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»Mir ist berichtet worden, daß du gut gekämpft hast«, wandte sich Octantius an mich.

Ich schwieg.

»Köpf sie!«

»Nein.«

»Übergib sie uns, und du kannst gehen.«

»Nein.«

Octantius zuckte mit den Schultern. »Wie du willst. Es ist deine Entscheidung.« Auf ein Signal hin traten einige seiner Männer vor. Armbrustschützen. Sie zogen Bolzen und legten sie ein.

»Warte!« rief ich.

Er hob die Hand, und die Schützen warteten mit dem Anlegen.

»Das Gold wird niemals für sie bezahlt werden.«

»Warum nicht?« fragte er.

»Saphronicus ist tot!«

Plötzlich schien er nachdenklich zu werden.

Ich war natürlich von der Annahme ausgegangen – eine unter diesen Umständen naheliegende und anscheinend auch gerechtfertigte Annahme –, daß er einer von Saphronicus’ Agenten war. Nur Saphronicus, im Norden vermutlich der wichtigste Verschwörer, konnte derjenige sein, der Octantius lenkte und die Belohnung zur Verfügung stellte.

»Saphronicus ist nicht tot!« sagte er.

»Doch, er ist tot«, beharrte ich auf meiner Behauptung.

»Wo willst du das gehört haben?« erkundigte sich Octantius lächelnd.

»Ich habe eben davon gehört.« Natürlich hatte ich nichts dergleichen gehört. Ich hatte gehofft, daß Octantius das Gold nicht bei sich trüge und daß ihm im Fall von Saphronicus’ Tod Zweifel kämen, ob es jemals bezahlt werden würde. Auf diese Weise hatte ich Zeit gewinnen wollen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß man Ina ohne den nötigen Anreiz umbringen würde.

Octantius warf den Kopf in den Nacken und lachte.

»Saphronicus ist tot!« beharrte ich, was diesmal aber mehr an die Männer als an Octantius gerichtet war.

Die Männer, ein rauher Haufen, blickten einander unbehaglich an. Mittlerweile waren noch mehr Fremde dazugekommen, die wissen wollten, was hier geschah.

»Octantius?« rief einer der Männer fragend.

»Er lügt.«

Die Männer tauschten Blicke aus.

»Es ist ein Spiel, eine List, um Zeit zu gewinnen«, sagte Octantius. »Merkt ihr das nicht?«

Zu meiner Zufriedenheit sah ich, daß nicht alle Männer davon überzeugt waren. Neuigkeiten verbreiten sich auf Gor nicht auf eine geradlinige, verläßliche Weise. Außerdem reisen sie bei den Entfernungen, den Übertragungsmöglichkeiten und den gelegentlich gefährlichen Reisewegen nicht immer schnell. Zweifellos gab es auf Gor noch immer Städte, die noch nichts vom Fall Ar-Stations gehört hatten. Daher ist es nicht verwunderlich, daß sich in einem solchen Milieu Gerüchte oft verselbständigen. Selbst am Hof eines Ubars fällt es bisweilen schwer, das eigentliche Geschehen zu ergründen, weil die Berichte der untergeordneten Städte und Dörfer verzerrt und von Meinungen entstellt wiedergegeben werden.

»Selbst wenn Saphronicus tot wäre, was er nicht ist«, sagte Octantius wütend, »würde das keine Rolle spielen.« Er zerrte eine Geldbörse unter der Tunika hervor. »Das Gold ist hier!«

Seine Männer jubelten.

Einhundert Goldstücke sind eine Menge Geld, wenn man sie mit sich herumzutrüge, es ist ein Vermögen, vor allem in allgemein gültigen Tarnscheiben. Es wäre durchaus vorstellbar gewesen, daß Octantius das Gold nicht bei sich trüge; ebenso hätte er einen Wechsel über das Geld dabei haben können. In diesem Fall hätte ich versucht, den Wert des Wechsels in Zweifel zu ziehen. Viele der Kerle konnten vermutlich nicht einmal lesen. Sie gehörten zu den Männern, die Papieren wie Wechseln oder Kreditbriefen nicht trauten. Das war etwas anderes als eine Geldmünze in der Hand oder eine Frau im Arm.

»Fordere mich doch heraus!« lud ich Octantius ein.

Er lächelte.

»Wenn du sie haben willst, laß uns das Klingenspiel spielen.«

Er schob das Gold zurück unter die Tunika.

»Laß die Schwertkunst entscheiden.«

»Nein, das will ich nicht.«

»Kämpfe!«

»Warum sollte ich? Sie gehört mir doch schon. Was hätte ich durch einen Kampf zu gewinnen?«

Ich erwiderte: »Feigling!«

»Das kannst du nicht behaupten, und selbst wenn es der Wahrheit entspräche, wüßtest du es nicht.«

»Feigling!« wiederholte ich ärgerlich.

