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»Komm, Sklavin«, sagte Mincon und zog an der Leine. Ich sah zu, wie sie aus meinem Lager geführt wurde, eine nackte, gebundene, mit einer Haube versehene, namenlose Sklavin.

Dann blickte ich zur Seite. Dort kniete eine andere Sklavin, die mit einer Fußkette an einen Pflock gefesselt war. Sie kauerte unter einer Decke. Ich hatte am Vortag die nötigen Vorbereitungen getroffen, damit sie an diesem Nachmittag geliefert wurde. Als ich mit Ina aus dem Sklavenlager zurückgekehrt war, hatte ich sie dort vorgefunden.

Marcus kam. Wie ich zu meinem Vergnügen sah, bot er ein Bild des Jammers und der Verzweiflung.

»Sie ist nicht da«, sagte er.

»Ach?« murmelte ich. Während meines Aufenthaltes bei der Truppe von Boots Tarskstück war ich zu einem achtbaren Schauspieler geworden. Sicher, er hatte mich nie auf die Bühne gelassen; nach einer Probe meines Könnens hatte er mich hauptsächlich für andere Arbeiten wie den Bühnenaufbau oder das Befreien von Wagenrädern eingeteilt, die im Schlamm versunken waren. Vermutlich hütete er eifersüchtig seine Rolle als Hauptdarsteller der Truppe.

»Sie ist weg.«

»Das ist oft der Fall bei Leuten, die nicht da sind«, erwiderte ich. Aber mir entging nicht, daß er nicht in der Stimmung für geistreiche Bemerkungen war.

»Ohne sie kann ich nicht leben.«

»Bis gestern morgen ist dir das aber ganz gut gelungen«, sagte ich, »und mit etwas Mühe wirst du es auch wieder schaffen.«

»Nein«, sagte er. »Nicht, nachdem ich sie gesehen habe.«

»Streich sie einfach aus deinem Gedächtnis, wie es sich für einen vernünftigen Burschen gehört.«

»Nein.«

»Warum ziehst du dein Schwert?« fragte ich ein wenig besorgt.

»Hältst du es bitte für mich?« bat er mich.

»Wofür?«

»Ich habe vor, mich in die Klinge zu stürzen.«

»Das ist auch eine Möglichkeit, sie nach Gebrauch nicht mehr säubern zu müssen«, meinte ich.

Er stieß den Griff in den Boden.

»Und was ist, wenn du zur Seite stürzt?« fragte ich. »Ich könnte mich schneiden.«

»Bitte, Tarl.«

»Ina ist nicht da«, sagte ich. »Ist dir das schon aufgefallen?«

»Nein«, erwiderte er mürrisch.

»Ich habe sie dem Söldner überlassen«, sagte ich. »Sein Mann hat sie abgeholt.«

»Das ist schön«, erwiderte Marcus.

»Ich hoffe, daß sie jetzt in Sicherheit ist.«

»Ich teile deine Hoffnung«, sagte er und versuchte, das Schwert in einem rechten Winkel zum Boden aufzurichten.

»Soll ich dir helfen?«

»Ja«, antwortete er. »Danke.«

»Du willst dich hineinstürzen?«

»Ja, das werde ich tun.«

Als er sich bereitmachte, auf die Klinge zu springen, stieß ich sie beiseite.

»Bist du sicher, daß du das tun willst?«

»Ziemlich sicher.«

»Willst du nicht lieber einen Paga-Ausschank aufsuchen?«

»Im Augenblick nicht.«

»Vielleicht später?«

»Bitte, Tarl.«

Ich stieß die aufgerichtete Klinge erneut beiseite. »Es ist schwer, würdevoll auszusehen, während man sich in sein Schwert stürzt«, sagte ich.

»Schon möglich«, erwiderte er gereizt.

»Das ist mir noch nie zuvor aufgefallen.«

»Bitte halt die Klinge still!« verlangte er.

Ich stieß sie wieder zur Seite.

»Tarl!« rief er erzürnt.

»Du findest also Gefallen an diesem Mädchen.«

»Ich bin dabei, mich seinetwegen umzubringen.«

»Das habe ich begriffen«, sagte ich. »Sie hat dich entflammt.«

»Warum stößt du mir das Schwert nicht einfach ins Herz?« fragte er.

»Das könnte ich wohl tun.«

Er stellte sich aufrecht hin. »Bitte, ich bin bereit.«

»Ja, das scheinst du tatsächlich zu sein.« Marcus, der ein sehr ernster junger Mann war, zeigte einen selbst für ihn ungewöhnlich grimmigen Gesichtsausdruck.

»Bist du sicher, du schaffst das?« fragte er zweifelnd.

»Das denke ich schon«, erwiderte ich. »Für mich ist das bestimmt einfacher als für dich, allgemein gesehen.«

»Bitte, Tarl.«

»Wozu sind Freunde schließlich da?«

»Stoß zu!«

Ich senkte die Klinge.

»Wo kriegen wir bloß weibliche Gesellschaft her, jetzt, da Ina weg ist?«

»Das ist doch wohl eher dein Problem als das meinige«, rief Marcus. »Stoß zu!«

Ich senkte die Klinge erneut.

»Aber ich habe mir darüber bereits Gedanken gemacht«, verkündete ich.

»Wie schön.«

Irgendwie hatte ich die Befürchtung, daß Marcus allmählich ungehalten wurde.

»Ich habe einen Ersatz für sie besorgt.«

»Ich gratuliere dir.«

»Ich dachte mir, daß es dich freut.«

Er schloß die Augen. »Vielleicht habe ich ja noch Gift in meinem Bündel.«

»Möchtest du sie sehen?« fragte ich.

»Nein!«

»Du bist nicht in der richtigen Stimmung dazu?«

»Jetzt nicht«, sagte er. »Ich versuche gerade, mein Leben zu beenden.«

»Ich habe einen besseren Einfall.«

»Einen besseren Einfall?«

»Ja. Du erinnerst dich doch bestimmt an die rauchenden Ruinen von Ar-Station? Und an die Racheschwüre, die du gegen alle Cosianer ausgestoßen hast?«

Plötzlich ging mit Marcus eine Veränderung vor, eine eher beunruhigende, bedrohliche Veränderung.

Ich gab ihm das Schwert zurück.

Er stieß es wütend in die Scheide.

»Danke«, sagte er. »Krieger, ich war schwach. Ich schäme mich. Ich bin dankbar, daß du mich wieder zur Vernunft gebracht hast.«

»Schon gut.«

»Ich habe eine Aufgabe, für die es sich zu leben lohnt«, verkündete er grimmig. »Ich kann für die Rache leben, für eine schreckliche, umfassende, gnadenlose Rache gegen Cos und alle Cosianer!«

»Sicher.« Ich verspürte eine gewisse Besorgnis, daß Marcus, ein Mann der Tat, zum cosischen Heerlager hinüberlaufen und blindlings auf die Soldaten einschlagen könnte, die gerade ihre Wäsche wuschen und ähnliche Tätigkeiten verrichteten.

»Ich danke dir von ganzem Herzen!« sagte Marcus.

»Nicht der Rede wert«, erwiderte ich etwas unbehaglich.

»Und wo ist nun die Frau, die als Ersatz für Ina dienen soll?« fragte er. Er wirkte jetzt sehr stark und wütend. So etwas wie die Hitze der Jagd schien von ihm auszugehen.

»Die ist irgendwo hier in der Nähe.«

»Nun sag schon, wo ist sie?«

»Dort hinten.« Ich führte ihn zu dem Pfahl, an den die Frau unter ihrer Decke festgekettet war.

»Zeig sie mir!«

Ich bückte mich, ergriff einen Zipfel der Decke und riß sie – möglicherweise mit einer gewissen Dramatik – von dem Mädchen.

»Da ist sie ja!« rief Marcus freudig überrascht aus.

Das Mädchen hob den Kopf, soweit die Fesseln das zuließen, und starrte Marcus mit wilder Freude an.

Er fiel neben ihr auf die Knie und fingerte fast außer sich vor Begeisterung an den Knoten.

»Aber wie? Aber wie?« brachte er nur heraus.

Ich legte den Finger an die Lippen, um das Mädchen zu warnen, nichts zu sagen.

Sie schluchzte vor Freude.

»Wie ist das möglich?« rief Marcus und riß an dem Seil, das ihre Knöchel zusammenband.

»Phoebe war vor langer Zeit meine Gefangene und Dienerin«, sagte ich, »im Krummen Tarn.«

»Dienerin?« fragte Marcus.

Ich sah, daß er nicht begeistert war, seine Frau teilen zu müssen. Ich glaube, er wollte sie ganz für sich haben.

»Ephialtes hat sie für mich verwahrt«, sagte ich.

»Sie jetzt eine Sklavin!« rief er aus.

»Ja.« Ephialtes hatte auf meinen Wunsch hin am gestrigen Nachmittag die nötigen Formalitäten erledigt.

»Sie heißt also Phoebe! Ich muß sie haben!« Er befreite sie von dem Seil um den Hals und riß sie in die Arme, was sie, schluchzend und lachend zugleich, hilflos geschehen ließ, da ihre Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Er zog sie an sich.

»Der Knöchel!« rief ich.

Er hatte sie an sich gedrückt, und ihr linkes Bein war lang ausgestreckt und die Kette zum Zerreißen gespannt.