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»Komm mit«, erwiderte ich nur.

Ich schob das Schwert in die Scheide, scheinbar voller Hochmut, drehte ihnen bewußt den Rücken zu und ging los. Ich zählte bis drei, warf mich ohne Vorwarnung herum und zog die Klinge. Ina sprang beiseite.

Der Verfolger spuckte Blut, taumelte zurück und stürzte in den Staub. Ich drehte mich im Kreis. Keiner der anderen hatte sich mehr als einen Meter genähert; sie waren stehengeblieben. Ich sah mir den Mann, der zu Boden gegangen war, genauer an. Es war derselbe Bursche, der eben versucht hatte, mich von hinten niederzuschlagen. Ich hatte mir schon gedacht, daß er es war und daß er es auf die gleiche Weise erneut versuchen würde, und er hatte es tatsächlich versucht. Mit einer solchen List kann man einen Gegner manchmal auflaufen lassen.

»Er ist tot«, sagte einer seiner Kameraden, der ihn umdrehte.

Ina schrie auf.

Sie starrte mich entsetzt an.

Ich hatte Angst, sie könnte vor mir davonlaufen, also ergriff ich sie am Arm und schob sie auf das Sklavenlager zu. Keiner der Männer stellte sich mir in den Weg. Allerdings blieben sie so nahe auf den Fersen, wie es ihr Mut zuließ.

Unbeirrt ging ich weiter.

Im Lager drehten sich Köpfe zu uns um.

Ich schritt schneller aus. Ina keuchte. Sie kam kaum mit. »Herr!« schluchzte sie.

»Still, Sklavin!« sagte ich. Ich war wütend. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, Ina im Lager verschwinden zu lassen oder gegen jemanden auszutauschen. Die Verfolger waren zu nahe. Ich kam nie mehr als an einen oder zwei von ihnen heran; das verschaffte den anderen mehr als genug Zeit, sich zurückzuziehen oder – was wahrscheinlicher war – die Gelegenheit zunutze zu machen und die Sklavin zu entführen oder zu töten.

Ich stieß Ina durch das Tor des Sklavenlagers.

Ein Mann, der dort herumlungerte, lachte, als er sah, wie die hübsche Sklavin ins Lager gebracht wurde, aber dann verstummte er, als er die Gruppe bemerkte, die uns verfolgte und die plötzlich von fünf auf ein Dutzend angewachsen war.

Ich ging eine Zeitlang stur geradeaus, zwischen Zelten und überdachten offenen Ständen vorbei, durch Korridore aus Käfigen, Wagen und Käfigwagen, vorbei an dem Krankenzelt, an Ständen, an denen man Salben, Parfüm, Tuniken, Stricke, Riemen, Peitschen, Handschellen, Ketten und Eisenkragen erwerben konnte. Irgendwo in der Mitte des Lagers blieb ich stehen, auf einem runden Platz, auf dem sich sonst während der Auktionen Großhändler drängten und ihre Gebote machten.

Unsere bedrohlichen Gefährten waren uns nicht von der Seite gewichen; sie begleiteten uns wie Schatten, bewaffnet und stumm. Mittlerweile waren es fünfzehn Mann.

Ich ließ Ina los, und sie sank schluchzend auf die Knie. In ihren Augen flackerte die nackte Angst.

»Warum wollen sie mich töten?« Sie war klug; sie hatte begriffen, worum es hier ging.

»Ich vermute, daß Ar jemanden für die Katastrophe im Delta zur Verantwortung ziehen will. Deine Mitverschwörer haben dich und vielleicht einige andere auserwählt, öffentlich von euch Abstand genommen und die Behauptung in die Welt gesetzt, daß ihr die anderen getäuscht habt und so weiter. Auf diese Weise können die mächtigeren Verschwörer Ars Ruf nach den Verantwortlichen befriedigen und zur gleichen Zeit die Aufmerksamkeit von sich ablenken. Andererseits wollen deine einflußreicheren Freunde das Risiko nicht eingehen, daß deine Aussage bei einer Gerichtsverhandlung zur Sprache kommt.«

»Aber ich bin doch nur eine Sklavin«, sagte sie.

»Aber eine Sklavin, die mehr weiß, als gut für sie ist.«

»Ich könnte doch versprechen, nichts zu sagen.«

»Du würdest sprechen«, sagte ich.

Sie starrte mich ängstlich an.

»Wie du weißt, wird die Aussage einer Sklavin unter der Folter aufgenommen.«

»Gib sie uns, und wir lassen dich gehen!« rief einer der Männer.

Ich musterte ihn.

»Schnappen wir sie uns und teilen die Belohnung allein unter uns«, schlug ein anderer vor.

