimnisvolle Räume in Palästen zu öffnen oder Truhen und Kästchen aus wohlriechendem Holz, die königliche Schätze enthielten. Aber der Schlüssel, den Tirian hier in das Schlüsselloch der Tür steckte, war groß und ohne Zierat. Das Schloß war verrostet, und Tirian fürchtete schon, der Schlüssel ließe sich nicht umdrehen. Aber es ging doch, und die Tür sprang auf mit mürrischem Knarren.

»Willkommen, Freunde!« rief Tirian. »Es tut mir leid, aber das ist der beste Palast, den der König von Narnia seinen Gästen anbieten kann.«

Tatsächlich war es nicht besonders hübsch hier. Es war etwas finster und roch muffig. Der Palast bestand nur aus einem Raum, der bis oben zum Steindach reichte. Eine hölzerne Treppe in einer Ecke führte zu einer Falltür hinauf, durch die man auf die Zinnen gelangen konnte. Es gab ein paar einfache Betten zum Schlafen, eine Anzahl Schränke und eine Menge Waffen in Schutzhüllen. Auch ein Herd war vorhanden, dem man es ansah, daß jahrelang niemand ein Feuer darauf angezündet hatte.

»Sollen wir nicht lieber erst hinausgehen und Feuerholz sammeln?« fragte Jutta.

»Noch nicht, Kameradin«, sagte Tirian. Er wollte nicht, daß sie unbewaffnet blieben, und begann die Schränke zu untersuchen. Er prüfte jeweils einmal im Jahr sehr sorgfältig diese Besatzungstürme, ob sie auch mit allen notwendigen Dingen gefüllt waren. Es fehlte nicht an Bogen und Pfeilen in Schutzhüllen aus geölter Seide, die Schwerter und Speere waren gegen Rost eingefettet und die Rüstungen in ihren Umhüllungen blank geblieben. Aber noch etwas Besseres war vorhanden.

»Schaut her!« sagte Tirian, als er ein langes Panzerhemd mit seltsamen Mustern hervorzog und es vor den Augen der Kinder blinken ließ.

»Ist das nicht ein komischer Panzer, Majestät?« fragte Eugen.

»Ach, Junge«, entgegnete Tirian. »Kein Zwerg aus Narnia hat ihn geschmiedet. Dieses ausländische Zeug stammt aus Kalormen. Ich habe immer ein paar Panzer bereit. Man weiß ja nie, wann meine Freunde oder ich unerkannt Tisroks Land besuchen wollen. Schaut euch diese Steinflasche an. Darin ist ein Saft, der, auf unseren Händen und Gesichtern verrieben, uns dunkel macht wie echte Kalormenen.«

»Hurra!« rief Jutta. »Verkleidung! Ich liebe Maskeraden.« Tirian zeigte ihnen, wie sie etwas von dem Saft auf ihre Handflächen gießen und es dann gut auf Gesicht und Hals verreiben mußten, ganz herunter bis über die Schultern und dann auf ihre Hände bis hinauf zu den Ellbogen. Er machte es selbst auch so.

»Nachdem der Saft erhärtet ist«, sagte Tirian, »dürfen wir uns waschen, nichts wird sich verändern, Öl und Asche werden uns wieder zu weißen Narnianen machen. Und nun, liebe Jutta, laß uns sehen, wie dir dieses Panzerhemd paßt. Es ist etwas zu lang, doch nicht soviel, wie ich befürchtet habe. Es gehörte wohl einem Edelknaben ihrer großen Herren, den Tarkhanen.«

Nach den Panzerhemden probierten sie kalormenische Helme auf, die – klein und rund – dicht auf dem Kopf sitzen und an der Spitze einen Dorn haben. Dann nahm Tirian lange Rollen von weißem Stoff aus einem Schrank und wickelte sie über die Helme, bis es Turbane wurden; aber der kleine Stahldorn steckte noch oben in der Mitte. Tirian und Eugen nahmen gebogene kalormenische Schwerter und kleine runde Schilde. Es gab kein Schwert, das leicht genug für Jutta war, aber es fand sich ein langes, gerades Jagdmesser, das zur Not als Schwert dienen konnte.

»Versteht du etwas vom Bogenschießen, Mädchen?« fragte Tirian.

»Reden wir lieber nicht davon«, sagte Jutta errötend. »Eugen versteht mehr davon.«

»Glaubt ihr nicht, Majestät«, entgegnete Eugen. »Wir mußten beide oft das Bogenschießen üben, seitdem wir zum letzten Mal von Narnia zurückkehrten. Jutta schießt jetzt etwa so gut wie ich. Besonders gut schießen wir allerdings beide nicht.«