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In der Kabine war es nicht völlig dunkel, da die Fenster an den Seiten aufgebrochen waren, einige davon vermutlich schon vor langer Zeit. Aber ich hatte keinen Zweifel, daß die Männer von Ar in ihrer Angriffswut die Tür eingetreten und die restlichen Fenster eingeschlagen hatten. Ich sah mich im Halbdunkel in der großen Kabine mit der niedrigen Decke um.

»Ein großer Sieg«, meinte ich.

Bis auf ein paar Bänke und andere Nebensächlichkeiten war die Kabine leer. Es lag viel Staub am Boden. Es gab kein Anzeichen, daß sich hier in der letzten Zeit jemand aufgehalten hatte.

»Ich verstehe das nicht«, sagte der Hauptmann. »Wo sind die Cosianer?«

»Hast du die Besatzung befragt?«

»Es gab keine Besatzung«, erwiderte er wütend.

Ich schwieg. Das hatte ich auch nicht angenommen. Hätte es sie gegeben, wäre es sehr unwahrscheinlich gewesen, daß das Schiff auf Grund lief, vor allem, wo doch die Verfolger in der Nähe waren. Die Soldaten marschierten am Tag, in großer Zahl. Sie waren fremd im Delta. Sie bewegten sich nicht mit der Lautlosigkeit von Rencebauern.

»Vielleicht hat es eine Besatzung gegeben, vielleicht hatten sie nicht genug Zeit, die Barke von der Sandbank zu bekommen.«

»Aber es gibt nur sehr wenige Hinweise darauf, daß hier überhaupt eine Besatzung gelebt hat«, sagte ich. Sicher, ein paar Männer hatten die Barke mit ihren Stangen fortbewegt. Aber selbst davon gab es keine Spuren, zumindest nicht in der Kabine.

»Wo sind die Cosianer?« wollte er wissen.

Ich sah mich in der staubigen Kabine um. »Hier jedenfalls nicht.«

»Wir haben diese Barke tagelang verfolgt«, sagte er wütend. »Jetzt haben wir sie eingeholt. Und sie ist leer!«

»Meiner Meinung nach war sie seit Wochen leer.«

»Unmöglich!«

»Ich halte sie einfach für eine aufgegebene Barke«, sagte ich. »So etwas kommt im Delta vor.«

»Nein«, sagte er. »Sie gehört zur cosischen Nachhut.«

»Vielleicht.«

»Oder es ist einer ihrer Truppentransporter, den man aufgegeben hat.«

»Auch das ist möglich«, bestätigte ich.

Er ging zu einem der kleinen Fenster und sah wütend hinaus.

»Allerdings ist das eine seltsame Wahl für einen Frachtkahn, findest du nicht?«

»Was willst du damit sagen?«

»Du kommst nicht aus diesem Teil des Landes, nicht aus dem Delta oder vom Vosk oder Port Kar.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Sieh dir das Fenster einmal genauer an, den Fensterladen.«

Er betrachtete den eingeschlagen Fensterladen, der herunterhing.

»Und?«

»Die Stellung des Hebels.«

»Ja, und?«

»Das Fenster konnte nicht von innen geöffnet werden«, sagte ich. »Nur von außen.«

Der Hauptmann zuckte mit den Schultern.

»Zieht man einmal die Tiefe des Kabinenbodens in Betracht, konnte man im Sitzen nicht aus den Fenstern sehen, nicht einmal wenn sie geöffnet waren. Es ist höchstens ein Stück Himmel zu sehen.«

»Ich verstehe«, sagte er mürrisch.

»Und wenn der Laden geschlossen war, war es stockfinster in der Kabine. Du kannst dir sicher vorstellen, wie es bei geschlossenen Läden hier drin war, die Hitze, die stickige Luft.«

»Natürlich.«

»Sieh dir auch einmal die Bänke genauer an.«

»Ich verstehe«, sagte er bitter.

»Du oder ich würden sie unbequem niedrig finden«, sagte ich, »aber für Leute mit kürzeren Beinen wären sie in Ordnung.«

Er nickte.

»Und hier und dort, siehst du die Halterungen für Fußklemmen und an den Armlehnen die Handklemmen?«

»Aber nur für ziemlich kleine Fuß- und Handgelenke.«

»Das stimmt. Und dort siehst du noch das Eisengeschirr zum Befestigen der Halshölzer. Barken dieser Bauweise werden in den Kanälen von Port Kar benutzt, und im Delta, und zwar für den Transport von Sklavinnen.«

»Ja, du hast recht.«

»Natürlich benutzt man solche Frachtkähne auch anderswo.«

»Im Süden transportieren wir Sklaven mit Hauben über dem Kopf oder in verhüllten Käfigen.« Der Hauptmann schritt wütend vom Fenster weg und betrachtete die Bänke. Bei einigen war der Lack abgeblättert. Diese Barke hatte offensichtlich einst oft das Delta befahren, vermutlich im Pendelverkehr zwischen Port Kar und Turmus und Ven. Sklavinnen werden meistens nackt transportiert.

