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Bina läuft durch die Werkstatt, bewundert die Menge und Vielfalt von Seilen und steigt vorsichtig um ein verknotetes Drahtgewirr herum, graues Gummi mit einem blutroten Kupferstummel.

»Schon mal einen Fehler gemacht?«, fragt Bina den Grenz-Mejwen. »Jemandem gesagt, er könne etwas tragen, obwohl es nicht erlaubt ist? Mal eine Linie gezogen, wo keine nötig war?«

»Ich traue mich nicht, Fehler zu machen«, sagt Zimbalist. »Am Sabbat etwas tragen, das ist ein schwerer Verstoß.

Wenn die Leute meinen, dass sie sich auf meine Karten nicht mehr verlassen können, bin ich erledigt.«

»Wir haben immer noch nicht den ballistischen Fingerabdruck der Waffe, mit der Mendel Shpilman getötet wurde«, sagt Bina vorsichtig. »Aber du hast die Wunde gesehen, Meyer.«

»Ja.«

»Sah sie aus, als stammte sie von einer, sagen wir mal, Glock oder einer TEC-9 oder einer anderen Automatik?«

»Meiner unmaßgeblichen Meinung nach«, sagt Landsman, »nicht.«

»Du hast viel wertvolle Zeit mit Litvaks Mannschaft und ihren Feuerwaffen verbracht.«

»Habe jede Minute genossen.«

»Hast du in ihrer Spielzeugkiste irgendwas gesehen, das keine Automatik war?«

»Nein«, sagt Landsman. »Nein, Inspector, das habe ich nicht.«

»Was beweist das?«, fragt Zimbalist und lässt sein zartes Gesäß in das aufblasbare Donutkissen auf seinem Schreibtischstuhl sinken. »Noch wichtiger: Was interessiert mich das?«

»Abgesehen natürlich von Ihrem allgemeinen Interesse, dass in diesem Fall der Gerechtigkeit Genüge getan wird«, sagt Bina.

»Abgesehen davon«, sagt Zimbalist.

»Detective Landsman, glauben Sie, dass Alter Litvak Shpilman umgebracht hat oder den Mord an ihm in Auftrag gab?«

Landsman schaut dem Grenz-Mejwen ins Gesicht und sagt: »Nein. Das hätte er nie getan. Er brauchte Mendel nicht nur. Der Jid hatte begonnen, an Mendel zu glauben

Zimbalist blinzelt, nestelt an seiner Nase herum und denkt darüber nach, als sei es ein Gerücht über einen neuen Wasserlauf, der ihn zwingt, eine seiner Landkarten umzuzeichnen.

»Das glaube ich nicht«, beschließt er. »Jeder andere. Alle anderen. Aber nicht er.«

Landsman hat keine Lust zu streiten. Zimbalist greift nach seinem Tee. Eine rostige Ader windet sich im Wasser wie ein Band in einer Murmel.

»Was würden Sie tun, wenn sich etwas, von dem Sie allen erzählt hätten, es wäre eine Linie auf Ihrer Landkarte«, sagt Bina, »wenn sich das als, sagen wir mal, Falte erwiese? Als Haar? Als verirrter Strich? Irgend so etwas. Würden Sie das gestehen? Würden Sie zum Rebbe gehen? Würden Sie zugeben, dass Sie einen Fehler gemacht haben?«

»Das würde nie passieren.«

»Aber wenn doch. Könnten Sie damit leben?«

»Und wenn Sie wüssten, Inspector Gelbfish, dass Sie einen Unschuldigen viele Jahre ins Gefängnis gebracht hätten, vielleicht für den Rest seines Lebens, könnten Sie damit leben?«

»Das passiert ständig«, sagt Bina. »Und hier stehe ich.«

»Nun gut«, sagt der Mejwen. »Ich nehme an, Sie wissen, wie ich mich fühle. Das Wort ›unschuldig‹ verwende ich übrigens sehr unbedacht.«

»Ich auch«, sagt Bina. »So viel steht fest.«

»In meinem ganzen Leben habe ich nur einen Mann gekannt, für den ich dieses Wort verwenden würde.«

»Dann haben Sie mir etwas voraus«, sagt Bina.

»Mir auch«, sagt Landsman und vermisst Mendel Shpilman, als seien sie jahrelang die besten Freunde gewesen. »Muss ich leider sagen.«

»Wissen Sie, was die Leute erzählen?«, fragt Zimbalist. »Diese Genies, unter denen ich wohne?«

»Sie sagen, dass Mendel wiederkommt.«

»Sie sagen, dass alles genau so geschieht, wie es geschrieben steht. Dass Mendel in Jerusalem sein wird, wenn sie hinkommen, dass er dort auf sie wartet. Um über Israel zu herrschen.«

Tränen laufen die hohlen Wangen des Grenz-Mejwens hinab. Nach einer Weile holt Bina ein sauberes, gebügeltes Taschentuch aus ihrer Jacke. Zimbalist nimmt es und betrachtet es eine Zeit lang. Dann bläst er ein großes Tekiah mit dem Schofar seiner Nase.

