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Am nächsten Morgen zogen sie weiter. Den ganzen Tag ging es durch den Wald, der nach allen Seiten hin gleich aussah. Erst als es wieder Abend wurde, merkten sie, daß sie offenbar in einem großen Kreis geritten waren, denn sie stießen wieder auf die Burgruine, von der aus sie aufgebrochen waren. Nur hatten sie sich ihr diesmal von einer anderen Seite genähert.

»Das ist mir noch nie passiert!« sagte Hýkrion und zwirbelte seinen schwarzen Schnauzbart.

»Ich trau' meinen Augen nicht!« meinte Hýsbald und schüttelte seinen Rotkopf.

»Kann überhaupt nicht sein!« brummte Hýdorn und stakste auf seinen langen, dürren Beinen in die Burgruine hinein.

Aber es war so, die Reste der Mahlzeit vom Vortage bewiesen es.

Auch Atréju und Fuchur konnten sich nicht erklären, wie sie sich so hatten irren können. Aber sie schwiegen beide.

Beim Abendessen - diesmal war es Hasenbraten und von Hýkrion einigermaßen eßbar zubereitet - fragten die drei Ritter, ob Bastian nicht Lust hätte, ein wenig aus dem Schatz seiner Erinnerungen an die Welt, aus der er kam, zu erzählen. Aber Bastian entschuldigte sich damit, daß er Halsweh habe. Da er den ganzen Tag über schweigsam gewesen war, hielten die Ritter diese Ausrede für wahr. Sie gaben ihm ein paar gute Ratschläge, was er dagegen tun solle, und legten sich dann schlafen.

Nur Atréju und Fuchur ahnten, was in Bastian vorging.

Wieder brachen sie am frühen Morgen auf, zogen den ganzen Tag durch den Wald und gaben sorgfältig acht darauf, eine bestimmte Himmelsrichtung einzuhalten - und als der Abend kam, standen sie wieder vor der Burgruine.

»Da soll mich doch dieser und jener!« polterte Hýkrion los.

»Ich werd verrückt!« stöhnte Hýsbald.

»Freunde«, sagte Hýdorn trocken, »wir können unseren Beruf an den Nagel hängen. Wir taugen nicht zu fahrenden Rittern.«

Bastian hatte schon am ersten Abend eine besondere Nische für Jicha gefunden, weil sie es gern mochte, ab und zu ein wenig ganz für sich zu sein und ihren Gedanken nachzuhängen. Die Gesellschaft der Pferde, die unter sich von nichts anderem sprachen als von ihrer jeweiligen vornehmen Herkunft und ihren edlen Stammbäumen, störte sie dabei. Als Bastian die Mauleselin an diesem Abend an ihren Platz brachte, sagte sie:

»Herr, ich weiß, warum wir nicht mehr weiterkommen.«

»Woher willst du das wissen, Jicha?«

»Weil ich dich trage, Herr. Wenn man nur ein halber Esel ist, dann fühlt man dabei alles mögliche.«

»Und was ist der Grund, nach deiner Meinung?«

»Du wünschst dich nicht mehr weiter, Herr. Du hast aufgehört, dir etwas zu wünschen.«

Bastian schaute sie überrascht an.

»Du bist wirklich ein weises Tier, Jicha.«

Die Mauleselin wippte verlegen mit ihren langen Ohren.

»Weißt du eigentlich, in welcher Richtung wir uns bisher immer bewegt haben?«

»Nein«, sagte Bastian, »weißt du es?«

Jicha nickte.

»Bis jetzt sind wir immer auf die Mitte Phantásiens zugegangen. Das war unsere Richtung.«

»Auf den Elfenbeinturm zu?«

»Ja, Herr. Und wir sind gut vorangekommen, solang wir sie einhielten.«

»Das kann nicht sein«, meinte Bastian zweifelnd, »Atréju hätte es gemerkt und Fuchur erst recht. Aber beide wissen nichts davon.«

»Wir Maulesel«, sagte Jicha, »sind einfältige Geschöpfe und können uns ganz gewiß nicht mit Glücksdrachen vergleichen. Aber ein paar Dinge gibt es, Herr, die wir wissen. Und dazu gehört immer die Richtung. Das ist uns angeboren. Wir irren uns nie. Deshalb war ich sicher, daß du zur Kindlichen Kaiserin wolltest.«

»Zu Mondenkind…«, murmelte Bastian, »ja, ich möchte sie wiedersehen. Sie wird mir sagen, was ich tun soll.«

Dann streichelte er die weiche Schnauze der Mauleselm und flüsterte:

»Danke, Jicha, danke!«

Am nächsten Morgen zog Atréju Bastian beiseite.

