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Die jungen Männer sitzen vor einem besonders großen Fernseher, in dem Satellitennachrichten laufen. Auf dem Bildschirm gibt der Premierminister der Mandschurei gerade fünf mandschurischen Astronauten die Hand. Die Kiste, in der der Fernseher geliefert wurde, steht neben seinem ehemaligen Inhalt auf dem Boden. Flaschen mit Energiegetränken und Tüten mit Sonnenblumenkernen stehen auf dem Couchtisch neben Verwehungen von Sonnenblumenschalen. Landsman kann drei automatische Pistolen ausmachen, zwei im Hosenbund, eine in einem Socken. Vielleicht den Kolben einer vierten unter einem Oberschenkel. Niemand freut sich, die Polizeibeamten zu sehen. Ganz im Gegenteil wirken die jungen Männer mürrisch, gereizt. Bestrebt, irgendwo anders zu sein, nur nicht hier.

»Zeigen Sie uns Ihren Durchsuchungsbeschluss.« Das ist Gold, die angespitzte kleine Feile von Mexikaner aus Peril Strait. Er schält sich von der Couch und kommt auf Bina und Landsman zu. Als er Landsman erkennt, hebt sich seine durchgehende Augenbraue an ihrem Scheitelpunkt. »Madam, der da hat kein Recht, hier zu sein. Schicken Sie ihn raus.«

»Immer mit der Ruhe«, sagt Bina. »Wie heißen Sie?«

»Das ist Gold«, sagt Landsman.

»Ah so. Gold, sehen Sie maclass="underline" Ihr seid zu eins, zwei, drei, zu siebt. Wir sind zu zweit.«

»Ich bin nicht mal da«, sagt Landsman. »Ich bin nur eine Illusion.«

»Ich bin hier, um mit Alter Litvak zu sprechen, und dafür brauche ich kein Blatt Papier, mein Schejner. Selbst wenn ich ihn verhaften wollte, könnte ich den Beschluss immer noch nachreichen.« Sie wirft Gold ihr gewinnendes, leicht angestaubtes Lächeln zu. »Ehrlich.«

Gold zögert. Er will die Sache mit seinen sechs Kameraden besprechen, will wissen, was er ihrer Meinung nach tun soll, aber irgendetwas an seinem Vorhaben oder am Leben im Allgemeinen erscheint ihm sinnlos. Er geht zur Schlafzimmertür und klopft. Auf der anderen Seite gibt ein zerlöcherter Dudelsack ein ersterbendes Keuchen von sich.

Der Raum ist so spartanisch und aufgeräumt wie Hertz Shemets’ Hütte, bis hin zum Schachbrett. Kein Fernseher. Kein Radio. Nur ein Stuhl und ein Bücherregal und ein Klappbett in der Ecke. Ein bis zum Boden reichendes Stahlrollo klappert im Wind des Golfes. Litvak sitzt auf dem Bett, die Knie zusammengedrückt, ein aufgeschlagenes Buch im Schoß, und trinkt durch einen knickbaren grünen Strohhalm eine Art Vitaminshake aus einer Dose.

Als Bina und Landsman eintreten, stellt Litvak die Dose ins Bücherregal neben seinen Block mit marmoriertem Papier. Er legt einen Faden in das Buch und klappt es zu. Landsman sieht, dass es eine alte Hardcoverausgabe von Tarrasch ist, wahrscheinlich 300 Schachpartien. Dann blickt Litvak auf. Seine Augen sind zwei glanzlose Pennys. Sein Gesicht besteht aus Höhlen und Vorsprüngen, ein Kommentar im gelben Leder seines Schädels. Er wartet, als seien sie gekommen, um ihm einen Kartentrick vorzuführen. Mit seinem schwer lesbaren großväterlichen Gesichtsausdruck ist er bereit, enttäuscht zu werden und sich gleichzeitig erfreut zu geben.

»Ich bin Bina Gelbfish. Sie kennen Meyer Landsman.« Ich kenne dich auch, sagen die Augen des alten Mannes.

»Reb Litvak kann nicht sprechen«, sagt Gold. »Er hat einen verkrüppelten Kehlkopf.«

»Verstehe«, sagt Bina. Sie mustert die Schäden, die Zeit, Verletzungen und Physik dem Mann zugefügt haben, mit dem sie vor siebzehn, achtzehn Jahren auf der Hochzeit von Landsmans Cousine Shefra Sheynfeld eine Rumba tanzte. Ihr forsches Lady-Schammes-Auftreten hat sie abgelegt, ohne es aufgegeben zu haben. Aufgeben tut sie es nie. Vielleicht schiebt sie es ins Holster, entsichert es, eine Hand mit angewinkelten Fingern an der Hüfte. »Mr. Litvak, ich habe von meinem Detective hier ein paar ziemlich wilde Geschichten über Sie gehört.«

Litvak greift zu seinem Block, auf dem quer die schlanke ebenholzschwarze Zigarre seines Waterman liegt. Er schlägt den Block mit den Fingern einer Hand auf, legt ihn auf sein Knie und studiert Bina so, wie er das Schachbrett im Einstein-Club studierte, sucht nach einer Eröffnung, sieht zwanzig Möglichkeiten, eliminiert neunzehn. Er schraubt seinen Füller auf. Er ist auf der allerletzten Seite. Er schreibt.

