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»Was war das?« keuchte André erschrocken.

»Was soll das schon gewesen sein, Schlaumeier?« fragte Ben böse. »Pauls Vater macht Ernst.« Er durchbohrte Paul mit Blicken. »Das war ein Warnschuß. Und ich gehe jede Wette ein, der nächste trifft.«

Auch Paul war von der Erschütterung fast von den Füßen gerissen worden. Mühsam rappelte er sich wieder hoch und sah zur LEOPOLD zurück. Sein Gesicht war völlig weiß geworden.

»Das kann doch nicht sein!« stammelte er. »Das kann er doch nicht machen!«

Als hätte sie nur auf ein Stichwort gewartet, gab die LEOPOLD in diesem Moment einen zweiten Schuß auf sie ab. Diesmal lag der Einschlag wesentlich näher. Plötzlich drehte Singh mit aller Kraft und so schnell am Ruder, daß sich das Schiff auf die Seite legte wie ein Radfahrer in einer scharfen Kurve. Der Mast ächzte unter der Belastung, und das Segel war plötzlich so straff gespannt, als wolle es zerreißen. Erschrockene Schreie gellten über das Deck, und vor Mikes ungläubig aufgerissenen Augen vollführte die Jacht ein Manöver, das er nie für möglich gehalten hätte. Sie machte praktisch auf der Stelle kehrt und jagte nun direkt auf die Felseninsel zu - und die gefährlichen Riffe davor!

»Singh!« kreischte Mike entsetzt. »Willst du uns umbringen?«

Singh schien seine Worte nicht zu hören, sondern hielt das Boot mit eiserner Hand weiter auf Kurs. Mike klammerte sich wieder an der Reling fest. Doch der vernichtende Aufprall, auf den er wartete, kam nicht. Rechts und links der Jacht durchstießen immer wieder spitze Felsen die Wasseroberfläche, aber die Fahrrinne unmittelbar vor ihnen war frei. Es gab einen Weg durch die Riffe, und ganz offensichtlich kannte Singh ihn.

Allerdings fragte sich Mike, wohin Singh überhaupt wollte. Selbst wenn sie die Riffe überwanden - vor ihnen war nichts als senkrechter, unübersteigbarer Fels, an dessen Fuß sich die Wellen mit Urgewalt brachen. Trotzdem hielt Singh immer weiter auf die Insel zu. Die Jacht wurde immer schneller und schwankte manchmal nach rechts oder links, wenn der Inder dem Verlauf der unsichtbaren Fahrrinne folgte. Dann und wann schrammte etwas unter dem Rumpf entlang oder schlug unter Wasser gegen die Bordwand.

Mike sah zur LEOPOLD zurück. Das große Schiff war noch weiter zurückgefallen und verlor jetzt sichtlich mehr und mehr an Tempo. Sein Kapitän hatte wohl eingesehen, daß er der Jacht nicht auf demselben Weg folgen konnte, und zog es vor, sein Schiff nicht unnötig in Gefahr zu bringen.

Das brauchte er auch nicht. Mike beobachtete voller Entsetzen, wie einer der großen Geschütztürme am Vorderdeck herumschwenkte, sich genau auf die Jacht richtete - und eine grelle Feuerzunge ausstieß!

Der dumpfe Knall und die weiße Schaumexplosion vor ihnen erfolgten nahezu gleichzeitig. Die Jacht erzitterte wie unter einem Hammerschlag. Holzsplitter und winzige, scharfkantige Steintrümmer regneten auf sie herab, und in dem Segel über Mikes Kopf gähnte plötzlich ein fast metergroßes, schwarzgerändertes Loch. Winterfeld machte nun tatsächlich Ernst.

»Der nächste Schuß trifft«, sagte Paul. In seinem Gesicht stand das pure Entsetzen geschrieben. »Sie bringen uns um.«

Selbst Mike glaubte mittlerweile nicht mehr daran, daß die LEOPOLD nur Warnschüsse abgab. Winterfeld wollte sie vielleicht nicht umbringen, aber er schien entschlossen, die Jacht unter allen Umständen zu stoppen, und nahm dabei in Kauf, sie zu verletzen oder auch einen oder mehrere von ihnen zu töten. Mike sah, wie das Geschützrohr ein wenig herumschwenkte. Verzweifelt blickte er nach vorne. Die Felswand raste regelrecht auf sie zu. Noch ein paar Sekunden, und sie würden daran zerschellen, falls sie nicht vorher von einer Granate getroffen und in Stücke gerissen wurden!

