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Als mir langsam wieder einfiel, warum ich überhaupt in diese Grube gestürzt war, riß ich erschreckt den Kopf hoch, aber nirgends eine Spur des Ungeheuers. Auch nicht das geringste Geräusch.

Ich tastete mich vorsichtig durch die Dunkelheit. Die Wände der Grube fielen schräg ab. Ihr Boden war eben, der Durchmesser betrug etwa zwanzig Fuß. Überall lagen Fleischfetzen herum. Sie waren halb verwest, daher der unerträgliche Gestank.

Genau in der Mitte der Grube berührten meine Finger etwas Hartes: einen senkrecht stehenden Pfahl, der in den Boden gerammt war. Er war so hoch, daß ich seine Spitze mit der Hand nicht erreichen konnte. Er schien mit Fett oder Öl eingeschmiert zu sein.

Plötzlich erinnerte ich mich an die Schachtel mit Streichhölzern in meiner Hosentasche. Ich zog sie heraus, zündete eines an und sah mich in seinem flackernden Schein um.

Wozu die Grube diente, war mir im selben Moment klar.

Es handelte sich um eine Falle - von Menschenhand gebaut. Der Pfahl in der Mitte war an die neun Fuß hoch, an seiner Spitze klebte das vertrocknete Blut von den Tieren, die sich hier aufgespießt hatten. Die Fleischfetzen auf dem Boden dienten als Köder.

Menschen könnten sich auf dem Plateau nicht behaupten, hatte Professor Challenger einmal gesagt. Ihre jämmerlichen Waffen und Hilfsmittel seien gegen die Untiere, die es bewohnten, nicht ausreichend. Aber sie hatten sich zu helfen gewußt und eine Möglichkeit gefunden, zu überleben. In ihre kleinen Höhlen konnten die Ungeheuer nicht eindringen, sie boten den Menschen, wie sie nun auch immer aussehen mochten, Schutz vor räuberischen Angriffen. Gegen die grenzenlose Kraft der Bestien machtlos, hatten sie auf den Trampelpfaden Gruben angelegt und damit bewiesen, daß sie den Tieren doch überlegen waren.

Für einen durchtrainierten Mann wie mich war es keine Schwierigkeit, die schrägen Wände der Grube zu überwinden, aber ich brauchte meine Zeit, bis ich wieder nach oben und damit in die Reichweite des Ungeheuers gelangte, dem ich so knapp entronnen war. Woher konnte ich wissen, ob es mir nicht immer noch auflauerte?

Beim Gedanken an ein Gespräch zwischen den beiden Professoren über die Lebensgewohnheiten der Saurier faßte ich schließlich Mut. Challenger und Summerlee waren sich einig gewesen, daß diese Tiere praktisch kein Gehirn besitzen, weil in ihrer winzigen Schädelhöhle kein Platz dafür vorhanden ist. Ihr Aussterben sei in erster Linie auf ihre eigene Dummheit zurückzuführen, die es ihnen nicht ermöglicht hatte, sich neuen Umweltbedingungen anzupassen.

Falls die Bestie noch auf der Lauer lag, war das ein Beweis dafür, daß sie begriffen haben mußte, was mit mir passiert war, und somit die Fähigkeit besaß, Ursache und Wirkung miteinander in Verbindung zu bringen.

Da der Saurier jedoch laut Challenger und Summerlee kein Gehirn besaß und sich demzufolge nur durch seine Instinkte leiten ließ, mußte das Ungeheuer, das mich verfolgt hatte, seine Jagd in dem Moment aufgegeben haben, da seine Beute im wahrsten Sinne des Wortes spurlos verschwunden war.

Nach diesen Überlegungen wagte ich es schließlich, bis an den Rand der Grube hinaufzuklettern und darüber hinwegzuspähen. Die Sterne waren am Verblassen, der Himmel wurde bereits heller, und ein kühler Morgenwind blies mir ins Gesicht. Von meinem Feind war nichts zu hören und zu sehen.

Ich kletterte vollends aus der Grube und hockte mich daneben auf den Boden, bis ich den Mut auforachte, mich über den Pfad zurückzustehlen. Ich fand sogar das Gewehr wieder, das ich weggeworfen hatte, hob es auf und stieß schließlich auf den Bach, der mir die Richtung zum Lager anzeigte.

Und so machte ich mich auf den Heimweg, wobei ich tausendmal ängstlich über die Schulter blickte.

