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»Seien Sie doch froh, daß Sie nicht aussehen wie jedermann, Professor Challenger«, sagte Lord John und grinste. »Dieser Affenkönig hätte Sie sonst nie .«

»Sie gehen zu weit, Lord John«, fiel ihm Challenger ins Wort. »Ich verbitte mir derlei Bemerkungen.«

»Sie entsprechen aber den Tatsachen.«

»Ich darf Sie trotzdem bitten, das Uema zu wechseln. Ihre Feststellungen sind irrelevant und interessieren niemanden auch nur im geringsten. Wir stehen hier vor der Frage, was wir mit den Indianern anfangen. Am besten wäre es, sie nach Hause zu bringen, aber dazu müßten wir wissen, wo sie zu Hause sind.«

»Mr. Melone weiß es. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann ist es ganz schön weit bis zu ihren Höhlen.«

»An die zwanzig Meilen«, sagte ich. Professor Summerlee stöhnte. »Ich schaffe das nie, das kann ich Ihnen gleich sagen. Außerdem höre ich diese Bestien schon wieder heulen.«

Jetzt hörten wir sie auch. Aus der Tiefe des Waldes drangen die unartikulierten Schreie der Affenmenschen. Die Indianer brachen erneut in Angstgewimmer aus.

»Nichts wie weg von hier«, rief Lord John. »Sie helfen Professor Summerlee, Mr. Malone. Wir halten die Gewehre schußbereit. Die Indianer müssen unseren Proviant tragen. Los, kommen Sie, bevor sie uns entdecken!«

Nach einer knappen halben Stunde hatten wir den markierten Zufluchtsort im Unterholz erreicht und uns dort versteckt. Den ganzen Tag über hörten wir die Affenmenschen Richtung Fort Challenger trampeln, aber in unsere Richtung kamen sie nicht. Professor Challenger, Lord John und ich lösten uns in unseren Wachen ab, die anderen schliefen einen tiefen, erschöpften Schlaf.

Gegen Abend, ich war gerade etwas eingedöst, zupfte mich jemand am Ärmel. Ich schlug die Augen auf und sah Professor Challenger neben mir knien.

»Sie zeichnen diese Ereignisse doch auf, junger Mann«, sagte er mit feierlichem Gesicht.

»Richtig«, antwortete ich.

»Und Sie wollen Ihre Aufzeichnungen doch eines Tages veröffentlichen, oder?«

»Ja.«

»Gut. Lord John hat da so einige Bemerkungen fallen lassen, die darauf hinweisen sollten, daß eine gewisse Ähnlichkeit zwischen mir und diesen ... diesen ...«

»Ja, ich habe sie gehört.«

»Dann brauche ich wohl nicht zu betonen, daß die Wiedergabe dieser Bemerkungen und vor allem die Veröffentlichung äußerst beleidigend für mich wären.«

»Ich werde mich strikt an die Wahrheit halten«, sagte ich.

»Lord John pflegt in regelmäßigen Abständen recht phantasievolle und übertriebene Feststellungen zu machen, die lediglich dazu geeignet sind, die Würde des Individuums zu untergraben. Verstehen Sie, was ich meine?«

»Vollkommen.«

»Dann überlasse ich die Angelegenheit Ihrem Taktgefühl, junger Mann.« Es folgte eine lange Pause. »Der Affenkönig - wie Lord John sich ausdrückte - ist übrigens ein sehr bemerkenswertes Geschöpf«, fuhr er schließlich fort. »Ausgesprochen gut aussehend und intelligent. Ist Ihnen das nicht auch aufgefallen?«

»Doch«, antwortete ich. »Eine echte Persönlichkeit.« Ein Stein fiel dem Professor vom Herzen. Erleichtert legte er sich auf den Boden und schlief weiter.

14

Das waren die wirklichen Errungenschaften

Wir hatten uns eingebildet, daß unsere Verfolger, die Affenmenschen, von unserem Versteck im Unterholz nichts wüßten, aber wir sollten bald merken, daß wir uns verrechnet hatten. Man hörte keinen Laut im Wald. Nicht ein Blatt regte sich in den Bäumen, alles war friedlich um uns. Aber durch frühere Erlebnisse hätten wir eigentlich wissen müssen, wie schlau und geduldig diese Kreaturen beobachten und abwarten konnten, bis ihre Chance kam.

Auch nach dem ausgedehnten Schlaf waren alle noch erschöpft. Die Strapazen des Vortages und das unzureichende Essen machten sich bemerkbar. Summerlee war noch immer so schwach, daß er sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Er besaß jedoch eine verbissene Energie und wollte sich nicht geschlagen geben. Wir hielten eine Lagebesprechung ab und beschlossen, noch für ein oder zwei Stunden hierzubleiben und unser dringend notwendiges Frühstück einzunehmen. Danach wollten wir uns über das Plateau und um den Gladys-See herum zu den Höhlen schleichen, wo die Indianer hausten. Wir rechneten damit, daß unsere Schützlinge ein gutes Wort einlegen und uns einen herzlichen Empfang bei ihren Genossen sichern würden. Und dann, nach Erfüllung dieser Aufgabe und im Besitz wertvoller Kenntnisse über dieses Land, wollten wir unsere ganze Energie auf die lebenswichtige Frage unseres Abstiegs richten. Sogar Challenger war jetzt bereit zuzugeben, daß wir dann alles Menschenmögliche getan hatten und verpflichtet waren, unsere Entdeckungen zurück in die Zivilisation zu tragen.