»Also haben wir Tage damit verschwendet, eine Sklavenbarke zu verfolgen«, stellte der Hauptmann erbittert fest.

»So sieht es aus.«

»Also müssen die Cosianer noch immer vor uns sein.«

Ich schwieg. Das kam mir nicht sehr wahrscheinlich vor, zumindest nicht in großer Zahl.

Plötzlich ertönten draußen Rufe, gefolgt von Schreien.

Der Hauptmann sah verblüfft auf, dann lief er die Stufen zum Deck hoch, ohne mir auch nur einen weiteren Blick zu schenken.

Ich folgte ihm.

»Wir konnten sie so gut wie nie sehen!« rief ein Soldat. »Es war, als wäre das Rence lebendig geworden.«

Ich trat an Deck, wo ich in der Sonne blinzelte. Plenius wartet schon auf mich, er wickelte das Seil von dem Joch und hielt mich an kurzer Leine, etwa einen halben goreanischen Meter.

»Wir hatten keine Chance«, schluchzte ein Mann im Wasser. »Wir haben sie nicht einmal gesehen!«

»Wo?« wollte der Hauptmann wissen, der nun an der Reling stand.

»Auf der rechten Seite.«

Ich folgte meinem Hüter, der neugierig geworden war, bis zur Reling. Im Wasser standen etwa sechs oder sieben fassungslose, entsetzte Soldaten, einige bluteten aus Wunden, andere stützten Kameraden.

»Anzahl?«

»Es müssen Hunderte gewesen sein, auf einer Front von vielen Pasang«, berichtete ein Unteroffizier, der im Wasser stand. »Wir konnten nicht kämpfen. Wir konnten sie nicht sehen. Es gab einfach nichts, gegen das wir die Schwerter hätten ziehen können.«

»Da waren nur Schatten«, schluchzte ein anderer Soldat, »eine Bewegung im Rence, ein Verdacht, und dann die Pfeile, ein Pfeilregen!«

»Wie hoch sind die Verluste?« fragte der Hauptmann.

»Es war ein Massaker!« antwortete der Unteroffizier.

»Ich will die genauen Verluste wissen«, wiederholte der Hauptmann seine Frage mit mehr Schärfe.

»Die rechte Flanke ist verloren.«

»Sie ist einfach weg!«

Weitere Soldaten kamen jetzt aus dem Rence, weitere Überlebende, viele davon verwundet.

Ich konnte mir nicht vorstellen, daß die gesamte rechte Flanke vernichtet worden sein sollte, aber auf jeden Fall hatte sie schwere Verluste erlitten, war beträchtlich dezimiert worden. Die Soldaten, die da auf uns zukamen, hatten alle zur rechten Flanke gehört, und sie waren anscheinend nicht in der Lage gewesen, sich neu zu gruppieren. Nach einem katastrophalen Kampf, insbesondere einem geheimnisvollen, der völlig unerwartet ausgebrochen war, neigen Überlebende dazu, die Verluste zu überschätzen. Ein Mann, der beispielsweise miterleben mußte, wie auf dem von ihm zu überschauenden Teil des Schlachtfeldes – für gewöhnlich kaum mehr ein paar Quadratmeter – die meisten seiner Kameraden fielen, neigt zu der Annahme, daß diese Verluste für das ganze Schlachtfeld typisch sind. Genauso kann es natürlich geschehen, daß ein Soldat, der Gelände gewonnen hat, erst später zu seinem Entsetzen erfahren muß, daß sich seine Seite auf dem Rückzug befindet, ja, daß die ganze Schlacht verloren ist. Allerdings bezweifelte ich nicht, daß die Verluste beträchtlich waren. Die ganze rechte Flanke würde neu organisiert werden müssen.

»Wir werden einen Gegenangriff unternehmen«, sagte der Hauptmann.

»Es wird kein Gegner da sein«, gab ich zu bedenken.

»Das ist ein tragischer Tag für Ar«, murmelte ein Soldat.

Noch mehr Soldaten wateten heran, einige taumelnd.

»Die erste Feindberührung mit Cos«, sagte Plenius verbittert. »Wer hätte gedacht, daß sie so ablaufen könnte?«

»Ihr seid nicht mit Armbrustbolzen beschossen worden«, stellte ich fest.

»Nein, es waren Pfeile.«

Ich nickte. »Pfeile, abgeschossen von einem Bauernbogen.« In den letzten Jahren hatte sich der Gebrauch des Bauernbogens, der in der Nähe des Mündungsgebietes seinen Anfang genommen hatte, in östlicher Richtung in Windeseile im ganzen Delta ausgebreitet. Das Material für die Waffe und ihre Munition, das in dieser Gegend nicht vorkommt, wird importiert. Die Rencebauern hatten vor langer Zeit ihre Schlagkraft kennengelernt und sie niemals vergessen. Durch sie waren sie fürchterliche Gegner geworden. Das Delta mit seiner natürlichen Deckung und der Bauernbogen machten die Rencebauern beinahe unverwundbar.