Man brauchte schon einen robusten Glauben an diesen Endzweck, um die mehr als gewaltsamen Mittel gutzuheißen. Als wir weiter in den Wald hineingingen, fanden wir die Affenmenschen, von Speeren und Pfeilen durchbohrt, reihenweise niedergemetzelt. Hie und da bezeichnete eine kleine Gruppe zerschmetterter Indianer die Stelle, wo einer der Anthropoiden sein Leben bis zum äußersten verteidigt hatte. Vor uns hörten wir noch immer das Schreien und Rufen, das uns die Richtung der Verfolgung wies. Die Affenmenschen waren zu ihrem Dorf zurückgetrieben worden. Sie hatten dort eine letzte Schlacht geliefert und waren wieder geschlagen worden.
Die allerletzte schauerliche Szene wurde uns nicht erspart. Etwa achtzig bis hundert männliche Affen, die letzten Überlebenden, waren über die Lichtung bis an den Rand der Klippen getrieben worden. Als wir hinzukamen, hatten die Indianer sie mit einem Halbkreis von Speerwerfern umzingelt. Dreißig bis vierzig wurden an Ort und Stelle niedergemacht. Die übrigen wurden, so sehr sie auch schrien und sich sträubten, in den Abgrund gestoßen.
Es traf ein, was Challenger gesagt hatte: Die Herrschaft des Menschen war in Maple-White-Land für alle Zeiten gesichert. Die Affenmännchen waren ausgerottet, ihr Dorf zerstört, Weibchen und Junge wurden in die Sklaverei getrieben. Der lange Kampf um die Vorherrschaft hatte seine blutige Entscheidung gefunden.
Für uns brachte der Sieg einen großen Vorteil. Wir konnten wieder unser Lager aufsuchen und zu unseren Vorräten gelangen. Wir konnten auch die Verbindung mit Zambo wieder aufnehmen, der entsetzt mitangesehen hatte, wie eine Lawine über die Klippen gestürzt worden war, eine Lawine von Affen.
»Weg, schnell weg!« rief er mit schreckgeweiteten Augen. »Der Teufel Sie bestimmt noch kriegen, wenn Sie oben bleiben!«
»Die Stimme der Vernunft!« sagte Summerlee im Brustton der Überzeugung. »Wir haben genug Abenteuer erlebt, mehr als für uns gut ist. Ich nehme Sie jetzt beim Wort, Challenger. Von jetzt an werden Sie Ihre ganze Energie darauf verwenden, uns aus diesem scheußlichen Land heraus und wieder zurück in die Zivilisation zu bringen!«
15
Unsere Augen haben große Wunder gesehen
Ich hoffe zuversichtlich, noch vor dem Schluß dieses Briefes berichten zu können, daß endlich Licht durch die Wolken bricht, die uns seit langem beschatten. Wir sitzen zwar immer noch ohne einen erkennbaren Ausweg fest und wehren uns erbittert. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, daß wir eines Tages froh sein werden, hier gegen unseren Willen länger aufgehalten worden zu sein. Wir haben auf diese Weise noch mehr von den Wundern dieses einmaligen Ortes und den Geschöpfen, die ihn bewohnen, gesehen.
Der Sieg der Indianer und die Ausrottung der Affenmenschen brachten einen Wendepunkt für unser Geschick. Von da ab waren wir die eigentlichen Herren des Plateaus. Die Indianer begegneten uns mit einer Mischung aus Scheu und Dankbarkeit, da wir ihnen mit unseren unerklärlichen Kräften geholfen hatten, ihren Erbfeind vernichtend zu schlagen. In ihrem eigenen Interesse wären sie vielleicht froh gewesen, uns fürchterliche, unberechenbare Leute wieder loszuwerden, aber sie haben von sich aus keine Möglichkeit angedeutet, wie wir wieder nach unten in die Ebene gelangen könnten. Soweit wir ihrer Zeichensprache zu folgen vermochten, hatte es früher einen Tunnel gegeben, dessen unteren Zugang wir ja von außen gesehen hatten. Durch ihn hatten zweifellos sowohl die Affenmenschen als auch die Indianer zu verschiedenen Epochen das Plateau erklommen. Auch Maple White hatte mit seinem Begleiter diesen Weg benutzt. Im letzten Jahr hatte es jedoch ein furchtbares Erdbeben gegeben, und das obere Ende des Tunnels war eingestürzt.
Die Indianer schüttelten nur den Kopf und zuckten die Achseln, wenn wir ihnen mit Zeichen zu verstehen gaben, daß wir gerne hinunter wollten. Es ist möglich, daß sie uns nicht helfen können, aber es kann ebensogut sein, daß sie es nicht wollen.