Und das Schiff schoß weiter auf die Insel zu. Die Felsen kamen näher, immer schneller und schneller, wie eine granitene Faust, die sie zerschmettern würde - und dann waren sie plötzlich fort, und da, wo vor einer Sekunde noch eine scheinbar unüberwindliche Barriere gewesen war, tat sich ein schmaler Kanal auf. Hinter ihnen erscholl wieder ein dumpfer Knall und gleich darauf die Explosion der Granate, die diesmal die Felswand getroffen hatte. Aber sie waren in Sicherheit.

Zumindest vorläufig...

Sicher fragst Du Dich voll Spannung, was Mike und seine Freunde auf der Insel erwartet. Gleich kannst Du weiterlesen, wir wollen Dich nur schnell etwas fragen: Hat es Dir Spaß gemacht, die Jungen auf ihrer gefährlichen Flucht zu begleiten? Möchtest Du auch weiterhin mit ihnen und der Nautilus die Weltmeere durchqueren und die aufregendsten Abenteuer erleben?

Das kannst Du: Der zweite Band, »Das Mädchen von Atlantis«, wartet bereits in der Buchhandlung auf Dich.

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So, jetzt geht's weiter...

Mike kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, und auch die anderen sahen sich mit offenen Mündern um. Der Kanal war vollkommen gerade, als hätte jemand eine gigantische Axt genommen und die Insel mit einem einzigen Schlag gespalten. Das Wasser floß ruhig dahin, und nach dem Lärm und dem Tosen der vergangenen Minuten kam ihnen die Stille fast unheimlich vor.

»Das ist ... phantastisch«, flüsterte Mike.

Singh lächelte. »Ich sagte doch, daß die Insel durch einen mächtigen Zauber geschützt wird.«

Mike widersprach dem Sikh nicht, obwohl er ahnte, daß es wohl eher eine optische Täuschung als Zauberei war, die die Einfahrt verbarg - aber das änderte nichts am Ergebnis.

Und die Wunder waren noch nicht vorbei. Der Kanal war ungefähr hundert Meter lang, dann mündete er in einen kreisrunden, gut eine Meile messenden See. Die Insel war nicht massiv, sondern eine gewaltige Mauer, die diesen See umgab.

Den Strand, den sie auf der äußeren Seite der Insel vermißt hatten, fanden sie nun hier - und noch mehr. Das Äußere der Insel bot sich als kahler, salzverkrusteter Felsen dar, auf dem kein Leben Fuß gefaßt hatte - aber ihr Inneres quoll geradezu davon über. Bis dicht unter die Kanten der natürlichen Schutzmauer erhob sich das Blätterdach eines schier undurchdringlichen Dschungels, in dem es überall raschelte, huschte, knisterte, pfiff, kreischte und schrie. Vögel erhoben sich aus dem Blätterdach und begannen schimpfend über dem Boot zu kreisen, das ihre Ruhe störte, und Mike sah eine Anzahl kleiner Affen, die sich schnatternd von Ast zu Ast schwangen und ihnen ein Stück weit am Ufer folgten. Es war ein phantastischer, wunderbarer Anblick, ein vergessenes Paradies, das vielleicht seit Jahrmillionen vom Rest der Welt vergessen existierte.

Singh deutete schweigend nach vorne. Auf dem flachen, fast weißen Sandstrand erhob sich ein knappes Dutzend großer Gebäude von sonderbarer Bauweise. Mikes Herz begann schneller zu schlagen. Er ahnte, daß das Geheimnis der Vergessenen Insel nun zum Greifen nahe vor ihnen lag.

Als sich das Schiff langsam den Bauwerken auf der anderen Seite des Kratersees näherte, sah Mike, daß es sich bei vielen nur mehr um Ruinen handelte. Die Gebäude, aus tonnenschweren Felsquadern erbaut und einer sonderbar fremdartigen, auf eine beunruhigende Weise zugleich aber auch vertraut erscheinenden Geometrie folgend, waren zum Teil zerstört, zum Teil von Schlingpflanzen und Moos überwuchert, mit denen der Dschungel das Gelände zurückzuerobern begann, das ihm der Mensch einst abgetrotzt hatte. Nirgends war auch nur die mindeste Spur menschlichen Lebens zu sehen. Vor den Türen und Fensteröffnungen spannten sich große Spinnennetze oder Vorhänge aus Schlingpflanzen. Die Ansiedlung war verlassen, begriff Mike, und das schon seit ziemlich langer Zeit.