»Ein brennbares Gas, das entschieden leichter als Luft ist«, erklärte er. »Ich möchte behaupten, daß es einen beträchtlichen Anteil von freiem Wasserstoff enthält. Die Flut erfinderischer Einfalle ist bei G.E.Ch. noch nicht versiegt, mein junger Freund. Ich werde Ihnen noch beweisen, wie man sich die Natur nach seinem Willen dienstbar machen kann.«
Er war erfüllt von einem geheimen Plan, wollte aber nichts weiter verraten.
Von allem, was wir am Ufer sahen, erschien mir nichts so wundervoll wie die gewaltige Wasserfläche vor uns. Unsere Anwesenheit hatte alle Lebewesen vom Ufer verscheucht. Bis auf einige Pterodactylen, die hoch über unseren Köpfen ihre Kreise zogen und auf Abfälle wartete, blieb um das Lager herum alles still.
Ganz anders war es aber auf den rötlich leuchtenden Wassern des Gladys-Sees. Er kochte und brodelte vor Leben. Große schieferfarbene Leiber und hohe, gezackte Rückenflossen schossen in silbrigem Schaum aus dem Wasser empor und stürzten sich wieder hinab in die Tiefe. Auf den Sandbänken weiter draußen krochen schwerfällige Tiere herum - riesige Schildkröten, sonderbare Saurier und eine große, platte Kreatur, die sich wie eine pulsierende, fettig schwarze Masse langsam zum See hinunterwand. Da und dort ragten Schlangenköpfe aus dem Wasser, die mit einem kleinen Schaumkragen vorn und einer langen, strudelnden Welle hinten sich schnell dahinzogen, wobei sie in graziösen Bewegungen auf- und niederwogten. Als eines dieser Geschöpfe ein paar hundert Meter vor uns auf eine Sandbank glitt und dabei unterhalb des langen Schlangenhalses ein plumper, faßförmiger Rumpf mit riesigen Ruderflossen zum Vorschein kam, brachen Challenger und Summerlee, der sich inzwischen zu uns gesellt hatte, in Begeisterungsstürme aus.
»Ein Plesiosaurus! Ein Süßwasser-Plesiosaurus!« rief Summerlee. »Daß ich einen solchen Anblick erleben darf! Wir sind die glücklichsten aller Zoologen seit Weltbeginn, mein lieber Challenger!«
Erst als die Nacht hereingebrochen war und die Feuer unserer Verbündeten rot im Dunkeln leuchteten, konnten sich unsere beiden Gelehrten von den Wundern dieses ur-zeitlichen Sees losreißen. Am Ufer liegend, hörten wir bis spät in die Nacht hinein ihr Schnaufen und Platschen.
Mit dem Morgengrauen wurde es in unserem Lager lebendig, und schon eine Stunde später waren wir zu unserer denkwürdigen Expedition unterwegs. Oft hatte ich davon geträumt, einmal Kriegsberichterstatter zu werden. Aber einen Feldzug wie diesen hätte ich mir auch im wildesten Traum nicht ausmalen können. Hier folgt also mein erster Bericht vom Schlachtfeld:
Ein weiterer Trupp von Eingeborenen war während der Nacht aus den Höhlen gekommen und hatte unsere Zahl verstärkt. Wir mögen beim Abmarsch vier- bis fünftundert Mann gewesen sein. Ein Halbkreis von Spähern ging voraus. Dahinter bewegte sich der Rest in zusammenhängender Marschsäule den langen Abhang des Buschgebiets hinauf, bis wir dicht am Waldrand waren. Hier schwärmten sie zu einer langen, ununterbrochenen Linie von Speerwerfern und Bogenschützen aus. Roxton und Challenger begaben sich an die rechte Flanke, Summerlee und ich an die linke. Ein Steinzeitheer war es, das wir in die Schlacht begleiteten - wir, die wir mit den letzten Erzeugnissen moderner Büchsenmacherkunst ausgerüstet waren.
Wir brauchten nicht lange auf den Feind zu warten. Ein wüstes, schrilles Geheul erhob sich am Waldrand, und plötzlich stürzte eine Horde mit Keulen und Steinen bewaffneter Affenmenschen hervor und stürmte auf das Zentrum der Schützenkette los. Ein tapferer, aber idiotischer Angriff, denn die großen krummbeinigen Kreaturen waren schlecht zu Fuß, während ihre Gegner katzenhafte Behendigkeit bewiesen. Es war entsetzlich, mit anzusehen, wie die wütenden Bestien mit schäumendem Maul und hervorquellenden Augen auf die Indianer losgingen und sie packen wollten, sie aber stets verfehlten, während sich Pfeil auf Pfeil in ihr Fell bohrte. Ein großer Kerl, ein Dutzend Schäfte in Brust und Rücken, lief brüllend an mir vorbei. Ich gab ihm den Gnadenschuß, und er stürzte mit ausgebreiteten Armen in einen Aloenbusch.
