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Der Mann schüttelte den Kopf und wich weiter zurück.

Der Anführer hatte sich für den Aggressor gehalten. Er hatte mich als ängstlich eingeschätzt. Er hatte es für sein Vorrecht gehalten, den ersten Schlag zu führen. Der Stich der von der Seite geführten Klinge, die sauber zwischen zwei Rippen vorbei bis zu seinem Herz geführt und sofort wieder zurückgezogen worden war, hatte ihn völlig überrascht.

Dann schien der Boden wieder zu dröhnen, aber diesmal wallte auch Staub auf.

Ich wollte den Söldner vor mir nicht aus den Augen lassen.

Der Söldner, den Marcus in Schach hielt, stieß einen furchterfüllten Schrei aus. Dann blickte sich mein Gegner wild um, wandte mir den Rücken zu und ergriff die Flucht.

Aus der Staubwolke hinter mir erscholl eine Stimme. Sie rief »Tarsk!«, ein Befehl, den man oft bei der Tarskjagd hört, ein Signal, das Tier niederzureiten, damit man ihm dabei die Lanze in den Rücken oder die Seite stoßen kann. Aber das wurde mir erst richtig bewußt, nachdem der Boden direkt neben mir erzittert und ich zur Hälfte herumgefahren und dabei beinahe von einem Sattel-Tharlarion umgestoßen worden war, während sich eine Lanzenspitze zwischen die Schulterblätter des flüchtenden Söldners bohrte, der im nächsten Augenblick von dem Tharlarion niedergeritten wurde. Die Echse drehte sich in einer Staubwolke um, ihr Reiter hob die blutige Lanze.

»Männer aus Ar, wir grüßen euch!« sagte Marcus und hob die Hand. Er hatte das Schwert weggesteckt. Sein Gegner lag verstümmelt im Staub, ebenfalls von einer Lanze niedergestreckt. In dem Staub und dem Blut konnte man die blaue Farbe des um seinen Oberarm gewickelten, Zugehörigkeit signalisierenden Tuches nur noch mit Mühe ausmachen.

»Steck dein Schwert weg!« rief Marcus mir zu.

Ich tat es. Es waren etwa zehn Männer, die alle auf Tharlarion ritten. Fünf trugen Armbrüste. Drei davon waren auf Marcus gerichtet, zwei zielten auf mich.

»Senkt eure Armbrüste«, rief Marcus.

Die Waffen blieben, wo sie waren.

»Wir sind in Sicherheit«, sagte Marcus zu mir. »Das sind Männer aus Ar.«

Ich war davon nicht überzeugt, und wäre Marcus älter und erfahrener gewesen, wäre er es ebenfalls nicht gewesen. Sicher, sie trugen die Uniform von Ar. Aber für eine Patrouille befanden sie sich ziemlich weit nördlich. Natürlich war es durchaus möglich, daß es sich um Fernaufklärer handelte. Vielleicht hatte der Hauptteil des Heeres das Winterlager verlassen und marschierte nun auf den Vosk zu. In diesem Fall war diese Patrouille nicht so weit von ihrer Basis entfernt, wie es den Anschein hatte. Den besten Beweis, daß diese Männer tatsächlich aus Ar kamen, lieferte natürlich die Tatsache, daß sie die Söldner ohne zu zögern gnadenlos niedergeritten hatten. Die blauen Insignien hatte sie eindeutig als Männer von Cos identifiziert.

»Wir danken euch, daß ihr uns zu Hilfe gekommen seid«, sagte Marcus. »Ruhm und Ehre für Ar!«

»Ruhm und Ehre für Ar!« wiederholten vier oder fünf der Reiter.

Ihr Anführer schien jedoch nicht auf Marcus’ Worte zu reagieren. Er sah müde aus. Er war staubbedeckt. Das Halstuch hing um seinen Hals. Für gewöhnlich schiebt man es vor einem Kampf herunter, damit Befehle nicht gedämpft ertönen und man freier atmen kann. Seine Kapuze war ebenfalls zurückgeworfen.

Auch das war eine normale Verhaltensweise vor einem Kampf, weil so das Sichtfeld vergrößert werden soll. Er sah Marcus mißtrauisch an.

Sowohl Männer wie Tiere waren staubbedeckt. Die Männer sahen hager und erschöpft aus. Ich fürchtete, daß sie weit von ihrer Basis entfernt waren. Während das Heer in seinem gemütlichen Lager überwintert hatte und seine Soldaten dabei vermutlich dick und fett geworden waren, hatten Männer wie diese Ranger, Kundschafter oder Fourageure mehr als genügend Strapazen und Gefahren auf sich genommen, hatten mehr als nur einmal Kontakt mit dem Feind gehabt, mehr als nur einmal an den Scharmützeln teilgenommen, die in dem Niemandsland zwischen den Heeren stattfanden. Ich sah in ihren Gesichtern, daß diesen Männern Krieg und Mühsal nicht fremd waren. Sie hatten Situationen erlebt, in denen nur der Schnelle, Skrupellose und Unerbittliche überlebt.

