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Langsam und anmutig senkte sie den Schleier.

Ich betrachtete sie.

»Bin ich nicht wunderschön?«

»Falls wir uns je noch einmal begegnen sollten, werde ich dich nun wiedererkennen können.«

»Du hast mich reingelegt!«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Wachen!« schrie sie wütend, während sie an dem Schleier herumzerrte und ihn wieder befestigte. Soldaten eilten auf sie zu. Sie zeigte auf mich. »Es ist wahr«, rief sie. »Er ist ein Spion, ein Sleen aus Cos. Er will aufwieglerische Gedanken unter den Truppen verbreiten. Gebt ihm zehn Hiebe!«

»Wird erledigt, meine Lady«, sagte Plenius.

»Danach soll er geknebelt werden.«

»Jawohl, Lady.«

Ein anderer Soldat machte sich bereits an meinen Handschellen zu schaffen. Einen Augenblick später waren mir die Hände vor den Bauch gefesselt.

Dann pfiff auch schon die Peitsche durch die Luft.

7

»Bleib stehen!« flüsterte der Soldat vor mir und streckte die Hand aus.

Ich gehorchte. Das aus drei Baumstämmen gezimmerte Floß, das ich mit Hilfe eines Jochs zog, trieb langsam näher heran; das Geschirr sackte ins Wasser. Einen Augenblick später stießen die Baumstämme unterhalb des Jochs sanft gegen meinen Rücken. Überall um mich herum wurden Waffen gezogen.

Die Barke des Hauptmanns schwamm zu meiner Rechten. Er stand ganz vorn, von seinen Männern umringt. Der Soldat auf der Aussichtsplattform kauerte sich zusammen.

»Jetzt haben wir sie, Jungs«, flüsterte der Hauptmann den Männern zu, die zwischen dem Floß und der Barke im Wasser wateten. Er gab ein Zeichen. Unteroffiziere schickten ihre Männer los.

Ein Arm legte sich um meinen Hals, und das Joch und hielt mich an Ort und Stelle fest. Eine Messerklinge berührte meine Haut. »Keine Bewegung«, warnte mich Plenius, der bäuchlings auf dem Floß lag. Sie brauchten nicht zu befürchten, daß ich einen Warnschrei ausstieß, denn man hatte mich geknebelt. Doch sie wollten nicht das geringste Risiko eingehen, daß ich irgendwie Lärm schlug, indem ich das Joch gegen das Floß schlug oder Wasser aufspritzen ließ.

Reihen von Soldaten wateten an mir vorbei. Auf der anderen Seite konnte ich weitere Marschreihen sehen, sobald sie hinter der Barke hervortraten. Einige begaben sich direkt in das Schilf, andere umkreisten es links. Vermutlich geschah auf der rechten Seite das gleiche.

Tagelang waren wir immer tiefer in das Delta eingedrungen, auf der Jagd nach den Cosianern. Dabei hatten wir die geheimnisvolle Barke, die nicht aus Ar kam, immer wieder vor uns gesichtet. Sie war, ob zu recht oder unrecht, so etwas wie ein Symbol geworden, ein Zeichen der Cosianer, des verfolgten Feindes. Zog man die Haltung der Arer in Betracht, war es von einem nüchternen militärischen Standpunkt aus gesehen nur natürlich, die Barke mit den Cosianern in Verbindung zu bringen und von der Annahme auszugehen, daß es sich um einen Frachter oder ein Boot der Nachhut handelte. Die Tatsache, daß es so schwerfiel, sie einzuholen, unterstützte diese Vermutung nur noch.

»Na los, du Sleen«, flüsterte Plenius mir ins Ohr und drückte mit dem Messer fester zu, »versuch deine Freunde zu warnen. Los!«

Ich regte keinen Muskel.

»Bald werden Ars Schwerter das Blut der cosischen Sleen trinken.«

Ich spürte das Messer an der Kehle.

Ich bewegte mich nicht.

Lautlos wateten weitere Soldaten vorbei.

»Aus diesem Grund wurdest du ins Delta gebracht«, sagte er, »damit du mit eigenen Augen das Scheitern deiner Spionageversuche und die Vernichtung deiner Freunde siehst.«

Ich hielt still.

»Andererseits würdest du als Spion wahrscheinlich sowieso nicht versuchen, sie zu warnen. Dafür wärst du zu schlau. Spione sind viel mehr um ihre eigene Haut besorgt.« Er kicherte. »Aber deine Haut, Sleen aus Cos, gehört nun Ar. Haben Joch und Geschirr dir das noch nicht verraten?«

Ich bewegte mich nicht, denn ich hatte die Befürchtung, er könnte in seiner Aufregung mit dem Messer abrutschen, wenn das Angriffssignal gegeben wurde.