Es blieb bei diesem einen Schuß, denn der Angriff hatte sich gegen das Zentrum unserer Streitmacht gerichtet, und die Indianer bedurften keiner Hilfe, ihn abzuschlagen. Nicht einer von den Affenmenschen, die aus dem Wald herausgekommen waren, gelangte wieder dorthin zurück.
Sobald wir jedoch zwischen die Bäume kamen, wur-de die Angelegenheit ernst für uns. Bald nach unserem Eindringen in den Wald tobte ein erbitterter Kampf, in dem wir uns zeitweise kaum zu behaupten vermochten. Aus dem Unterholz sprangen Affenmenschen hoch, riesige Keulen schwingend. Sie fielen über die Indianer her, von denen sie oft drei oder vier niederstreckten, ehe ein Speer sie durchbohrte. Ihre furchtbaren Schläge zerschmetterten alles, was sie trafen. Einer schlug Summerlees Flinte zu Kleinholz und hätte ihm mit dem nächsten Schlag den Schädel zertrümmert, wäre er nicht von einem Indianer ins Herz getroffen worden. Andere schleuderten aus den Bäumen über uns Steine und Holzknüttel herunter und ließen sich schließlich selbst auf unsere Reihen fallen, wo sie wütend kämpften, bis sie niedergestreckt werden konnten.
Einmal brachen unsere Verbündeten unter dem feindlichen Druck zusammen und hätten ohne die verheerende Wirkung unserer Gewehre gewiß den Rückzug antreten müssen. So aber sammelten sie sich wieder unter ihrem tapferen alten Häuptling und griffen erneut und mit einer derartigen Wucht an, daß die Affenmenschen zu weichen begannen. Summerlee hatte keine Waffe mehr, aber ich schoß ein Magazin nach dem anderen leer, während wir von der anderen Seite her das pausenlose Krachen der Gewehre unserer Gefährten vernahmen.
Und dann kam plötzlich der Moment, an dem sich die Schlacht von einer Sekunde zur anderen in Panik auflöste. Schreiend und heulend stoben die großen Bestien nach allen Richtungen durch das Unterholz davon, während un-sere Verbündeten wilde Freudenrufe ausstießen und ihren fliehenden Feinden nachsetzten. Alle Fehden unzähliger Generationen, aller Haß und alle Grausamkeit ihrer Stammesgeschichte, alle Peinigungen und Verfolgungen sollten an diesem einen Tag endlich Vergeltung finden. Endlich sollte der Mensch seine Herrschaft antreten und das Menschentier für alle Zeiten auf den ihm zugedachten Platz verweisen. So sehr die Flüchtlinge auch liefen, den flinken Indianern entkamen sie nicht. Im dichten Wald hörten wir von allen Seiten die triumphierenden Schreie, das Schwirren der Bogensehnen, das Krachen und den Aufschlag, wenn die Affenmenschen aus ihren Verstecken in den Bäumen heruntergeschossen wurden.
Lord John und Challenger waren zu uns herübergekommen.
»Es ist vorbei«, sagte Lord John. »Ich denke, das Aufräumen überlassen wir den Indianern. Je weniger wir sehen, desto ruhiger werden wir schlafen.«
Challengers Augen glänzten noch vor Kampfeslust.
»Wir hatten soeben die einmalige Gelegenheit«, rief er und stolzierte umher wie ein Pfau, »eine der typischen Entscheidungsschlachten der Weltgeschichte mitzuerleben - jener Schlachten, die das Geschick der Erde bestimmt haben. Was, meine Freunde, bedeutet dagegen die Unterwerfung einer Nation durch die andere? Sie ist unwesentlich und zeitigt jedesmal das gleiche Ergebnis. Aber jene unerbittlichen Kämpfe, in denen sich in grauer Vorzeit der Höhlenmensch gegen das Tier behaupten und erkennen mußte, daß es jemanden gab, der ihm überlegen war, das waren die wirklichen Entscheidungsschlachten - die bleibenden Siege. Durch eine seltsame Schicksalsfügung haben wir eine derartige Auseinandersetzung miterlebt und entscheiden helfen. Von jetzt an gehört auch auf diesem Plateau die Zukunft dem Menschen.«