»Ich bin Marcus Marcellus, von den Marcelliani!« sagte Marcus.

Im Blick des Anführers regte sich kein Erkennen; zumindest konnte ich keines sehen.

»Aus Ar-Station!« verkündete Marcus.

»Renegaten«, sagte einer der Reiter.

»Bringt uns zu Saphronicus, dem Kommandanten vor Holmesk!« sagte Marcus. »Wir sind Spione! Wir kommen aus dem cosischen Lager. Wir haben Informationen!«

»Und ob das Spione sind«, sagte ein anderer Reiter.

»Bringt uns zu Saphronicus!« wiederholte Marcus.

Einer der Männer spukte aus. »Verräter!«

»Sleen aus Ar-Station!«

»Wir Bürger von Ar-Station sind keine Verräter!« rief Marcus wütend aus.

»Die Cosianer haben sich den Zugang zu Ar-Station erkauft, mit Bestechung!«

»Nein!« rief Marcus.

»Es gehört jetzt zu Cos.«

Marcus schüttelte den Kopf.

»Und ihr beiden seid Spione!«

Der Anführer sah mich an. »Kommst du auch aus Ar-Station?«

»Nein.«

»Und woher dann?«

Es gefiel mir keineswegs, diesen Männern eine solche Auskunft zu geben, andererseits schien es wenig zu bringen, es ihnen zu verheimlichen.

Ich sagte: »Ich komme aus Port Kar, dem Juwel des schimmernden Thassa!«

»Das ist ja noch schlimmer als Ar-Station!« lachte einer der Reiter. »Eine Zuflucht für Halsabschneider und Piraten!«

»Port Kar hat einen Heimstein«, sagte ich.

»Bringt uns zu Saphronicus!« verlangte Marcus wütend. »Wenn wir tatsächlich Spione für die andere Seite wären, warum haben uns die Cosianer, von denen mein Kamerad vor eurem Eintreffen einen getötet hat, dann bedroht?«

»Auf diese Weise wolltest ihr unser Mißtrauen ausschalten«, sagte der Anführer. »Vielleicht waren das nur Strohmänner, die getötet werden sollten, um uns von eurer Ehrlichkeit zu überzeugen.«

»Ich weigere mich, weiterhin mit Untergebenen zu debattieren«, sagte Marcus. »Anhand der Autorität meines Offizierrangs in den Streitkräften von Ar-Station, einer Kolonie des Stadtstaates Ar, befehle ich euch, uns nach Holmesk zu Saphronicus zu bringen, eurem Kommandanten. Und zwar so schnell wie möglich. Weigert ihr euch, so tragt ihr die volle Verantwortung.«

»Saphronicus ist nicht in Holmesk«, erwiderte der Anführer.

Marcus sah ihn bestürzt an.

»Das Winterlager wurde aufgelöst?« fragte ich.

»Ar marschiert«, verkündete einer der Reiter stolz. »Nach Westen.«

»Auf Brundisium zu?« fragte Marcus ungläubig.

Der Anführer nickte.

Ich vermied jede Gefühlsregung, aber auch ich war von dieser Nachricht verblüfft. Diese Marschrichtung würde die Arer nicht zu den Cosianern führen, zumindest nicht auf dem direkten Weg. Vielleicht planten sie, die cosischen Truppen von Brundisium abzuschneiden. Das würde einen Sinn ergeben.

»Wir kommen aus dem Heerlager von Cos«, sagte Marcus, »wo wir unter großem persönlichen Risiko für Ar spioniert haben. Wir haben Informationen. Ich weiß nicht, welchen Wert diese Informationen haben. Diese Entscheidung sollte man Saphronicus überlassen. Bringt uns zu ihm.«

Der Anführer raunte zwei seiner Reiter etwas zu. Sie stiegen ab.

»Was soll das!« protestierte Marcus wütend, als einer von ihnen hinter ihn trat, ihm die Hände auf den Rücken riß und Handschellen zuschnappen ließ. Mit mir verfuhr man ebenso. Sie nahmen uns die Schwertgürtel, Waffen und Kleidung ab. Dann warfen zwei Reiter Leinen aus Leder auf den Boden, die in Kragen endeten. Man legte uns die Kragen an, während die anderen Enden der Leinen an den Sattelknäufen befestigt wurden.

»Auf dem Hügel befinden sich noch ein paar Dinge, die uns gehören«, sagte ich und deutete auf mein kleines Lager.

Der Anführer gab ein Zeichen. Einer seiner Männer stieg den Hügel hinauf und kam einen Augenblick später mit unserem Marschgepäck zurück. Man band es mit unseren anderen Besitztümern zusammen und warf sie einem Tharlarion um den Hals.