Sobald er den Kopf bewegen konnte, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Raum zu, in dem er lag. Es gab nur wenig zu sehen. Eigentlich war es mehr eine Zelle. Klein, im Sechseck angelegt, ohne Türen und Fenster. Eine Ecke war abgeteilt, und seltsame Gegenstände waren durch eine halboffene Schiebetür zu sehen. Seltsam, ja, aber unverkennbar, es war ein Bad. Kurz unter der hohen Decke lief ringsum ein Gitter, von dem das Licht auszugehen schien und das, so überlegte er, wahrscheinlich auch der Lüftung und Beheizung des Zimmers diente.
Sein Essen wurde umgestellt. Er bekam jetzt keine Flüssigkeit mehr. Die Pflegerin umsorgte ihn nach wie vor mit größter Aufmerksamkeit, aber sie sprach nie ein Wort. Keiner der vielen Besucher gab einen Laut von sich, und die Stille wurde zur Qual. Das Gefühl für die Zeit ging ihm völlig verloren. Er konnte nicht mehr unterscheiden, ob es Tag oder Nacht war, sofern es diese auf dem Planeten gab, denn die bläulichen Lichtschleier im Zimmer waren immer von unveränderter Leuchtkraft.
Eines Tages überkam ihn ein Triumphgefühl, als es ihm gelang, sich zum erstenmal aufzurichten. Dieses Gefühl des Frohlockens wich aber rasch der Bestürzung, die er über sein Bett empfand. Als er sich aufrichtete, folgte das Bett unter ihm und stützte ihn in seiner neuen Lage. Zunächst erschien ihm das als großartige Erfindung, bis er unter sich blickte und erkannte, daß sein von Bandagen umhüllter Körper buchstäblich auf nichts ruhte.
Unter sich sah er auf dem Boden einen etwa zwei Meter langen, einen Meter breiten und einen Fuß hohen, kistenähnlichen Gegenstand stehen. Darüber aber war — nichts! Dennoch lag er behaglich einen Meter über dem Boden. Er tastete das Bett mit den Händen ab und bewegte sich hin und her. Jedes Mal paßte sich das Bett genau den Umrissen seines Körpers an.
Außer diesem Möbelstück war im Zimmer nur noch ein kleiner Tisch.
,Eine hochstehende Zivilisation’, dachte er. Bewundernswerte mechanische Geräte, die eine optimale Raumausnutzung gestatteten. Auch die Medizin war auf allerhöchstem Stand, und wahrscheinlich tötete das blaue Licht jegliche Bazillen und Bakterien ab. Schwitzen kannte man nicht mehr. „Zum Teufel“, fluchte er laut vor sich hin, „wenn ich jetzt nur noch wüßte, wie ich aus diesem Zimmer hinauskommen kann …“
Als er sich umdrehte, standen die beiden Ärzte neben dem Bett. Sie waren ihm jetzt schon vertraut geworden. Der eine war groß, mit hagerem Gesicht, auf dem ewig Trauer zu liegen schien. Der andere, etwas kleinere, hatte ein rundes Gesicht, auf dem für gewöhnlich überhaupt kein Ausdruck lag.
Gehorsam lehnte er sich zurück, und die Ärzte beugten sich über ihn und entfernten den Verband um seine Brust. Auch diesmal zeigte sich auf ihren Gesichtern ein Ausdruck des Abscheus.
Der letzte Verband fiel. Sie untersuchten seine Brust, und dann waren sie plötzlich verschwunden. Er richtete sich auf und starrte eine ganze Weile auf den Boden, auf dem sie eben noch gestanden hatten.
,Wenn sie nur etwas sagen wollten’, dachte er, ,dann wäre es noch nicht einmal so schlimm. Vielleicht könnte ich mir einige Worte ihrer Sprache aneignen und herausfinden, was eigentlich los ist und was ihnen solchen Abscheu bereitet. Ich wäre schon froh, wenn sie nicht mit mir, sondern nur miteinander sprächen.’
Wenn er in der Gesellschaft dieser Planetenbewohner bleiben mußte, dann würde er für immer ein Ausgestoßener sein. Das schien ihm gewiß, und wahrscheinlich würde er nie den Grund dafür herausfinden.
Bei der nächsten Visite der Ärzte schlief er. Sie weckten ihn, und rasch richtete er sich auf. Er spürte neue Kraft in seinem Körper, und ungeduldig erwartete er den Augenblick, bis er das Bett verlassen konnte. Wenn er beide nur hätte fragen können, wie lange es wohl noch dauere, bis er wieder auf seinen Beinen stehen könne.
Sie entfernten den Verband um den Kopf. Plötzlich stand ein junger Mann neben ihnen. Dieser Arzt hatte eine Maschine bei sich, die etwa die Größe eines durchschnittlichen Mannes hatte. Eine Vielzahl mehrfarbiger Skalenknöpfe und unverständlicher Vorrichtungen verwirrte Paul Corban. Der junge Arzt rollte die Maschine an das Bett und drückte einen glänzenden, helmähnlichen Gegenstand auf Corbans Kopf.
Furcht überfiel ihn, aber dann zwang er sich zur Ruhe. Sie hatten immerhin sein Leben gerettet. Was immer sie auch von ihm denken mochten, so hatten sie ihm doch die allerbeste Pflege angedeihen lassen. Es bestand keinerlei Grund, mißtrauisch zu werden.
Die Maschine summte. Der ältere Arzt zog sich in eine Zimmerecke zurück. Der Jüngere hantierte mit geschickten Fingern an den Knöpfen und Skalen der Maschine herum. Schmerz durchzuckte Corbans Kopf und wurde zur unausstehlichen Qual, so daß er schließlich das Bewußtsein verlor.
Als er die Augen wieder öffnete, war die Maschine verschwunden. Die Ärzte aber standen noch immer im Zimmer und warteten, als sei nichts Besonderes geschehen. Der Jüngere legte zwei schwarzweiß gestreifte Kugeln neben ihn auf das Bett. Sie sahen kleinen Ballons ähnlich. Corban berührte eine und vergewisserte sich, daß es tatsächlich Ballons waren. ,Soll wohl eine Belohnung für mein gutes Verhalten sein?’ überlegte er.
Der Gesichtsausdruck des jungen Arztes erregte Corbans Neugier. Eifrig, beinahe mit kindlicher Erwartung, betrachtete er Corban. Er bemerkte, daß er von Corban beobachtet wurde und schob die Ballons zur Seite. Corban verstand und folgte den Ballons mit dem Blick.
Einer hob sich langsam. Er schwebte vor Corbans Gesicht. In seiner Überraschung streckte Paul Corban die Hand danach aus und umspannte ihn. Der Ballon schwebte weiter und sank schließlich langsam auf das Bett.
Die Ärzte beobachteten Corban. Er seinerseits beobachtete sie, dann die Ballons und zuckte schließlich mit den Achseln. Vorsichtshalber unterließ er es, ein Wort zu sagen, da er ihre Reaktion auf den Klang seiner Stimme kannte.
Erneut schwebte ein Ballon ganz langsam aufwärts, bis er an die Decke stieß. Als er langsam wieder herabsank, hob sich der zweite. Vor Corbans Gesicht blieben beide in der Luft stehen. Impulsiv streckte Corban die Hand aus und stieß nach einem Ballon. Zu seiner Verwunderung spürte er einen Widerstand. Der Ballon schien fest mitten in der Luft verankert zu sein. Corban zog die Hand zurück und beobachtete weiter. Ein Ballon sank langsam auf das Bett. Der andere schwebte an die Decke. Dieses Spiel dauerte eine ganze Zeit.
Corban verstand zwar, daß die Ärzte etwas von ihm erwarteten, wußte aber nicht, was es war. Er ließ sich schließlich auf das Bett zurücksinken und starrte an die Decke. Als er nach einiger Zeit zur Seite blickte, stand wieder der junge Arzt mit der Maschine neben dem Bett.
Corban schob den Helm zur Seite. Er war zu allem entschlossen und hätte nötigenfalls auch dagegen gekämpft, daß ihm diese Miniatur-Folterkammer wieder auf den Kopf gesetzt wurde. Der junge Arzt versuchte es erneut und trat dann zurück. Er streckte eine Hand aus, und vor Corbans Gesicht zuckte ein grelles Licht auf, das ihm das Bewußtsein raubte.
Als er wieder erwachte, bohrten rasende Schmerzen in seinem Kopf. Die Maschine war verschwunden, die Ballons lagen neben dem Bett, und die Ärzte standen abwartend davor.
Dreimal wurde diese unsinnige Prozedur wiederholt. Corban sah verständnislos auf das Spiel der Ballons, und die Ärzte blickten erwartungsvoll auf ihn. Dann brachten sie jeweils die Maschine zurück ins Zimmer.
Schließlich verließen sie ihn aber, und er lag lange Zeit wach und überdachte, wie er seine Flucht bewerkstelligen könnte. Er wußte, daß die Ärzte mit den Ballons und der Maschine wieder zurückkommen würden, und allein der Gedanke daran erfüllte ihn mit Entsetzen.