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»Wenn die Zeichnung stimmt, dann teilt sich die Höhle nach einem geraden Stück in zwei Arme«, sagte ich. »Wir sind im Dunkeln an der Gabelung vorbeigelaufen, weil die Fackeln noch nicht brannten. Der längere Arm biegt nach links ab, und wir sind rechts gegangen.«

Es war, wie ich gesagt hatte. Keine dreißig Meter weiter tat sich eine große schwarze Öffnung in der Wand vor uns auf. Dort entlang liefen wir viele hundert Meter, atemlos vor Ungeduld. Endlich sahen wir in dem schwarzen Gewölbe vor uns einen dunkelroten Lichtschimmer, eine glühende Fläche, die uns den Weg zu versperren schien. Wir hasteten darauf zu. Kein Laut, keine Wärme, keine Bewegung ging davon aus. Aber immer heller glühte der seltsame leuchtende Vorhang vor uns, tauchte die Höhle in silbriges Licht und verwandelte den Sand in Diamantenstaub. Je näher wir an die große glühende Scheibe herankamen, desto deutlicher zeichnete sich ihr Rand ab.

»Donnerwetter, das ist ja der Mond!« schrie Lord John plötzlich. »Wir sind durch! Wir sind durch!«

Es war tatsächlich der Vollmond, der geradewegs durch die Öffnung schien, die auf die Klippen hinausführte. Wir fanden nur einen schmalen Spalt, nicht größer als ein Fenster, aber für unsere Zwecke genügte er vollkommen. Als wir den Kopf hindurchsteckten, sahen wir, daß der Abstieg nicht sehr steil war und der ebene Boden nicht allzu tief unter uns lag. Kein Wunder, daß wir diese Stelle von unten nicht bemerkt hatten, denn die Klippen wölbten sich darüber stark nach außen vor. Wir vergewisserten uns, daß wir mit Hilfe unseres Seils einen Weg nach unten finden konnten, und kehrten dann glückstrahlend zu unserem Lager zurück, um die Vorbereitungen für die Abreise am nächsten Abend zu treffen.

Was wir vorhatten, mußte schnell und heimlich geschehen, denn auch in dieser letzten Stunde konnten uns die Indianer immer noch an unserem Vorhaben hindern. Unsere Vorräte wollten wir zurücklassen, die Gewehre und Patronen natürlich mitnehmen. Mit Challengers Sachen hatten wir die meiste Mühe. Ein Paket, von dessen Inhalt ich nicht sprechen darf, brachte uns schier an den Rand unserer Geduld.

Der Tag wollte nur sehr langsam vergehen. Bei Einbruch der Dunkelheit waren wir fertig. Mit vieler Mühe schaffien wir unsere Sachen die Treppen hinauf und wandten uns dann zurück, um zum Abschied noch einen letzten langen Blick auf dieses seltsame Land zu werfen, das bald von Jägern und Schatzsuchern überlaufen sein wird, für uns aber immer ein Traumland voller Zauber und Romantik bleibt. In diesem Land haben wir viel gelitten, viel gewagt und viel gelernt. »Unser Land«, wie wir es liebevoll nennen werden. Links von uns der warme, rote Feuerschein der bewohnten Höhlen. Am Hang unter uns die lachenden und singenden Stimmen der Indianer. Gegenüber der weite Bogen der Wälder und in der Mitte undeutlich der große See, die Heimat der merkwürdigsten Ungeheuer. Während wir so dastanden und diesen Anblick zum letztenmal in uns aufnahmen, klang ein hoher, wimmernder Schrei durch die Dunkelheit, der Ruf irgendeines unheimlichen Tieres - die Stimme des Maple-White-Landes, die uns einen Abschiedsgruß zurief.

Wir drehten uns um und verschwanden in der Höhle, die zur Heimat führte. - Zwei Stunden später standen wir mit unseren Paketen und all unseren Habseligkeiten am Fuß der Klippen. Bis auf den Transport von Challengers Gepäck hatten wir keinerlei Schwierigkeiten gehabt. Wir ließen zunächst alles an Ort und Stelle liegen und brachen zu Zambos Lager auf. Am frühen Morgen kamen wir dort an und sahen zu unserer großen Verwunderung ein Dutzend Feuer brennen. Der Hilfstrupp war angekommen. Er bestand aus zwanzig Indianern mit Stangen, Seilen und allem, was für die Überbrückung des Abgrundes von Nutzen hätte sein können. Nun werden wir wenigstens mit dem Transport unseres Gepäcks keine Schwierigkeiten haben, wenn wir morgen unseren Rückweg zum Amazonas antreten.

Und damit beschließe ich in glücklicher und dankbarer Stimmung diesen Bericht. Unsere Augen haben große Wunder gesehen, und unsere Seelen sind durch Mühen und Entbehrungen geläutert. Jeder von uns ist auf seine Weise reifer geworden. Es ist möglich, daß wir in Para eine Pause einlegen und uns neue Kleidung beschaffen. Falls wir es tun, wird dieser Brief einen Tag vor uns ankommen. Andernfalls triffi er am gleichen Tag wie wir in London ein. In jedem Falle, mein lieber Mr. McArdle, hoffe ich, Ihnen schon sehr bald die Hand schütteln zu können.