Plötzlich vernahm ich etwas, das mich an meine fernen Gefährten mahnte. Von weither erscholl durch die klare, stille Morgenluft der scharfe, peitschende Ton eines einzelnen Gewehrschusses. Ich blieb stehen und lauschte, aber es folgte nichts weiter. Einen Moment lang erschreckte mich der Gedanke, irgendeine akute Gefahr könnte über meine Freunde hereingebrochen sein, aber dann fiel mir eine einfachere und natürlichere Erklärung ein. Es war schon heller Tag. Sie hatten nun ohne Zweifel meine Abwesenheit bemerkt, nahmen an, daß ich mich im Wald verirrt hätte, und hatten diesen Schuß abgefeuert, um mir die Richtung zu weisen. Wir hatten uns zwar strikt gegen jedes Schießen entschieden, wenn sie jedoch glaubten, daß ich in Lebensgefahr schwebte, würden sie nicht zögern. Ich mußte also so schnell wie möglich zurück und sie beruhigen.

Ich war müde und erschöpft, und so kam ich nicht so rasch voran, wie ich gern wollte. Aber endlich gelangte ich in bekannte Gefilde. Zu meiner Linken lag der Sumpf der Pterodactylen, vor mir war die Iguanodon-Wiese. Wenig später war ich im letzten Waldgürtel, der mich von Fort Challenger trennte. Mit lauter Stimme rief ich meine Gefährten, um ihre Befürchtungen zu zerstreuen. Keine Antwort kam. Diese Stille schien mir nichts Gutes zu verheißen. Ich beschleunigte meine Schritte und rannte das letzte Stück. Die Schutzhecke erhob sich vor mir genau so, wie ich sie verlassen hatte, aber das Tor stand offen. Ich stürzte hinein. Ein furchtbarer Anblick bot sich mir im kalten Morgenlicht. Unsere Ausrüstung lag in wüstem Durcheinander über den Boden verstreut. Meine Kameraden waren verschwunden, und neben der verglühenden Asche unseres Feuers war das Gras rot gefärbt von einer scheußlichen Blutlache.

Von diesem plötzlichen Schock war ich so betäubt, daß ich für kurze Zeit ganz von Sinnen gewesen sein muß. Wie man sich auf einen bösen Traum besinnt, erinnere ich mich dunkel, daß ich planlos um das verlassene Lager herum durch den Wald irrte und immer wieder laut nach meinen Kameraden rief. Die schweigenden Schatten aber gaben keine Antwort. Der schreckliche Gedanke, daß ich sie nie wiedersehen würde und von jetzt an allein und verlassen an diesem entsetzlichen Ort wäre, ohne Aussicht, je wieder in die Außenwelt zu gelangen, trieb mich zur Verzweiflung. Ich hätte mir die Haare ausreißen und mit dem Kopf gegen die Bäume rennen mögen. Jetzt erst begriff ich, wie sehr ich mich auf meine Gefährten verlassen hatte - auf Challengers unerschütterliches Selbstvertrauen und auf Lord Johns überlegene, humorvolle Kühle. Ohne sie war ich wie ein Kind im Dunkeln, hilflos und ohnmächtig. Ich wußte nicht, wohin ich mich wenden oder was ich zuerst tun sollte.

Nachdem ich geraume Zeit in Verwirrung dagesessen hatte, machte ich mich daran, zu untersuchen, was für ein unverhoffies Mißgeschick meine Gefährten ereilt haben mochte. Der Zustand des Lagers sprach dafür, daß sie angegriffen worden waren, und der Gewehrschuß gab den Zeitpunkt an. Da nur ein einziger Schuß gefallen war, mußte man annehmen, daß alles in Sekundenschnelle vorüber gewesen war. Die Gewehre lagen noch am Boden, und eines davon - das von Lord John - enthielt eine leere Patronenhülse. Challengers und Summerlees Decken neben dem Feuer sprachen dafür, daß sie zur Zeit des Angriffs noch geschlafen hatten. Die Kisten mit Munition und Lebensmitteln sowie unsere Kameras und Plattenkästen lagen im wüsten Haufen durcheinander, aber nichts davon fehlte. Lediglich die unverpackten Nahrungsmittel - und ich erinnerte mich, daß wir eine ganze Menge davon hatten - waren verschwunden. Es mußten also Tiere gewesen sein, keine Menschen.

Wo aber waren meine Kameraden? Wenn sie von wilden Tieren zerrissen worden waren, dann hätten Überreste und nicht nur eine Blutlache vorhanden sein müssen. Ein Ungeheuer wie jenes, das mich in der Nacht verfolgt hatte, konnte mit Sicherheit seine Opfer einfach davontragen. In diesem Falle hatten die anderen die Verfolgung aufgenommen, hätten aber ganz bestimmt ihre Gewehre mitgenommen. Je länger ich mich bemühte, die Zusammenhänge in meinem verwirrten und übermüdeten Kopf zu ergründen, desto rätselhafter erschien mir alles. Ich suchte den Wald ab, konnte aber keine Spur finden.