Nach dem erfolgreichen Sieg über die Affenmenschen waren die überlebenden Weibchen und Jungen über das Plateau getrieben und unter der Felswand mit den Höhlen eingepfercht worden. Ihr Jammern und Schreien werden mir noch lange in den Ohren klingen, und auch den Anblick, der mich seltsamerweise an die Vertreibung der Juden aus Ägypten erinnerte, werde ich lange nicht vergessen können. Nachts hören wir noch immer das langgedehnte Wimmern und Geheul der armseligen versklavten Kreaturen, die mittlerweile niedrige Dienste wie Wasserholen und Holzfällen verrichten müssen.
Zwei Tage nach der Schlacht waren wir gemeinsam mit unseren Verbündeten über das Plateau gezogen und hatten am Fuße ihrer Klippen unser Lager aufgeschlagen. Sie hatten uns angeboten, ihre Höhlen mit uns zu teilen, aber Lord John hatte davon absolut nichts wissen wollen, weil sie uns damit völlig in der Hand gehabt hätten. Wir bewahrten also unsere Unabhängigkeit und hielten ständig unsere Waffen für den Notfall bereit, pflegten aber andererseits freundschaftliche Beziehungen zu ihnen. Wir besuchten auch ihre Höhlen, äußerst merkwürdige Behausungen, von denen wir nicht wußten, ob sie durch Menschenhand oder Naturgewalten entstanden waren. Sie lagen sämtlich in einer Schicht von verhältnismäßig weichem Gestein, die zwischen vulkanischem Basalt und hartem Granit verlief.
Die Öffnungen waren etwa achtzig Fuß über dem Boden. Lange Steintreppen führten zu ihnen hinauf. Sie waren so schmal und steil, daß kein Tier sie ersteigen konnte. Innen waren die Höhlen warm und trocken. Gerade Gänge von unterschiedlicher Länge führten in den Fels hinein, ihre glatten grauen Wände waren mit Kohlezeichnungen bemalt, welche die verschiedenen Formen tierischen Lebens darstellten, von denen die Einwohner des Plateaus umgeben waren. Selbst wenn plötzlich alles Leben in Maple-White-Land erlosch, konnte ein künftiger Forscher hier immer noch im Überfluß Beweise für die einmalige Fauna finden, die in grauer Vorzeit einmal die ganze Erde bevölkert hatte.
Seit wir erfahren hatten, daß die riesigen Iguanodone als zahme Herdentiere von den Indianern gehalten wurden und einfach wandelnde Fleischvorräte darstellten, glaubten wir, daß der Mensch hier sogar mit seinen primitiven Waffen die Vorherrschaft erlangt hatte. Daß er in Wirklichkeit aber nur geduldet wurde, sollten wir bald feststellen müssen.
Am dritten Tag nach der Errichtung unseres Lagers bei den Höhlen waren Challenger und Summerlee gemeinsam zum See hinuntergegangen, wo einige Eingeborene nach ihren Anweisungen einzelne Exemplare großer Echsen harpunierten. Lord John und ich waren im Lager zurückgeblieben. Eine Anzahl von Indianern war auf dem grasbewachsenen Hang vor den Höhlen mit den verschiedensten Arbeiten beschäftigt. Plötzlich hörten wir einen schrillen Entsetzensschrei, und das Wort Stoa erscholl aus hundert Kehlen. Männer, Frauen und Kinder stürzten von allen Seiten in panikartiger Flucht herbei, jagten die Treppen hoch und verschwanden in den Höhlen.
Mit wilden Gesten versuchten sie, uns zu verstehen zu geben, daß wir ihnen folgen sollten, doch wir hatten bereits zu den Gewehren gegriffen und wollten erst einmal sehen, welche Gefahr hier drohte. Plötzlich brach aus dem nahen Baumgürtel eine Gruppe von zwölf bis fünfzehn Indianern hervor, die um ihr Leben rannten. Ihnen folgten unmittelbar auf den Fersen zwei jener grausigen Ungeheuer, die einmal unser Lager umschlichen und mich auf meiner Nachtwanderung verfolgt hatten. In der Gestalt glichen sie scheußlichen Kröten. Sie bewegten sich in langen Sprüngen vorwärts und übertrafen an Größe und Massigkeit jeden Elefanten. Bisher hatten wir sie nur während der Nacht gesehen - sie sind tatsächlich auch Nachttiere und lassen sich tagsüber nur dann blicken, wenn sie, so wie diese beiden, in ihren Schlupfwinkeln gestört wurden. Ihre fleckige, warzige Haut schillerte bei jeder ihrer Bewegungen, wir hatten jedoch nicht viel Zeit, sie zu betrachten, denn in Sekundenschnelle hatten sie die fliehenden Indianer eingeholt und begannen ein furchtbares Blutbad unter ihnen anzurichten.