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Innerhalb weniger Augenblicke würden andere Zombis auftauchen. Immer war es so. Er hatte noch nie davon gehört, daß ein Zombi einen Laut ausgestoßen hätte. Sein Vater aber hatte ihm erzählt, daß die Zombis über weite Entfernungen hinweg sich einander Gedanken zusenden und diese auch verstehen konnten, und der Junge glaubte das. Jedes Mal, wenn er einen Zombi getötet hatte, war kurz darauf eine ganze Meute hinter ihm her gewesen, so daß er meistens gerade noch im letzten Augenblick entkommen konnte.

Der Junge raste über ein Stück Straße und stürzte sich kopfüber in die Ruine eines zerbombten Gebäudes. Im Sprung krachten Schüsse über ihn hinweg und bohrten Löcher in die Mauer auf der vor ihm liegenden Seite. Tief grub sich der Junge in einen Geröllhaufen und schlüpfte in den engen Eingang zu einem versteckten Tunnel. Auf Händen und Knien kroch er in ein angrenzendes Gebäude. Von hier aus wagte er einen Sprung auf einen von Unkraut überwachsenen Hof. Hinter sich hörte er dumpfes Knallen, dem helles Zischen folgte.

„Gasbomben“, murmelte er. Jetzt war er fast in Sicherheit. Ein Erdgeschoß, noch ein Tunnel, und schließlich gelangte er unter ein Gebäude, das dem Erdboden gleichgemacht worden war. Hier hatte sich der Junge ein Versteck geschaffen. Aus einem Stahlschrank, der unter dem Gewicht des eingestürzten Mauerwerks umgefallen war und in seltsamem Winkel lag, nahm er einen großen Bogen Papier.

Es war eine sorgfältig gezeichnete Landkarte, die mit merkwürdigen Bemerkungen versehen war. An der Stelle, an der er eben den Zombi getötet hatte, malte er ein X auf die Karte und einen Kreis darum. Neben das danebengelegene Erdgeschoß schrieb er: „Gas“, und setzte das Datum darunter. Er seufzte. „Wochen werden vergehen, ehe ich dort wieder Ratten fangen kann.“

Dann versteckte er die Landkarte wieder und wandte seine Aufmerksamkeit dem Messer zu. Mit einem scharfen Stein schnitt er eine neue Kerbe in den Griff. Wenn er nur ein Gewehr bekommen könnte, aber das war nicht möglich. Es war zu gefährlich. Auf diese Weise hatten die Zombis Willie Ulstead erwischt. Er hatte versucht, einem Zombi das Gewehr abzunehmen. Aber ehe Willie die Waffe ergreifen konnte, waren die übrigen Zombis über ihm gewesen. Nein, das hatte keinen Sinn. Er konnte nur zustechen und dann laufen, was die Beine hergaben.

In dem feuchten, halb eingefallenen Keller, in dem seine Eltern wohnten, war kein Licht. Er glitt aus der Nacht in diese noch dunklere Nacht des Kellers und pfiff im Näherkommen leise, damit er die Eltern nicht erschreckte. „Mach’ Licht, Ma“, sagte er.

Als sie ein kleines Licht angezündet hatte, gab er ihr die Tasche mit den Ratten und setzte sich neben seinen Vater. „Etwas für dich, Vater“, sagte er und brachte eine Flasche hervor.

Mit leeren Augen starrte der Vater auf die gegenüberliegende Wand. Unter vollem, dichtem Bart war das Gesicht wachsbleich. Die zitternden Finger legten sich um die Flasche, die seinem Griff entglitt. Im letzten Augenblick erwischte sie der Junge und stellte sie dem Vater auf den Schoß zurück.

„Schau, Vater. Es ist etwas Besonderes.“

Der Vater hob die Flasche und blinzelte. „Whisky!“ sagte er und flüsterte ehrfürchtig: „Whisky! Wo …“

„Ich habe ihn ausgegraben“, antwortete der Junge. „Ich dachte. du würdest ihn mögen.“

„Wir wollen ihn für besondere Gelegenheiten aufbewahren“, murmelte der Vater. „Er soll möglichst lange reichen. Wir haben nicht viele besondere Gelegenheiten, jetzt aber ist meiner Ansicht nach eine, denn du hast die Flasche gefunden. Mutter?“

„Nein“, sagte sie. „Trinke du sie.“

„Es ist keine besondere Gelegenheit, wenn man allein trinken muß.“ Er entkorkte die Flasche und schnupperte. Impulsiv hob er sie an den Mund, nahm einen tiefen Schluck und leckte schmatzend die Lippen. „Mutter?“

„Nur einen kleinen Schluck.“

Er füllte eine flache Schale und sah zu, wie sie trank. Dann blickte er zögernd auf den Jungen.

„Jerry.“

Der Junge nahm die Flasche, trank einen Schluck und verzog das Gesicht. Er reichte dem Vater die Flasche zurück, und dieser verkorkte sie sorgfältig.

