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»In der Dunkelheit kann einer gegen viele kämpfen, denn er weiß, daß derjenige, gegen den er sein Schwert erhebt, der Feind ist, während die vielen ihm seine Arbeit erleichtern, weil sie gegen viele antreten.«

»Und mit wie vielen Gegnern hast du gerechnet?«

»Vier, vielleicht auch fünf Mann«, sagte ich. »Die Kerle, die in unserem Lager herumlungerten.«

»Ich habe im Licht des Morgens fünfundzwanzig Tote gezählt«, sagte Marcus.

»Aii!« stieß ich überrascht aus.

»Und ich halte es für besser, aus dieser Gegend zu verschwinden, bevor die Stadtwächter ihre Runde machen.«

»Du bist mir gefolgt, um mir bei dem Kampf zu helfen?«

»Natürlich, falls es zu einem Kampf gekommen wäre.«

»Wußtest du, daß es so viele waren?«

»Ja. Ich habe beobachtet, wie sie das Lager verließen – wie ein Schwarm Nadelfliegen.«

»Und du bist trotzdem gekommen?«

»Natürlich.«

»Du bist wirklich ein mutiger Mann.«

»Aber mein Schwert verließ doch nicht einmal die Scheide.«

»Aber wie sind die Männer dann gestorben?« fragte ich. Ich sah einige der Leichen. Eine lag kaum einen Meter von uns entfernt, eine andere wiederum beinahe hundert Meter weit fort.

»Lautlos«, sagte er. »Der letzte Mann kam zuerst dran, dann der nächste und immer so weiter; man hat ihnen die Kehle durchgeschnitten.«

»Das erklärt, warum es in der Gasse so wenig Lärm gab.«

»Du sprichst, als hättest du davon gewußt.«

»Ich wußte, daß etwas vor sich ging, aber ich kannte weder Einzelheiten noch das Ausmaß des Ganzen.«

»Offensichtlich hast du noch andere Verbündete als bloß einen einfachen Offizier aus Ar-Station.«

»So stellte es sich heraus.«

Marcus sah mich abwartend an.

»Ich habe gestern jemanden auf der Straße nach Brundisium gesehen«, erklärte ich. »Er hatte das Gesicht verhüllt, aber ich erkannte seine Sklavin. Ich war fest überzeugt, ihn zu kennen. Ich wollte mit ihm sprechen, das war einer der Gründe, warum ich die Stadt Brundisium betrat.«

»Und außerdem wolltest du die Männer in einen Hinterhalt locken, die hinter Ina her sind.«

Ich nickte.

»Erzähl mir von deinen Verbündeten.«

»Ich werde keine Einzelheiten berichten, aber ich war nicht der einzige auf der Straße nach Brundisium, der jemanden erkannte. Derjenige, den ich zu erkennen glaubte, hat mich ebenfalls erkannt, ließ es sich aber nicht anmerken. Er sandte seine Männer aus, um mich aufzuspüren und in seine Unterkunft einzuladen. Sie entdeckten mich auf der Straße und folgten mir. Ihnen wurde bald klar, daß ich auch noch andere Verfolger hatte, zweifellos die Männer, die du dabei beobachtet hast, wie sie das Lager verließen.«

»Auf der Straße herrschte ziemliches Gedränge«, bestätigte Marcus.

»Die Männer meines Freundes bildeten eine Stafette«, sagte ich. »Ein Mann machte da weiter, wo der andere aufgehört hatte. Es ist übrigens ganz lustig; einige der Kerle, die um mich herumschwirrten, habe ich nach der Unterkunft meines Freundes befragt. Nach mehreren Auskünften, bei denen ich hier und dort etwas Wissenswertes erfuhr, wußte ich schließlich, daß er mit seinem Stab in der Juwelenverzierten Peitsche abgestiegen war.«

»Und du hattest nicht den geringsten Verdacht?«

»Ich hatte diese Männer nie zuvor gesehen.«

»Vielleicht hat man sie aus genau diesem Grund ausgesucht«, meinte Marcus.

»Das glaube ich auch.«

»Du hattest wirklich nicht den geringsten Verdacht?«

»Nein«, sagte ich. »Ich hielt sie für Bürger Brundisiums.«

»Kam es dir nicht ungewöhnlich vor, daß du diese Nachrichten so leicht erhieltest?«

»So einfach war das gar nicht. Ein- oder zweimal schickte man mich sogar in die falsche Richtung.«

»Dein Freund muß ein sehr kluger Bursche sein.«

»Der Meinung bin ich auch.«

»Andererseits ist es ja nicht so, als kämst du aus Ar oder Ar-Station.«

»Das ist wahr.«

»Und hast du dich gut mit ihm unterhalten?«

»Ja«, sagte ich. »Wir haben eine Zeitlang miteinander gesprochen.«

»Schön«, sagte Marcus.