»Ja, genau«, rief einer eifrig. Er ließ sich wohl zu leicht von seinem Freund beeinflussen, denn er stürzte sich auf mich. Mit einem Tritt löste ich ihn von der Klinge, dann fuhr ich herum, um mich seinem Freund zu stellen, der den Vorschlag gemacht hatte. Der blieb wie angewurzelt stehen, rutschte aus, fiel auf ein Knie und kroch auf allen vieren zurück. Mir blieb nicht genug Zeit, ihm einen Hieb zu verpassen, da ich einen weiteren von Octantius’ Männern von Ina verscheuchen mußte, die hinter mir auf dem Boden kniete.

»Überlaß sie uns, wir teilen die Belohnung mit dir!«

»Ja, wir geben dir zehn Goldstücke, Tarnscheiben aus Ar!«

»Das ist mehr, als du sonst für sie bekämst.«

Ich betrachtete Ina. Ja, dachte ich, das ist mehr, als sie mir auf dem Auktionsblock einbrächte.

»Octantius wird bald hier sein«, sagte einer der Verfolger und warf einen Blick über die Schulter. »Dann muß die Belohnung zwischen zu vielen Leuten aufgeteilt werden.«

»Einige dich mit uns.«

»Octantius wird Bogenschützen mitbringen. Dann ist jeder Widerstand zwecklos.«

»Einige dich mit uns«, wiederholte der erste Sprecher.

»Bleibt zurück!« warnte ich die Männer. Dann zerrte ich Ina auf die Beine und ging einfach weiter geradeaus, zwischen den Jägern hindurch, die den Weg freigaben. Aber sobald ich an ihnen vorbei war, nahmen sie die Verfolgung wieder auf, kamen so nahe heran, wie sie es nur wagen konnten. Gelegentlich tat ich einen Schritt auf den einen oder anderen zu, der dann die Flucht ergriff, aber die Meute blieb bei uns wie ein Rudel Sleen, das einen Larl verfolgt und darauf wartet, daß er einen Fehler begeht oder müde wird.

»Wohin willst du eigentlich?« rief mir einer nach.

Ich beachtete ihn nicht.

Es ging weiter in die Richtung, in die der Mann geblickt hatte, der befürchtete, daß Octantius mit seinen Männern zu früh eintreffen und so den Anteil an der versprochenen Beute verkleinern könnte.

Ich hatte zwei Pläne, denen ich ehrlich gesagt allerdings keine großen Erfolgssaussichten zubilligte. Beide Pläne verlangten das Zusammentreffen mit Octantius; falls er das Gold nicht bei sich trug, wollte ich ihn in ein dreistes Täuschungsmanöver verwickeln und ihn davon überzeugen, wie es zweifelhaft war, daß er es überhaupt bekam; hätte er das Gold dabei, wollte ich ihn zu einem Zweikampf verleiten, nach dem ich, falls ich siegreich wäre, mir das Gold schnappen und es an die Männer verteilen könnte, um sie auf diese Weise hoffentlich loszuwerden.

»Da ist Octantius!«

Ich blieb stehen und fand mich in der Mitte eines aus Männern gebildeten großen Kreises wieder, der etwa einhundert Meter durchmaß; wir befanden uns in der Nähe des Haupttores, und es mußten mindestens siebzig oder achtzig Mann sein.

»Tal«, sagte Octantius, erhob sich von dem Stuhl, auf dem er unter einem Baldachin saß, und reichte einem Untergebenen seinen Becher.

»Tal«, erwiderte ich den Gruß.

Er zeigte auf einen Ledersack, den ein Mann an seiner Seite in beiden Händen hielt. »Ich habe nicht damit gerechnet, daß man mir die unversehrte Sklavin liefert«, sagte er. »Ich dachte, ich erhielte nur ihren Kopf, der dann in diesen Sack gesteckt werden sollte.«

Keiner der Männer, die den Ring bildeten, trat vor. Ich vergewisserte mich dessen mit einem Blick in die Runde.

Ina sank auf die Knie. Ich glaube nicht, daß sie noch die Kraft hatte, sich auf den Beinen zu halten. Andererseits war es angemessen, daß sie niederkniete, befand sie sich schließlich in der Gegenwart von freien Männern.

»Erinnerst du dich an mich?« rief Octantius.

»Ja«, sagte sie.

»Ich mußte einst von ihr Befehle entgegennehmen«, sagte er.

Gelächter erscholl.

»Wo sind dein Schleier und deine schönen Gewänder jetzt?« rief er. Sie schwieg.

»Jetzt bist du, was du schon immer hättest sein sollen«, sagte er. »Eine Sklavin.«

Ina antwortete nicht.

»Ist das nicht richtig?«

»Ja«, sagte sie.

Ich warf ihr einen scharfen Blick zu.

»Ja, Herr!« rief sie Octantius zu.

Erneut erscholl Gelächter. Mittlerweile hatten sich weitere Männer dazugesellt, die neugierig sehen wollten, was sich hier abspielte.