„Nun“, sagte er und rieb sich die Hände. „Nun.“ Er strahlte. „Wie viele Ratten hast du heute erwischt, Jerry?“

„Vier, und sie sind fett. Ich habe auch einen Zombi erwischt“, sagte der Junge ganz nebenbei.

Seine Mutter drehte sich mit bleichem Gesicht langsam um. „Oh, Jerry, sei vorsichtig. Was sollten denn dein Vater und ich tun, wenn dir etwas zustieße?“

„Ein wenig früher sterben“, murmelte der Vater. „Spielt das eine Rolle?“

Der Junge hob ein zerrissenes Buch auf und hielt es an das schwache Licht des Feuers, um zu lesen. Die Ratten brutzelten und zischten in der Pfanne, und jedes Mal, wenn er eine Seite umblätterte, blickte er auf und schnupperte hungrig. Er achtete nicht auf die Blicke seiner Eltern, die ihm Unbehagen verursachten. Sie blickten ihn an, als sei er ein Fremder. Gleichzeitig hatte auch er das Gefühl, als seien sie ihm fremd. Die beiden waren nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Schönheit der Mutter war vergangen, und aus dem einst mutigen Vater war ein Mann geworden, der bei jedem unerwarteten Geräusch zusammenzuckte und im Schlaf redete.

„Terry?“

„Ja, Ma.“

„Ich möchte, daß du dich von den Zombis fernhältst.“

„Die Burschen haben es verdient“, erklärte der Junge fest. „Sie haben doch Paul und Bill erwischt. Und Sue? Ich werde sie rächen, bis ich selbst an die Reihe komme.“

„John, sprich doch mit ihm.“

„Nein.“ Der Vater schüttelte den Kopf. Der Schluck Whisky hatte ihn belebt. Er saß auf dem Boden, hatte die Flasche in der Hand und studierte immer wieder das Etikett. „Nein. Es hat keinen Sinn mehr, zu leben. Warum sollte er nicht im Kampf untergehen! Es ist besser, als sich hier wie eine Ratte zu verstecken, bis die Zombis uns entdecken. Wenn ich nur aus diesem Loch herauskönnte, dann würde ich selbst noch einige töten.“

Hilflos hob die Mutter die Hände und wandte ihre Aufmerksamkeit den Ratten zu.

„Du hättest fliehen können, wenn ich nicht gewesen wäre“, sagte der Vater leise. „Ihr beide hättet entkommen können. Es wäre besser gewesen als hierzubleiben. Ich bin sicher, daß Jerry dann den Zombis auch schwer zu schaffen gemacht hätte. Die menschliche Rasse braucht Jungs wie ihn, die lernen, die Schiffe zu fliegen und die Waffen zu bedienen.“

„Ich glaube, es ist besser, wenn wir jetzt essen“, erklärte die Mutter nervös.

Heißhungrig machten sie sich über die Ratten her. Nachdenklich starrte der Junge in das in sich zusammensinkende Feuer. Warum mußten sie ein solches Leben führen. Es wäre doch schön gewesen, wenn man ein großes Feuer entfachen und sich die Nacht daran wärmen könnte. Brennmaterial gab es genug, aber Feuer waren leicht zu sehen. Der Rauch hätte vielleicht die Feinde angelockt.

Plötzlich waren über ihnen Geräusche zu hören — dumpfem Knallen folgte ein unheimliches Zischen. Mit einem Satz sprang Jerry auf. „Gasbomben! Schnell! Diesen Tunnel entlang.“ Wie rasend warf er Steine und Erde vor der Tunnelöffnung beiseite. „Du zuerst, Mutter. Eile dich, Vater.“

„Nein!“ John Corban winkte sie weg. „Geht ihr beide. Ich bin euch zu lange eine Last gewesen.“

Jerry lief in die Ecke und packte den Vater am Arm. „Wir haben nicht viel Zeit“, keuchte er und zerrte wild. Der Vater wehrte sich und stieß den Jungen beiseite. Schließlich packte die Mutter den Mann am anderen Arm, und gemeinsam zerrten sie ihn trotz seiner Abwehr zur Tunnelöffnung.

„Dort hinein — schnell!“

„Ich gehe nicht“, widersetzte John Corban sich entschlossen.

„Also gut. Wenn du bleibst, dann bleibe ich bei dir.“

Einen Augenblick lang starrte er sie wild an, dann drehte er sich um und kroch in den Tunnel. Mit den Armen arbeitete er sich vorwärts und zog die Beinstümpfe hinter sich her. Seine Frau folgte und suchte ihm zu helfen. Den Schluß bildete Jerry, der die Tunnelöffnung hinter sich schloß und eine möglichst feste Erdwand aufrichtete, die das Eindringen des tödlichen Gases in den Tunnel verhindern sollte.