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Die Stadt, über die sich die ehemalige Lady Cara abfällig geäußert hatte, bevor man sie zu dem Söldnerhauptmann gebracht hatte, war Tarnburg gewesen.

Sein Name lautete Dietrich von Tarnburg.

Am Abend hatte ich etwa hundert Söldner gesehen, die mit einigen Sklavinnen auf Brundisium zu marschierten. Der auf einem Tharlarion reitende Anführer sowie einige der Männer hatten Halstücher vor dem Gesicht getragen, um sich vor dem Reisestaub zu schützen. Zweifellos dienten die Tücher auch dazu, die Gesichtszüge zu verbergen. Ich hätte mir nichts dabei gedacht, schließlich sah man hier immer Söldner – es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen –, hätte ich nicht die Sklavin am Steigbügel des Anführers wiedererkannt. Da ich mit den anderen Fußgängern zurücktrat, um die Marschreihe passieren zu lassen, konnte mich der Anführer nicht sehen. Ich hatte mich in Brundisium nach den Männern erkundigt, um ihren Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. Zuerst fand ich heraus, in welchem Stadtteil sie sich befanden, dann, welche Tavernen oder Herbergen sie vermutlich besuchten. Das war nicht schwer, da die meisten Söldner nicht in der Stadt untergebracht waren, sondern im cosischen Heerlager.

Ich stand auf, nahm meinen Pokal und trat zur Theke.

»Hast du schon das Neueste gehört?« wandte sich ein eben erst eingetretener Gast, der Kleidung nach ein Kaufmann, aufgeregt an einen Freund.

»Nein.«

Sofort versammelten sich andere Männer um die beiden; ich gesellte mich unauffällig zu ihnen und war zuversichtlich, bereits zu wissen, was jetzt käme. Nur die Einzelheiten kannte ich nicht.

»Dietrich von Tarnburg hat sich aus Torcodino zurückgezogen!«

Sofort sprachen alle durcheinander.

»Unmöglich!«

»Myron hat Torcodino mit Ringen aus Stahl eingeschnürt. Das stärkste Kontingent der cosischen Invasionsstreitmacht liegt vor der Stadt!«

»Wann ist das geschehen?«

»Schon vor Wochen«, meldete sich ein anderer Mann zu Wort.

»Wann hast du das gehört?« fragte der Mann, der so begierig gewesen war, es allen zu erzählen.

»Vor zwei Tagen. Anscheinend hat man die Nachricht unterdrückt.«

Falls das stimmte, war es nicht überraschend. Myron hatte es bestimmt nicht eilig gehabt, die Nachricht zu verbreiten, daß ihm sein angeblich hilflos in der Falle sitzendes Opfer durch die Hände geschlüpft war. Möglicherweise hatte sein Versuch, diese Nachricht zu unterdrücken, sogar Männer das Leben gekostet.

»Ist es gefährlich, darüber zu sprechen?« fragte der Kaufmann.

»Jetzt wohl nicht mehr.«

»Ich habe heute abend auch schon etwas in der Richtung gehört«, meinte ein anderer Mann. »Es ist in der ganzen Stadt herum.«

»Ich komme aus Ven«, sagte ein dritter. »Dort weiß man es auch schon.«

»Für mich ist das neu«, sagte ein Gast. »Bitte erzählt.«

Einige der Männer, die sich versammelt hatten, blickten sich um. Die Gruppe bestand aus Bürgern aus Brundisium, Ruderern, Kaufleuten, Söldnern, cosischen Soldaten und anderen. Alle waren begierig zu erfahren, was geschehen war. Ich entdeckte keine cosischen Offiziere oder sonst jemanden, dem daran gelegen war, gegen diese Gruppe Neugieriger einzuschreiten.

»Wenn niemand etwas dagegen hat, werde ich berichten, was ich gehört habe«, sagte ein gutgekleideter Mann.

»Hier hat keiner etwas dagegen«, erwiderte der Kaufmann, nachdem er sich noch einmal umgeblickt hatte.

»Ich muß vorausschicken, daß meine Neuigkeiten allgemein bekannt sind und von Hunderten berichtet werden. Sollte damit also die Staatssicherheit verletzt werden, bin nicht ich derjenige, der dafür verantwortlich ist. Darüber hinaus breche ich dadurch keinerlei Vertrauen. Außerdem kann ich nicht für die Richtigkeit dessen bürgen, was ich gehört habe, sondern es lediglich wiederholen, und das auch nur, weil mich andere eindringlich darum gebeten haben. Ich sage es auch nur deshalb in aller Öffentlichkeit, damit wir darüber spotten können; keiner von uns wird diesen Bericht ernsthaft für wahr halten. Tatsächlich ist das Ganze so absurd, daß es stimmen kann. Ich berichte also für unser aller Belustigung nur das, was offensichtlich nicht wahr sein kann.«

»Nun fang schon an!«

»Ja!«

»Dietrich ist aus Torcodino entkommen.«

»Mit seinen Männern?«

»Mit seinen Männern und den Sklaven.«

»Das ist unmöglich!«

»Dem stimme ich aus ganzem Herzen zu«, sagte der Sprecher. Es handelte sich meiner Meinung nach um einen Schriftgelehrten der Jurisprudenz. Umständlich genug dazu war er ja.