»Hör zu, Bastian, Fuchur und ich, wir müssen uns bei dir entschuldigen. Der Rat, den wir dir gegeben haben, war gut von uns gemeint - aber töricht. Seit du ihn befolgt hast, geht unsere Reise nicht mehr weiter. Wir haben heute nacht lange darüber gesprochen, Fuchur und ich. Du wirst von hier nicht mehr fortkommen, und wir mit dir, solange du dir nicht wieder etwas wünschst. Es ist unvermeidlich, daß du dadurch noch mehr vergißt, trotzdem bleibt nichts anderes übrig. Wir können nur hoffen, daß du doch noch rechtzeitig den Rückweg findest. Wenn wir hier bleiben, ist dir ja auch nicht geholfen. Du mußt von der Macht AURYNS Gebrauch machen und deinen nächsten Wunsch finden.«

»Ja«, sagte Bastian, »Jicha hat mir dasselbe gesagt. Und ich weiß ihn auch schon, meinen nächsten Wunsch. Komm mit, denn ich will, daß alle ihn hören sollen.«

Sie kehrten zu den anderen zurück.

»Freunde«, sagte Bastian laut, »bisher haben wir vergebens nach dem Weg gesucht, der mich in meine Welt zurückbringen kann. Ich fürchte, wenn wir so weitermachen, werden wir ihn nie finden. Deshalb habe ich beschlossen, die einzige Person aufzusuchen, die mir darüber Auskunft geben kann. Das ist die Kindliche Kaiserin. Ab heute ist das Ziel unserer Reise der Elfenbeinturm.«

»Hurra!« schrien die drei Herren wie aus einem Mund.

Aber Fuchurs bronzene Stimme dröhnte dazwischen:

»Laß davon ab, Bastian Balthasar Bux! Was du willst, ist unmöglich! Weißt du denn nicht, daß man der Goldäugigen Gebieterin der Wünsche nur ein einziges Mal begegnet? Du wirst sie nicht wiedersehen!«

Bastian richtete sich hoch auf.

»Mondenkind verdankt mir sehr viel!« sagte er gereizt, »ich kann mir nicht denken, daß sie sich weigern wird, mich zu empfangen.«

»Du wirst noch lernen«, gab Fuchur zurück, »daß ihre Entscheidungen bisweilen schwer zu begreifen sind.«

»Du und Atréju«, antwortete Bastian und fühlte, wie ihm der Zorn in die Stirn stieg, »wollt mir dauernd Ratschläge geben. Ihr seht ja selbst, wohin es uns geführt hat, daß ich eurem Rat gefolgt bin. Jetzt werde ich selber entscheiden. Ich habe schon entschieden, und dabei bleibt es jetzt.«

Er holte tief Luft und fuhr etwas gelassener fort:

»Außerdem geht ihr immer von euch aus. Aber ihr seid Geschöpfe Phantásiens, und ich bin ein Mensch. Woher wollt ihr wissen, daß für mich das gleiche gilt wie für euch? Als Atréju AURYN trug, war es anders für ihn, als es für mich ist. Und wer soll Mondenkind denn das Kleinod zurückgeben, wenn nicht ich? Man begegnet ihr kein zweites Mal, sagst du? Aber ich bin ihr ja schon zweimal begegnet. Das erste Mal haben wir uns für einen Augenblick gesehen, als Atréju bei ihr eintrat, und das zweite Mal, als das große Ei explodierte. Für mich ist alles anders als für euch. Und ich werde sie zum drittenmal sehen.«

Alle schwiegen still. Die Herren, weil sie nicht verstanden, worum die Auseinandersetzung eigentlich ging, und Atréju und Fuchur, weil sie tatsächlich unsicher geworden waren.

»Ja«, sagte Atréju schließlich leise, »vielleicht ist es so, wie du sagst, Bastian. Wir können nicht wissen, wie die Kindliche Kaiserin sich dir gegenüber verhalten wird.«