»Ich würde ihn gerne wiedersehen«, sagt er. »Das gebe ich zu.«

Bina zieht sich den Gurt ihrer Tasche über die Schulter, die sofort wieder ihre Mission aufnimmt, ihre Besitzerin niederzudrücken.

»Packen Sie Ihre Sachen, Mr. Zimbalist.«

Der alte Mann wirkt verblüfft. Er bläst die Lippen auf, als versuche er, eine unsichtbare Zigarre zu entzünden. Er greift zu einer Lederschlaufe, die auf seinem Schreibtisch liegt, schlägt einen Knoten hinein und legt sie wieder hin. Dann hebt er sie auf und entknotet sie.

»Meine Sachen«, sagt er schließlich. »Wollen Sie damit sagen, dass ich verhaftet bin?«

»Nein«, sagt Bina. »Aber ich möchte gerne, dass Sie mit uns kommen, damit wir uns noch etwas ausführlicher unterhalten können. Vielleicht möchten Sie Ihren Anwalt anrufen.«

»Meinen Anwalt«, sagt er.

»Ich glaube, dass Sie Alter Litvak geholfen haben, aus seinem Hotelzimmer zu fliehen. Ich glaube, Sie haben etwas mit ihm gemacht, ihn auf Eis gelegt, ihn vielleicht sogar getötet. Das würde ich gerne herausfinden.«

»Sie haben keine Beweise«, sagt Zimbalist. »Sie raten nur herum.«

»Sie hat einen kleinen Beweis«, sagt Landsman.

»Ungefähr einen Meter lang«, sagt Bina. »Kann man einen Mann mit einem Meter Seil erhängen, Mr. Zimbalist?«

Der Mejwen schüttelt den Kopf, halb verärgert, halb belustigt. Er hat seine Haltung und Gelassenheit zurückgewonnen.

»Sie verschwenden nur meine und Ihre Zeit«, sagt er. »Ich habe eine Menge Arbeit vor mir. Und Sie haben nach Ihrem eigenen Eingeständnis, Ihrer eigenen Theorie, nicht denjenigen gefunden, der Mendel umgebracht hat. Bei allem Respekt, aber warum kümmern Sie sich nicht darum und lassen mich in Ruhe? Kommen Sie wieder, wenn Sie den vermeintlichen Mörder gefunden haben, dann erzähle ich Ihnen, was ich über Litvak weiß, was im Moment und offiziell und für alle Zeiten nichts ist.«

»So läuft das nicht«, sagt Landsman.

»In Ordnung«, sagt Bina.

»In Ordnung!«, sagt Zimbalist.

Landsman sieht Bina an. »In Ordnung?«

»Wir finden den Mörder von Mendel Shpilman«, sagt Bina. »Und Sie geben uns Ihre Informationen. Hilfreiche Informationen über Litvaks Verschwinden. Wenn er noch lebt, liefern Sie ihn mir aus.«

»Abgemacht«, sagt der Grenz-Mejwen. Er schiebt seine rechte Klaue vor, die nur aus Flecken und Knöcheln besteht, und Bina ergreift sie.

Landsman ist etwas benommen. Er erhebt sich und reicht dem Grenz-Mejwen ebenfalls die Hand. Dann folgt er Bina aus der Werkstatt in den schwindenden Tag und erschreckt sich noch mehr, als er sieht, dass Bina weint. Anders als bei Zimbalist sind es Tränen der Wut.

»Ich kann es nicht glauben«, sagt sie und macht Gebrauch von einem Taschentuch aus ihrem endlosen Vorrat. »Das ist normalerweise deine Art.«

»Das machen in letzter Zeit mehrere Leute, die ich kenne«, sagt Landsman. »Sich plötzlich wie ich benehmen.«

»Wir sind Gesetzeshüter. Wir halten das Gesetz aufrecht.«

»Wir halten uns an die Vorschriften«, sagt Landsman. »Mehr oder weniger.«

»Fick dich.«

»Willst du wieder reingehen und ihn verhaften?«, fragt er. »Können wir tun. Wir haben das Kabel aus dem Tunnel. Wir können ihn festhalten. Und dann weitersehen.«

Sie schüttelt den Kopf. Der Jungmann auf seiner kleinen Landkarte von Flecken starrt sie an, zieht seine schwarze Sergehose hoch und lässt sich nichts entgehen. Landsman beschließt, dass es besser ist, wenn er Bina hier rausbringt. Zum ersten Mal seit drei Jahren legt er den Arm um sie und leitet sie hinüber zum Super Sport, dann geht er auf seine Seite und schlüpft hinters Lenkrad.