Sie machen sich nichts aus wilden Geschichten

»Ja, Sir, das stimmt. Ich bin schon seit vielen Jahren bei der Polizei und kann an den Fingern einer Hand abzählen, wie oft eine wilde Geschichte über den Hergang eines Falls sich hinterher als nützlich oder wahr entpuppt hat.«

Hartes Los — sich einfache Erklärungen in einer Welt voller Juden zu wünschen

»Zugegeben.«

Also schweres Schicksal ein jüdischer Polizist zu sein

»Mir gefällt’s«, sagt Bina schlicht und gefühlvoll. »Es wird mir fehlen, wenn es vorbei ist.«

Litvak zuckt mit den Schultern, wie um anzudeuten, dass er sein Beileid ausdrücken würde, wenn er nur könnte. Seine harten, hellen, rotgeränderten Augen gleiten zur Tür und stellen Gold mit einer erhobenen Augenbraue eine Frage. Gold schüttelt den Kopf und geht dann wieder Fernsehen gucken.

»Ich nehme an, es ist nicht leicht«, sagt Bina. »Aber nehmen wir mal an, Sie erzählen uns, was Sie über Mendel Shpilman wissen, Reb Litvak.«

»Und über Naomi Landsman«, fügt Landsman hinzu.

Wenn Sie glauben ich hätte Mendel getötet haben Sie genauso wenig Ahnung wie er

»Ich glaube überhaupt nichts«, sagt Bina.

Ihr Glück

»Das ist ein Talent von mir.«

Litvak schaut auf die Uhr und gibt ein brüchiges Geräusch von sich, das Landsman für einen geduldigen Seufzer hält. Er schnippt mit den Fingern. Als Gold sich zu ihm umdreht, winkt er mit seinem vollgeschriebenen Block. Gold geht ins Vorderzimmer und kehrt mit einem neuen Block zurück. Er durchquert den Raum und reicht ihn Litvak mit einem Blick, der dem Alten anbietet, die störenden Gäste mit einer Vielzahl interessanter Methoden zu dispensieren oder zu entsorgen. Litvak schickt den Jungen fort, wedelt ihn mit der Hand zurück zur Tür.

Dann rutscht er zur Seite und klopft auf den geräumten Platz neben sich. Bina öffnet den Reißverschluss ihres Parkas und setzt sich. Landsman zieht den Wiener Stuhl heran. Litvak schlägt den Block auf der ersten, jungfräulichen Seite auf.

Jeder Messias versagt, schreibt Litvak, sobald er versucht sich selbst zu erlösen

39.

Sie hatten einen eigenen Piloten, einen guten, einen Veteran aus Kuba namens Frum, der im Pendelverkehr von Sitka flog. Frum hatte in Matanzas und im blutigen Debakel von Santiago unter Litvak gedient. Er war gleichzeitig gläubig und ohne eine Spur von Glauben, eine Kombination von Charakterzügen, die Litvak schätzte, da er oft gezwungen war, sich auf allen Seiten mit der manchmal vorsätzlichen Treulosigkeit von Gläubigen herumzuschlagen. Der Pilot Frum glaubte nur das, was sein Armaturenbrett ihm sagte. Er war sachlich, akribisch, fachkundig, ruhig, hart. Wenn er eine Ladung Rekruten in Peril Strait absetzte, verließen die Jungs Frums Flugzeug mit einer gewissen Ahnung, was für eine Art Soldat sie werden wollten.

Schickt Frum, schrieb Litvak, als sie vom Sachbearbeiter Mr. Cashdollar die Nachricht von einer wunderbaren Geburt in Oregon erhielten. Frum flog an einem Dienstag los. Am Mittwoch — wie soll das reiner Zufall sein, würden die Gläubigen sagen — stolperte Mendel Shpilman in Buchbinders Kuriositätenkabinett im sechsten Stock des Hotel Blackpool und sagte, er wäre bei seinem letzten Segensspruch angekommen und bereit, den an sich selbst zu verschwenden. Inzwischen befand sich der Pilot Frum schon tausend Meilen weiter auf einer Ranch vor Corvallis, wo Fligler und Cashdollar, eingeflogen aus Washington, Probleme hatten, sich mit dem Züchter des magischen roten Tieres auf einen Preis zu einigen.