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»Ganz rot?«, fragt der Alte. »Vom Horn bis zum Schwanz?«

»Sie war getarnt«, sagt Berko. »Mit weißer Farbe besprüht. Ich wüsste keinen Grund, warum man das tun sollte, es sei denn, man will sie irgendwie verstecken. Beispielsweise, dass sie, du weißt schon.« Er zuckt. »Ohne Makel ist.«

»Um Himmels willen«, sagt der alte Mann.

»Was sind das für Leute, Onkel Hertz? Du weißt es, oder?«

»Was sind das für Leute?«, sagt Hertz Shemets. »Das sind Jids. Jids mit einem Plan. Ich weiß, das ist eine Tautologie.«

Er scheint sich einfach nicht überwinden zu können, die Zigarre anzuzünden. Er legt sie fort, nimmt sie, legt sie wieder auf den Tisch. Landsman bekommt das Gefühl, als wäge Hertz ein in ihr dunkles Blatt gerolltes Geheimnis ab. Eine Vorgehensweise, einen komplizierten Figurentausch.

»Gut«, sagt er schließlich, »ich habe gelogen. Ich habe noch eine Frage an euch. Meyer, vielleicht kannst du dich an einen alten Jid erinnern. Er kam immer in den Einstein-Schachclub, als du noch ein kleiner Junge warst. Er hat gerne mit dir gealbert, irgendwie konntet ihr es gut miteinander. Er hieß Litvak.«

»Ich habe Alter Litvak vor Kurzem gesehen«, sagt Landsman. »Im Einstein.«

»Ja?«

»Er kann nicht mehr sprechen.«

»Ich weiß, er hatte einen Autounfall, seine Kehle wurde von einem Reifen zerquetscht. Seine Frau kam dabei ums Leben. Passierte draußen auf dem Roosevelt Boulevard, wo die Traubenkirschen stehen. Der einzige Baum, der nicht eingegangen ist, war der, gegen den sie gefahren sind. Die einzige Traubenkirsche im Distrikt Sitka.«

»Ich weiß noch, wie sie diese Bäume gepflanzt haben«, sagt Landsman. »Damals zur Weltausstellung.«

»Werd mir nicht wehmütig«, sagt der Alte. »Ich hab weiß Gott genug mit wehmütigen Juden zu tun, bei mir selbst angefangen. Wehmütige Indianer sieht man nie.«

»Aber nur, weil sie versteckt werden, wenn du kommst«, sagt Berko. »Die Frauen und die wehmütigen Indianer. Hör auf damit und erzähl uns von Litvak.«

»Er hat früher für mich gearbeitet«, sagt Hertz. »Viele Jahre lang.«

Seine Stimme wird flach, und Landsman wundert sich, dass sein Onkel wütend ist. Wie allen Shemets wurde Hertz ein heißblütiges Temperament in die Wiege gelegt, aber es war ihm nicht dienlich bei seiner Arbeit, sodass er es irgendwann abtötete.

»Alter Litvak war ein amerikanischer Spion?«, fragt Landsman.

»Nein, war er nicht. Soweit ich weiß, hat der Mann kein offizielles Gehalt bezogen, da er vor fünfunddreißig Jahren unehrenhaft aus der amerikanischen Armee entlassen wurde.«

»Warum bist du so wütend auf ihn?«, fragt Berko und beobachtet seinen Vater durch die Laternenschlitze seiner Augen.

Hertz erschreckt die Frage, er versucht es aber zu verbergen.

»Ich werde nie wütend«, sagt er. »Nur bei dir, mein Sohn.« Er lächelt. »Er geht also immer noch ins Einstein. Das wusste ich nicht. Er war früher eher ein Kartenspieler als ein Patzer. Er war besser in den Spielen, wo man bluffen muss. Täuschen. Tarnen.«

Landsman erinnert sich an die beiden gut aussehenden jungen Männer, die Litvak als seine Neffen vorstellte. Einer davon war im Wald von Peril Strait, das fällt ihm jetzt ein, er fuhr den Ford Caudillo, auf dessen Rücksitz der schattenhafte Mann saß. Der Schatten eines Mannes, der nicht wollte, dass Landsman sein Gesicht sah.

»Er war da«, sagt Landsman zu Berko. »In Peril Strait. Er war der geheimnisvolle Mann im Auto.«

»Was hat Litvak für dich getan?«, fragt Berko. »Die ganzen Jahre lang?«

Hertz zögert, sein Blick irrt zwischen Berko und Landsman hin und her.

»Dies und das. Alles völlig inoffiziell. Er besaß verschiedene nützliche Talente. Alter Litvak ist vielleicht der begabteste Mann, den ich kenne. Er hat ein Gespür für Systeme und Kontrollen. Er ist geduldig und methodisch. Früher war er unglaublich stark. Ein guter Pilot, ein ausgebildeter Mechaniker. Hervorragender Orientierungssinn. Sehr erfolgreich als Lehrer. Als Ausbilder. Scheiße.«

Mit milder Verwunderung blickt er auf die gebrochenen Zigarrenhälften in seinen Händen. Er lässt sie auf den Teller mit dem Soßenrest fallen und breitet eine Serviette über den Beweis seiner Gefühle.

»Der Jid hat mich verraten«, sagt er. »An diesen Journalisten. Jahrelang hat er Beweise gegen mich gesammelt, dann hat er alles an Brennan weitergegeben.«

»Warum hat er das getan?«, sagt Berko. »Wenn er doch dein Jid war?«

»Ich kann deine Frage wirklich nicht beantworten, mein Kind.« Der Alte schüttelt den Kopf, er hasst Rätsel, und vor diesem wird er bis ans Ende seines Lebens stehen. »Geld, obwohl ich nicht gewusst hätte, dass ihm daran etwas liegen könnte. Frömmigkeit ganz bestimmt nicht. Litvak glaubt an nichts. Er hat keine Überzeugungen. Keine Bindungen, außer zu den Männern, die ihm dienen. Er hat gesehen, was passierte, als seine Leute in Washington an die Macht kamen. Er wusste, dass ich abgeschrieben war, ehe ich es selbst merkte. Ich schätze, er fand einfach, die Zeit wäre reif. Vielleicht hatte er keine Lust mehr, für mich zu arbeiten, wollte meine Stelle selbst haben. Auch nachdem die Amis mich abgeschossen und ihren offiziellen Betrieb eingestellt hatten, brauchten sie jemanden in Sitka. Für ihr Geld konnten sie wirklich keinen besseren als Alter Litvak finden. Vielleicht hatte er einfach keine Lust mehr, im Schach gegen mich zu verlieren. Kann sein, dass er eine Chance sah, mir eins auszuwischen, und sie ergriff. Aber er war nie mein Jid. Der dauerhafte Status hat ihm nie etwas bedeutet. Genauso wenig wie die Sache, für die er jetzt arbeitet, da bin ich mir sicher.«

»Die rote Kuh«, sagt Berko kopfschüttelnd.

»Noch mal zu diesem Plan, entschuldige«, sagt Landsman, »aber erklär’s mir mal langsam. Okay, du hast eine rote Kuh ohne jeden Makel. Und irgendwie schaffst du sie rüber nach Jerusalem.«

»Da schlachtest du sie«, sagt Berko. »Du verbrennst sie und machst eine Paste aus der Asche, und davon tupfst du ein bisschen auf die Priester. Sonst können sie nicht ins Heiligtum gehen, in den Tempel, weil sie unrein wären.« Er schaut seinen Vater fragend an. »Stimmt das so weit?«

»Mehr oder weniger.«

»Gut, aber eine Sache verstehe ich nicht. Steht da nicht, wie heißt sie noch gleich?«, sagt Landsman. »Diese Moschee? Auf dem Hügel, wo früher der Tempel war?«

»Das ist keine Moschee, Meyerle. Das ist ein Schrein«, sagt Hertz. »Qubbat as-Sakhra. Der Felsendom. Die drittheiligste Stätte des Islams. Im siebten Jahrhundert von Abd al-Malik an der Stelle errichtet, wo vorher die beiden Tempel der Juden standen. Die Stelle, wo Abraham Isaak opfern wollte, wo Jakob die Himmelsleiter sah. Der Nabel der Welt. Ja. Wenn man den Tempel wieder aufbauen und die alten Rituale wieder einführen will, um die Ankunft von Messias zu beschleunigen, dann müsste man etwas mit dem Felsendom machen. Er steht im Weg.«

»Bomben«, sagt Berko übertrieben lässig. »Sprengstoff. Gehört das zum Programm von Alter Litvak?«

»Zerstörung«, sagt der alte Mann. Er greift nach seinem Glas, aber es ist weg. »Ja, darin ist der Jid Experte.«

Landsman schiebt sich vom Tisch zurück und steht auf. Er holt seinen Hut vom Türhaken.

»Wir müssen zurück«, sagt er. »Wir müssen mit jemandem reden. Wir müssen es Bina sagen.«

Er klappt sein Handy auf, aber so weit weg von Sitka hat er keinen Empfang. Er geht zum Telefon an der Wand, aber Binas Handy leitet ihn sofort weiter an ihre Mailbox.

»Du musst Alter Litvak finden«, teilt er ihr mit. »Such ihn, halt ihn fest und lass ihn nicht mehr gehen.«

Als er sich wieder dem Tisch zuwendet, sitzen Vater und Sohn immer noch da. Ohne ein Wort zu sagen, stellt Berko Hertz Shemets eine wichtige Frage. Berko hat die Hände wie ein braves Kind im Schoß gefaltet, aber er ist kein braves Kind, und wenn er die Hände ineinander verschränkt, dann nur, um sie davor zu bewahren, Unheil oder Schaden anzurichten. Nach einem Zeitraum, der Landsman sehr lang erscheint, senkt Onkel Hertz den Blick.