Wir konnten uns endlich die Indianer, die wir gerettet hatten, in Ruhe etwas näher ansehen. Sie waren kleine Männer, drahtig, gelenkig und gut gebaut. Ihre langen schwarzen Haare waren am Hinterkopf mit Lederbändern zu einem Knoten gebunden. Auch ihr Lendenschurz war aus Leder. Sie hatten bartlose, gutgeschnittene und gutmütige Gesichter. Ihre zerfetzten, blutigen Ohrläppchen ließen erkennen, daß sie darin Schmuckstücke getragen hatten, die ihre Peiniger herausgerissen hatten. Ihre Sprache war fließend, aber wir verstanden natürlich kein Wort davon. Als sie aufeinander zeigten und mehrmals das Wort Accala wiederholten, vermuteten wir, daß das der Name ihres Volkes war. Zuweilen, die Gesichter von Furcht und Haß verzerrt, drohten sie mit geballten Fäusten in den Wald hinein und riefen Doda! Doda!, was offenbar die Bezeichnung für den Feind war.

»Was halten Sie von ihnen, Challenger?« fragte Lord John. »Für mich steht fest, daß der kleine Bursche, der den Kopf vorn rasiert hat, ein Häuptling ist.«

In der Tat mußte dieser Mann eine bevorzugte Stellung einnehmen, denn die anderen wagten nur mit allen Anzeichen tiefen Respekts das Wort an ihn zu richten. Er schien der jüngste von ihnen zu sein, war aber dennoch von so stolzer, hochmütiger Haltung, daß er sich wie ein ungezähmtes Pferd aufoäumte und sich mit blitzenden Augen entfernte, als Challenger ihm seine große Pranke auf den Kopf legte. Dann hielt er sich die Hand vor die Brust und wiederholte in würdevoller Haltung mehrere Male das Wort Mareta. Der Professor packte unbeeindruckt den nächsten Indianer an der Schulter und machte sich daran, über ihn zu dozieren, als hätte er ein ausgestopftes Exemplar vor sich.

»Ob man nun nach der Schädelkapazität, dem Stirnwinkel oder nach irgendwelchen anderen Methoden urteilt«, sagte er mit seiner schulmeisterlichen Art, »man kann die Entwicklungsstufe dieser Leute durchaus nicht als primitiv bezeichnen. Im Gegenteil, ich würde sie weit höher ansetzen als die Entwicklungsstufe von so manchem südamerikanischen Indianerstamm, der mir begegnet ist. Wie sich diese Rasse hier entwickelt haben kann, können wir uns mit unseren herkömmlichen ^eorien nicht erklären. Das gilt meiner Meinung nach auch für die Affenmenschen. Sie sind so viel höher entwickelt als jedes Tier, das uns bisher hier begegnet ist, daß man den Ursprung ihrer Entwicklungsgeschichte nicht hier auf diesem Plateau suchen darf.«

»Aber sie können ja nicht vom Himmel gefallen sein«, sagte Lord John.

»Das mit Sicherheit nicht«, sagte Professor Challenger. »Die Frage ihres Ursprungs wird in wissenschaftlichen Kreisen Europas und Amerikas heftige Diskussionen auslösen. Ich habe natürlich bereits meine Erklärung für das Phänomen.« Er warf sich in die Brust und setzte eine hochmütige Miene auf. »Folgendes: Den gegebenen Bedingungen der geografischen Lage des Landes entsprechend, hat sich das tierische Leben bis zum vertebralen Stadium entwickelt, wobei alte Spezies überlebten und gemeinsam mit den neuen Formen tierischen Lebens dieses Plateau bevölkerten. Daher treffen wir neuzeitliche Geschöpfe wie den Tapir an - ein Tier mit einer stattlich langen Ahnenreihe -, den Hirsch und den Ameisenbär, wie auch Reptilien des Jurazeitalters. Soweit ist der Fall klar. Aber - wie steht es nun mit den Affenmenschen und den Indianern? Wie soll sich der wissenschaftlich denkende Mensch ihre Anwesenheit auf diesem Plateau erklären? Doch nur durch eine Invasion von außen. Es ist durchaus denkbar, daß in längst vergangenen Zeiten ein anthropoider Affe in diesen Breitengraden existiert und seinen Weg auf das Plateau gefunden hat. Er hat sich weiterentwickelt, und schließlich wurde er zu der Kreatur, die wir gesehen haben und die .« - er sah mich mit scharfem Blick an - »zum Teil vom Aussehen und der Gestalt her mit den Menschen verglichen werden könnte, wäre sie mit Intelligenz ausgestattet.«