16

Der Triumphzug

Ich möchte an dieser Stelle allen Freunden für die Unterstützung und Gastfreundschaft, die wir überall auf unserer Rückreise erfuhren, unseren Dank abstatten. Ganz besonders möchte ich Senor Penalosa sowie den anderen Beamten der brasilianischen Regierung für die großzügigen Maßnahmen danken, mit denen sie uns die Reise erleichtert haben. Auch Senor Pereira sind wir zu großem Dank verpflichtet. Durch seine Vorsorge haben wir bereits bei unserer Ankunft in Para eine komplette Neuausstattung vorgefunden und konnten somit in menschenwürdigem Zustand wieder in die zivilisierte Welt zurückkehren. Es muß einen schlechten Eindruck auf unsere Gastgeber und Wohltäter gemacht haben, daß wir ihren Fragen ausgewichen sind und ihnen keine Auskunft über die geografische Lage des Maple-White-Landes gegeben haben. Die Umstände ließen uns keine andere Wahl. Ich möchte hiermit darauf hinweisen, daß sie nur unnütz Zeit und Geld verschwenden, wenn sie versuchen sollten, unseren Spuren zu folgen. Selbst die Namen haben wir in unseren Berichten abgeändert, und ich bin sicher, daß auch bei sorgfältigstem Studium niemand unserem unbekannten Land auch nur auf tausend Meilen nahekommen wird.

Das Aufsehen, das wir überall in Südamerika erregt haben, hatten wir anfangs für örtlich begrenzt gehalten, denn wir hatten keine Ahnung, welche Aufregung das bloße Gerücht von unseren Erlebnissen in ganz Europa zur Folge hatte. Erst als die Ivernia an die fünftundert Meilen vor Southampton war und eine Zeitung nach der anderen, eine Agentur nach der anderen uns telegrafisch Riesensummen für einen kurzen Bericht über unsere Erlebnisse boten, wurde uns klar, wie groß das Interesse der gesamten Öffentlichkeit inzwischen war. Wir hatten jedoch beschlossen, daß die Presse keinerlei Material erhalten sollte, bevor wir nicht mit den Mitgliedern des Zoologischen Instituts zusammengetroffen waren. Als Delegierte fühlten wir uns verpflichtet, unseren ersten Bericht der Versammlung zu erstatten, die uns den Auftrag für unsere Forschungsreise erteilt hatte. Dementsprechend lehnten wir jegliche Auskunft ab, obwohl wir Southampton voller Journalisten fanden. Dies hatte zur Folge, daß sich das öffentliche Interesse um so mehr der Tagung zuwandte; die für den 7. November abends anberaumt wurde. Der Hörsaal des Zoologischen Instituts, Ausgangspunkt unserer Unternehmung, war natürlich bei weitem zu klein dafür, also wurde die Queens Hall gemietet. Inzwischen weiß man, daß die Veranstalter es ebensogut mit der Albert Hall hätten versuchen können, und auch die wäre immer noch zu klein gewesen.

Die große Versammlung war für den zweiten Abend nach unserer Ankunft festgesetzt. Zuvor hatte natür-lich jeder von uns seine dringlichsten persönlichen Angelegenheiten zu regeln. Von meinen kann ich jetzt noch nicht sprechen. Möglicherweise werde ich ruhiger darüber berichten können, wenn ich erst einmal etwas Abstand gewonnen habe. Am Beginn dieser Erzählung habe ich dem Leser mitgeteilt, welches die Beweggründe für meine Beteiligung an dieser Reise waren. Es ist daher nur recht und billig, daß ich später damit fortfahre und über das Ergebnis berichte. Immerhin habe ich zur Teilnahme an diesem wundervollen Abenteuer einen ganz bestimmten Anstoß bekommen und kann letzten Endes der Frau, die mich dazu bewegen hat, nur unendlich dankbar sein.

Und nun komme ich zum letzten und höchst bedeutungsvollen Ereignis, der Krönung unserer Abenteuer. Während ich mir noch den Kopf zerbrach, wie ich es beschreiben sollte, fiel mein Blick auf die Morgenausgabe meiner eigenen Zeitung vom 8. November mit einem ausführlichen und ausgezeichneten Bericht meines Freundes und Kollegen Macdona. Was könnte ich Besseres tun, als diesen Artikel - Überschriften und Text - einfach abzuschreiben? Ich gebe zu, daß die Zeitung, angesichts ihrer eigenen Initiative, einen Korrespondenten mitzuschik-ken, die Sache etwas hochgespielt hat. Aber die anderen großen Tageszeitungen brachten kaum weniger ausführliche Berichte. Hier folgt also der Artikel meines Freundes Mac: