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Allmählich trafen die Räte ein. Reihe um Reihe füllte sich. Der Direktor des Raxtinu legte fest die Hand auf Corbans Schulter.

„Jetzt gilt es, junger Mann. Von jetzt an sind Sie ganz auf sich allein gestellt.“

Corban nahm die Hand des Direktors und schüttelte sie fest. Auf einen Donirianer, der an geistige Kontakte gewohnt war, mußte dies bestürzend wirken, aber, der Direktor schien es zu verstehen. „Ich wünsche Ihnen viel Glück“, dachte er Corban zu.

„Gehen Sie weg?“

„Man hat mich nur als Zuschauer zugelassen. Es kann aber sein, daß man mich als Sachverständigen aufruft. Heute abend gibt es übrigens viele Zuschauer hier.“ Er verschwand.

Der Rat war jetzt vollständig versammelt. Auf einem Podest stand das Oberste Ratsmitglied, ein großer, hagerer, weißhaariger Mann. Er trug das Grün der donirianischen Armee. Über sein Gesicht flog ein verzerrtes Lächeln.

Nicht das geringste Geräusch erreichte Corbans Ohr. Sein Geist jedoch nahm ein wildes Durcheinander erregter Diskussionen auf. Plötzlich hörte aber auch das auf.

„Treten Sie vor, Paul Corban.“

Die Worte wurden gesprochen. Corban sah Abscheu auf den Gesichtern der Räte und unterdrückte ein Lächeln. Langsam trat er vor. Dann begab er sich mittels Teleportation in den Zeugenstand unterhalb des Podests.

Sein Geist nahm das Donnern erstaunter Ausrufe auf. Fluchen, Drohen und Schimpfworte erreichten ihn. Trotzig hob er den Kopf, aber sein Unbehagen wuchs. Er hatte Überraschung erwartet, aber nicht diesen überwältigenden Haß.

Das Oberste Ratsmitglied hob beide Hände, und es trat Stille ein. Der alte Mann hatte sich noch nicht von seiner Überraschung erholt. Sein Geist fragte zweifelnd: „Paul Corban?“

Corban blickte ihn fest an und verneigte sich steif. „Paul Corban“, erwiderte sein Geist.

Unsicher wandte sich der Führer des Obersten Rates ab und beriet sich mit den übrigen Mitgliedern. Dann wandte er sich wieder um, und eine Flut von Schimpfworten erreichte Corbans Geist. „Sie sind also Paul Corban. Ihr Betrug hat zwei Zivilisationen Krieg, ungeheure Materialverluste und entsetzliches Leiden gebracht. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?“

„Ich habe niemanden betrogen“, erklärte Corban.

„Sie haben unsere Mediziner getäuscht und sich für geistesschwach ausgegeben. Dennoch haben wir alle soeben gesehen, wie Sie Ihren Platz im Zeugenstand einnahmen, und wir haben auch alle gehört, daß Sie mit dem Geist und nicht mit dem Mund reden. Wenn Sie das keinen Betrug nennen, wollen Sie uns dann bitte Ihr ,ehrenhaftes’ Verhalten in dieser Angelegenheit erklären.“

Corbans Geist nahm zorniges Gelächter auf, das von den Galerien aufklang. Unbehaglich wartete Corban ab, bis es verstummte. Der Direktor hatte ihn gewarnt. „Es kann sein, daß man einen Sündenbock braucht. Seien Sie vorsichtig, daß man nicht Sie dazu stempelt.“

Auf einen Wink des Obersten Ratsmitglieds verstummte der Gedankentumult. „Wir warten auf Ihre Antwort, Paul Corban.“

„Ich bin als Fremder zu Ihnen gekommen“, erklärte Corban. „Ich bin nur deshalb gekommen, weil ich mich verirrt hatte und mein Schiff hier zerschellte. Hier aber behandelte man mich wie einen Ausgestoßenen und Geistesschwachen. Als ich von meinem Volk erzählte, schenkte man mir sofort Glauben, aber die Regierung mißbrauchte mein Vertrauen. Sie brachte über mein Volk Krieg und Verderben. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?“

In dem Gedankenschwall von Haß und Drohungen, der auf Corbans Geist einströmte, waren jetzt aber auch Worte der Ermutigung und der scharfen Kritik am Obersten Ratsmitglied zu vernehmen. Es war das erste Anzeichen für einen Riß im Obersten Rat.

Wut zeigte sich auf dem Gesicht des Führers des Obersten Rates. Scharf gebot sein Geist Schweigen. „Die Donirianer brechen keinen Krieg vom Zaun, es sei denn zu ihrer Verteidigung. Wir haben einen ruhmreichen Feldzug unternommen, um Ihr Volk zu befreien. Unserer edlen Gesinnung jedoch begegnete man von Seiten Ihres Volkes mit der barbarischen Wildheit von Tieren. Deshalb mußten wir uns verteidigen. Das ist doch ganz natürlich!“

Corbans Geist nahm das heftige Gewoge unter den Ratsmitgliedern mit den widerstreitendsten Ansichten auf. Der Führer des Obersten Rates hob erneut die Stimme und gebot Ruhe.

„Genug“, sagte er, „ich will mir die Zeugen für Ihren Betrug anhören.“

Die Zeugen wurden alle auf einmal aufgerufen. Ärzte aus dem Krankenhaus, in dem Corban nach seinem Unfall behandelt worden war, Dr. Alir und ihre Mutter, der Direktor des Raxtinu und einige andere Personen, die flüchtig mit Corban in Berührung gekommen waren, standen in einer Gruppe vor dem Obersten Rat. Bis in die kleinsten Einzelheiten wurde Corbans Leben bei den Donirianern rekonstruiert. Corban, dessen Augen unverwandt auf Dr. Alir ruhten, hörte kaum etwas.

Sie hatte abgenommen. Ihr Gesicht war bleich und ausdruckslos. Eine Hand war verbunden. Sie taumelte und wäre beinahe gestürzt, hätte ihre Mutter sie nicht mit fester Hand gestützt.

„Diese Teufel!“ knirschte Corban. Gleichgültig machte sie ihre Aussage, so, als habe sie sie bereits ungezählte Male gemacht. Stoisch lauschte der Oberste Rat ihren Worten, ohne einen Kommentar zu geben. Man stellte ihr auch keine Fragen. Anschließend gab der Direktor einen Bericht über die Heilung Corbans.

Auf die entsprechende Frage des Obersten Ratsmitglieds erklärte der Arzt, daß seiner Meinung nach Corban nichts vorgetäuscht hatte und bezeichnete seine Heilung als ein medizinisches Wunder.

Die Zeugen wurden entlassen. Corban wurde gefragt, ob er noch etwas vorzubringen habe. Spöttisch erwiderte Corban den hochmütigen, starren Blick des alten Mannes.

„Wie viele Menschen meines Volkes sind in diesem Krieg gefangengenommen worden?“ fragte er.

Er erhielt keine Antwort.

„Tausende? Millionen?“

Keine Antwort.

„Der Führer des Obersten Rates weiß es sehr wohl“, sagte Corban. „Er weiß auch, daß all diese Gefangenen dieselben Geistesschwächen, wie Sie es nennen, besitzen, wie ich sie bei meiner Ankunft auf diesem Planeten aufwies. Er weiß es, und dennoch mißbraucht er sein hohes Amt dazu, die Wahrheit für seine üblen Ziele zu verdrehen.“

Corban machte eine Pause. Nicht der geringste Gedanke unterbrach die Stille. Der Führer des Obersten Rats stand wie zu Stein erstarrt und kämpfte sichtlich darum, seine Wut zu unterdrücken.

„Es war ein geistig unvollkommenes Volk, das Ihre Flotten zerstört und zahllose Soldaten auf Willar tödlich getroffen hat“, fuhr Corban fort. „Mein Volk wird nicht immer so sein. Was mir zugestoßen ist, kann auch bei anderen Menschen meiner Rasse geschehen, und dann wird unsere Rache schnell und schrecklich über die Welt der Donirianer hereinbrechen. Bei meinem Volk gibt es ein Sprichwort, das lautet: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Das möchte ich verhindern. Nicht etwa, um eine Regierung zu retten, die mich und mein Volk so grausam behandelt hat, sondern um zu verhindern, daß zwei große Zivilisationen sich gegenseitig vernichten.“

Der Führer des Obersten Rats wandte sich ab. Er beriet sich mit seinen Ministern. Lange zögerte er, als suche er die Stimmung des Obersten Rats abzuwägen. Dann faßte er einen Entschluß. Er hob beide Hände und sagte feierlich: „Der Führer des Obersten Rats stimmt für die Todesstrafe.“

Corban trat einen Schritt zurück. Er wollte widersprechen, aber es gelang ihm nicht, das lastende geistige Schweigen zu durchdringen, das drohend über ihm hing.

Resigniert setzte er sich. Das hätte er eigentlich erwarten und wissen sollen, als sie ihn als Angeklagten bezeichneten. Wenn schon ein Sündenbock gebraucht wurde, dann war er am besten dazu geeignet. Aber wenn der Krieg dadurch beendet werden konnte, daß man ihm die ganze Schuld zuschrieb, dann wollte er nicht protestieren. Hatte er sich nicht selbst oft genug die Schuld gegeben? Wenn er nur gewiß sein könnte, daß sein Tod das Ende des Krieges bedeutete …