»Deine Haut, Spion, gehört Ar, wie eine Sklavin ihrem Herrn.«

Das Signal würde gleich gegeben werden, ich konnte es spüren. Mittlerweile mußten die Soldaten in Stellung gegangen sein.

»Möchtest du nicht doch versuchen zu entkommen?«

Das Messer an meiner Kehle war von der üblichen goreanischen Schärfe. Dann drehte Plenius die Klinge ein wenig, so daß ich ihre Fläche spürte. Fast im gleichen Augenblick hörte ich die Kriegsrufe Ars und die Bewegungen einer großen Zahl von Männern – es mußten Hunderte sein –, die vorwärts stürmten, auf die Barke zu. Die flache Seite des Messers drückte gegen meinen Hals, als Reaktion auf den Lärm im Sumpf. Nach dem nächsten Lidschlag wurde die Klinge wieder gedreht, und die Schneide lag wieder an meiner Kehle.

»Ruhig, ganz ruhig«, sagte Plenius.

Ich bewegte mich nicht.

Aber von vorn kamen keine Kampfgeräusche, kein Stahl traf klirrend aufeinander, keine Stimmen flehten um Gnade.

Wir hörten, wie die Männer auf die Barke losgingen.

Plenius’ Messer blieb noch einige Zeit lang an meinem Hals. Sollten flüchtende Cosianer durch den Sumpf auf uns zustürmen, wollte er mir wohl die Kehle durchschneiden. Auf diese Weise konnte er sowohl meine Flucht verhindern als auch die Hände frei haben, um sich gegen den Feind zu verteidigen oder sich ihm entgegenzustellen.

Aber Augenblicke später nahm er das Messer weg und stand verblüfft da.

Keine Flüchtlinge brachen durch das Rence.

Mich überraschte das nicht im mindesten.

Ein paar Ehn später brach dann doch ein schlammbespritzter Soldat aus dem Schilf. Er hatte seine Waffe noch nicht weggesteckt. »Bringt den Gefangenen her«, befahl er.

Plenius legte mir eine Seilschlinge um den Hals und befreite mich dann von dem Geschirr. Das Floß wurde auf eine kleine Sandbank geschoben, damit es nicht abtrieb.

»Geh voraus!« befahl er.

Ich bahnte mir einen Weg durch das Schilf. Nach wenigen Metern standen wir vor der flachen, abgedeckten Barke. Viele Männer standen im Wasser darum herum. Mittlerweile waren auch einige der kleinen Boote eingetroffen. Die Barke war auf eine niedrige Sandbank gelaufen und steckte fest. In einer Ahn würde sie wieder schwimmen, oder sogar noch früher, falls der Wind drehte oder sich die Strömung änderte.

»Komm an Bord«, sagte der Hauptmann, der an Deck stand. Ich kannte ihn nur vom Sehen.

Ich blickte über den Knebel hinweg zu ihm hinauf.

Jemand versetzte mir von hinten einen Stoß. Männer griffen zu, packten mich unter den Armen. Andere schoben. Man zog mich an Bord, Plenius, der die Leine nicht losließ, folgte mir.

Das kleine, schräge Fenster in Hecknähe auf der Backbordseite der Barke war eingedrückt. Die Kabinentür, zu der zwei oder drei Stufen nach unten führten, stand offen.

Der Hauptmann musterte mich.

Ich kniete nieder.

»Entfernt den Knebel«, befahl er.

Es tat gut, das schwere, feuchte Stoffknäuel aus dem Mund zu haben.

»Einige sagen, du würdest dich im Delta auskennen«, sagte er zu mir.

»Ich bin kein Rencebauer«, erwiderte ich. »Wenn jemand das Delta wirklich kennt, dann nur sie. Ich komme aus Port Kar.«

»Aber du warst schon einmal im Delta.«

»Ja.«

»Sind dir da solche Barken begegnet?«

»Ja, natürlich.«

Er wandte sich Plenius zu. »Wickel die Leine um das Joch. Ich übernehme ihn.«

Plenius, mein Bewacher, gehorchte.

»Komm mit!« befahl der Hauptmann dann.

Ich erhob mich auf die Füße. Mit einem schweren Joch, einem Bestrafungsjoch, kann das äußerst mühsam, aber bei dem leichten Arbeitsjoch, das ich auf den Schultern trug, war es kein Problem. Ich senkte den Kopf und folgte dem Offizier durch die schmale Tür die Stufen hinunter ins Innere der Kabine. Seine Miene machte jedem klar, daß uns keiner folgen sollte.