»Wie soll das möglich gewesen sein?«

»Eine Nachricht erreichte das cosische Lager vor Torcodino, überbracht von einem angeblichen Deserteur, einem Burschen namens Mincon«, sagte der Schriftgelehrte. »Unter der Nordmauer war angeblich ein Geheimtunnel gegraben worden, ein niedriger Tunnel, über elf Pasang lang, der Monate bis zu seiner Fertigstellung gebraucht hatte, ein Tunnel, der sich angeblich hinter den feindlichen Linien öffnen sollte. Selbst der Tag der Flucht stand schon fest. Außerdem sollten Dietrich und einige seiner engsten Vertrauten den Tarndraht in der Nähe des Semniums öffnen und die Stadt in derselben Nacht verlassen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein paar Männer auf Tarns Schwierigkeiten haben sollten, aus der Stadt zu entkommen«, sagte ein Söldner.

»Aber es gibt Tarnpatrouillen«, entgegnete ein anderer, »und es gibt Kavallerie, die sofort die Verfolgung aufnehmen kann.«

»Der besagte Abend kam«, fuhr der Schriftgelehrte fort, »und genau wie Mincon, Myrons Informant, es vorausgesagt hatte, erhob sich ein Dutzend Tarns vom Dach des Semniums. Cos erwartete sie natürlich bereits; sofort wurde die Verfolgung aufgenommen. Die von dem Dach des Semniums gestarteten Tarns waren prächtige Tiere, wie hätte es auch anders sein können, und sie entgingen den Verfolgern für Ahn. Aber die Verfolger waren darauf vorbereitet und führten eigens frische Ersatzvögel mit, um jede Ahn das Reittier wechseln zu können. In der Zwischenzeit rüstete sich Myron vor Torcodino für die Schlacht und führte die meisten seiner Männer in die Nähe der Stelle, an der sich der Tunnel öffnen sollte. Sie verbargen sich in Schützengräben. Sie wollten die Truppen aus Torcodino an die Oberfläche kommen lassen und sie dann mit ihrer Übermacht auf offenem Gelände vernichten. Einigen Männern würde die Flucht zurück in den Tunnel gelingen, wo sie in ihrer Panik, sich einen Weg durch die Nachfolgenden zu bahnen, gegeneinander kämpfen würden und wo man sie einfach niedermachen könnte. Um den Rest wollte man sie sich später kümmern, da es zu wenige sein würden, um selbst einem bescheidenen Angriff standhalten zu können. Man rechnete sogar damit, daß sich die Flüchtlinge ergeben und der Gnade Cos’ unterwerfen würden. Natürlich ließ Myron klugerweise viele Männer vor der Stadt zurück, ein paar verstärkte Regimenter in der Nähe der Stadttore, für den Fall, daß Dietrich ihn überlisten und einen Ausbruchsversuch starten sollte.«

»Myron ist ein guter Polemarkos«, sagte ein Mann.

»Das ist er.«

Ich konnte dem nur zustimmen. Myron hatte sowohl als Offizier wie auch als Mann seine Schwächen, aber er war ein ausgezeichneter Befehlshaber. Aber hier hatte er es mit Dietrich von Tarnburg zu tun.

»Was geschah dann?«

»Gegen Morgen hatte man die flüchtenden Tarns eingeholt, aber in ihren Sätteln saßen gefesselte und geknebelte cosische Gefangene.«

»Was war mit den Truppen in der Stadt?«

»In Torcodino sah man Flammen aufsteigen. Wo es brannte, war unbekannt. Später fand man heraus, daß es sich um die Zerstörung des cosischen Belagerungsgeräts gehandelt hatte, der Kriegsmaschinen, Wagen und Vorräte, die man in Torcodino erbeutet hatte.«

Die Erbeutung dieses Materials in Torcodino, das als Ausrüstungsdepot für die Invasionsstreitmacht gedient hatte, war der Hauptgrund für Dietrichs Eroberung der Stadt gewesen; er hatte gehofft, den cosischen Vormarsch behindern zu können und Ar genügend Zeit zu verschaffen, um sich auf den Krieg vorzubereiten. Wie sich jedoch herausstellte, hatte Ar sein Heer nach Norden geschickt; statt dem belagerten Ar-Station Entsatz zu leisten, verfolgte es allem Anschein nach das Expeditionsheer, das Ar-Station zerstört hatte, um schließlich im Delta vernichtet zu werden. Ohne Verrat in Ar wäre das nicht möglich gewesen. Eine der Verräterinnen, eine sehr hübsche Verräterin, lag jetzt angekettet in einem der Hinterzimmer der Taverne. Dietrich hatte Ar Zeit verschaffen wollen, um sich zu bewaffnen und in Stellung zu gehen, damit es ein Gegengewicht zu den Streitkräften von Cos bildete und auf diese Weise den Aufstieg einer einzigen großen Macht auf dem Kontinent verhinderte, eine Möglichkeit, die Dietrichs Meinung nach die Existenz der freien Kompanien gefährdet hätte, von denen seine Kompanie eine der größten und besten war.