»Und was hast du während der Zeit getan?«

»In der Gasse gefroren.«

»Du hättest hereinkommen und etwas trinken sollen.«

»Du scheinst ja ausgezeichnete Laune zu haben.«

»Laß uns nicht streiten«, sagte ich. »Kehren wir doch in unser Lager zurück und gönnen uns etwas Schlaf. Gegen Mittag muß ich dir unbedingt etwas Bemerkenswertes zeigen.«

»Was denn?«

»Du wirst schon sehen.«

»Weiß Ina, daß man eine Belohnung auf sie ausgesetzt hat – die angebliche geheime Belohnung von einhundert Goldstücken?«

»Nein.«

»Das ist vermutlich auch besser so.«

»Der Meinung bin ich auch.«

Marcus schenkte mir einen ziemlich mürrischen Blick. »Du scheinst wirklich bester Laune zu sein.«

»Ich glaube, daß Ina jetzt sicher ist.«

»Schon möglich. Dafür haben deine Freunde gesorgt, die sich so wirksam und skrupellos um deine Verfolger gekümmert haben.«

»Das finde ich auch«, sagte ich. »Davon abgesehen – wie viele Leute könnten das Gesicht einer freien Frau aus Ar wiedererkennen, die für gewöhnlich ständig verschleiert geht?«

»Ich glaube, du hast recht«, sagte Marcus. »Trotzdem, sie ist noch immer frei, und hier gibt es nur wenige freie Frauen aus Ar oder Frauen mit einem solchen Akzent.«

»Aber Frauen in Ketten mit solchem Akzent gibt es viele.«

»Das ist wahr.«

»Du scheinst unruhig zu sein«, meinte ich.

»Wir sollten gehen. Ich will nicht einmal in der Nähe sein, wenn die Stadtwächter hier ihre Runde machen. Sie könnten zumindest wissen wollen, warum wir dieses Massaker nicht gemeldet haben.«

»Du hast recht«, erwiderte ich und holte Ina.

23

»Warum hast du mich hergebracht?« fragte Marcus, während wir vor Ephialtes’ Wagen warteten.

»Du wirst schon sehen.«

Wir hatten den Standort unseres kleinen Lagers in der Nähe des behelfsmäßigen Sklavenlagers verlassen und uns alle Mühe gegeben, daß es so aussah, als sei es verlassen worden. Dann waren wir ein Stück die Straße nach Brundisium entlanggegangen und hatten uns in einem kleinen Wald in die Büsche geschlagen, um wieder zurückzukehren. Wir hofften, daß jedermann nun annähme, daß wir unser Lager abgebrochen hatten und nach Osten gezogen waren, auf eine der Deltastraßen zu. Auf dem Rückweg hatten wir das Sklavenlager durchquert. Es war ziemlich groß und umschloß etwa vier bis fünf Quadratpasang. Noch immer lieferte man auf unterschiedlichste Weise neue Frauen: in Sklavenwagen, Käfigen oder auch zu Fuß.

»Das ist also der Wagen deines Freundes?« fragte Marcus.

»Ja.«

Wir hatten Ina in einem angemieteten Sklavenkäfig in dem Sklavenlager zurückgelassen. Das kostete ein Tarskstück.

»Ich weiß nicht, was ich eigentlich hier soll«, beschwerte sich Marcus. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist dein Freund, dieser Ephialtes oder wie immer er heißt, ein Cosianer. Ich bin nicht geneigt, mit einem Cosianer ins Gespräch zu kommen.«

»An deiner Stelle würde ich hier nicht so oft den Mund öffnen«, erwiderte ich. »Am Rande des cosischen Heerlagers.«

»Warum hast du mich dann hergebracht«, flüsterte Marcus.

»Das habe ich dir doch heute morgen gesagt«, erwiderte ich. »Ich will dir etwas zeigen.«

»Was?«

»Hab Geduld. Du wirst schon sehen.«

»Wehe, wenn das eine Zeitverschwendung ist.«

»Du hast bloß schlechte Laune, weil ich dich zum Rand des Heerlagers mitgenommen und damit dein Leben grundlos in tödliche Gefahr gebracht habe.«

»Das ist einfach nicht wahr«, zischte er. »Wer könnte so kleinlich sein?«

»Was ist es dann?«

»Ich habe eine sehr unerfreuliche Nacht verlebt«, sagte er, »und der Morgen war bis auf ein paar Ahn Schlaf auch nicht viel besser.«

»Das wird sich bald ändern.«

»Hoffentlich«, knurrte er.

Marcus war von Natur aus ein eher launischer Mensch, der Dinge wie Leben und Tod ernster nahm, als es eigentlich nötig war. An diesem Morgen wirkte er jedoch ausgesprochen schroff, was für ihn doch eher ungewöhnlich war. Zugegeben, er hatte auf seinem einsamen, gefährlichen Posten in der Gasse hinter der Taverne eine ungemütliche Nacht erlebt, während ich es mir drinnen gut gehen ließ. Doch dann rief ich mir ins Gedächtnis zurück, daß man solche Opfer im Verlauf einer wahren Freundschaft durchaus erwarten kann.