»Ich halte mich für mutig genug, um unter Männern bestehen zu können«, sagte er. »Andererseits ist es nicht meine Auffassung von Mut, in einen Abgrund zu springen oder mich in den Rachen eines Larls zu stürzen.«

»Du gibst deine Feigheit also zu?«

»Du beleidigst eher meine Fähigkeit zu denken als meinen Mut, da du tatsächlich glaubst, du könntest mich auf so billige Weise beeinflussen.«

»Kämpfe!«

»Wie ich gehört habe, hast du bereits einige meiner Männer getötet«, sagte er, »und darunter waren einer oder zwei, die weitaus bessere Schwertkämpfer waren als ich.«

»Wenn du nicht kämpfst, verlierst du vor deinen Männern das Gesicht.«

»Ich bin nicht ihr Hauptmann«, antwortete er. »Ich bin ihr Arbeitgeber.«

»Was ist mit der Ehre?« fragte ich.

»Etwas Lästiges«, sagte er, »ein Hindernis auf dem Weg zur Macht.«

»Dann laß die Männer gegen mich antreten, einer nach dem anderen.«

Die Schläger tauschten beunruhigte Blicke aus.

»Schützen«, sagte Octantius. »Legt an.«

Mittlerweile hatten sich zweihundert oder mehr Männer um uns versammelt. Viele waren durch das Tor gekommen.

»Ich wünsche dir alles Gute, Ina«, sagte ich.

»Ich wünsche Euch alles Gute, Herr«, flüsterte sie.

»Zielt!« befahl Octantius.

Ich war neugierig, wie es wohl wäre, die auf mich zurasenden Bolzen in ihrem Flug zu beobachten. Ich fragte, ob es mir gelänge, ihre Bahn zu verfolgen.

»Schießt!«

Ich weiß nicht, ob ich unwillkürlich die Augen schloß oder nicht. Ina hatte den Kopf gesenkt.

Plötzlich ergriff ein seltsames Gefühl Besitz von mir, so als würde ich verdrängen, daß ich getroffen worden war.

Aber dann sah ich die Schützen, zehn oder mehr, beinahe wie im Traum, wie sie sich umdrehten, taumelten und in den Staub sanken oder fielen. Ich war mir undeutlich der Bolzen bewußt, die sich in den Boden bohrten oder Furchen hineingruben wie Pflüge und Staubwölkchen aufsteigen ließen, während andere wild in den Himmel schossen, zehn, fünfzehn Meter hoch, bis sie aus der Sicht verschwanden. Unwillkürlich kam mir der Gedanke ob es sich etwa so verhielt, wenn jemand in meiner Lage die Wirklichkeit nicht anerkennen wollte. Aber dann sah ich mehr als einen Schützen im Staub liegen, aus dessen Rücken ein Bolzen ragte oder dessen Hals blutverschmiert war, wo ihm die Kehle durchtrennt worden war.

Ina sah verblüfft auf.

Ich konnte in meinem Körper keinen Eisenbolzen entdecken. Dann erst begriff ich, daß ich unverletzt war. Ich roch die Gerüche des Lagers. Ich sah die Unruhe in der Menge, die Bewegung von Gewändern. Octantius hatte die Hände gehoben. Seine Leute wurden entwaffnet.

»Wir sind am Leben!« sagte ich zu Ina. »Ich bin mir sicher! Wir leben!«

Aber sie war zu Boden gefallen. Ich drehte sie um. Sie war ohnmächtig geworden.

»Du hast uns ja eine schöne Verfolgungsjagd geliefert«, rief Marcus wütend und blickte über die Schulter. »Warum bist du nicht in unserem Lager geblieben? Wie sollten wir wissen, wo wir dich finden?« Er riß Octantius’ Tunika auf und nahm sich die Geldbörse. »Hier!« sagte er und warf das Gold einem großen Burschen zu, dessen Gesicht von einem breiten Halstuch so gut wie unkenntlich gemacht wurde. »Hier ist dein Gold!«

»Marcus!« rief ich.

»Du hättest im Lager bleiben sollen«, sagte Marcus wütend.

»Was hast du getan?«

»Ich habe Söldner angeheuert«, sagte er. »Ich ging gestern nacht zur Juwelenverzierten Peitsche und traf die nötigen Vorbereitungen. Es wäre auch alles glatt vonstatten gegangen, wärst du da geblieben, wo du hingehörtest.«

»Du hattest kein Gold, um Söldner zu bezahlen.«

»Der hier besaß genug«, erwiderte Marcus und deutete mit dem Daumen auf Octantius, der noch immer dastand und die Hände auf dem Kopf gefaltet hatte. »Also benutzte ich sein Gold.«