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Wir haben die Rückreise in der Hoffnung angetreten, daß niemand mehr so beschränkt und borniert sein könne, an dem Ergebnis unserer Untersuchungen zu zweifeln. Aus früheren Erfahrungen klug geworden, bin ich jedoch nicht ohne Beweismaterial hierhergekommen. Wie Professor Summerlee schon berichtet hat, sind unsere Kameras bei einem Überfall auf unser Lager von den Affenmenschen zertrampelt worden. Die meisten unserer Negative sind dabei kaputt gegangen.«

Pfiffe und höhnisches Gelächter aus den hinteren Sitzreihen.

»Ich sprach eben von den Affenmenschen«, fuhr Professor Challenger unbeirrt fort, »und muß feststellen, daß mich die Geräusche, die hier an mein Ohr dringen, lebhaft an diese entwicklungsgeschichtlich interessanten Kreaturen erinnern.«

Gelächter.

Eine Stimme: »Noch so’n Witz.«

»Trotz der Zerstörung so vieler unersetzlicher Negative befindet sich noch eine stattliche Anzahl von beweiskräftigen Fotografien in unserem Besitz. Will vielleicht wieder jemand behaupten, daß sie gefälscht sind?«

Eine Stimme: »Ja!«

Es folgte lautes Gegröle. Mehrere Personen wurden aus dem Saal gewiesen.

»Die Negative sind von Sachverständigen geprüft worden«, fuhr Professor Challenger fort, »mit ihnen erschöpft sich jedoch nicht das Beweismaterial, das wir vorlegen können. Wie bereits erwähnt, war es uns durch den Abstieg an einem Seil nicht möglich, sperrige Gegenstände mitzunehmen. Professor Summerlee allerdings war nicht davon abzuhalten, seine Käfer- und Schmetterlingssammlung abzuseilen. Die zahlreichen neuen Arten dieser Sammlung, sind die vielleicht kein Beweis?«

Mehrere Stimmen: »Nein, absolut nicht! Wer behauptet das?«

Dr. Illingworth stand auf: »Wir stehen auf dem Standpunkt, daß eine solche Sammlung auch an jedem x-beliebigen Ort zusammengestellt worden sein kann.«

Applaus.

Professor Challenger: »Ihr Name, werter Dr. Illingworth, ist zwar unbekannt, dennoch verneige ich mich vor Ihrer wissenschaftlichen Autorität. Ich lasse also die Fotografien und die Insektensammlung beiseite und komme zu verschiedenen klar umrissenen Erkenntnissen, die wir zu Problemen gewannen, die nie zuvor Au&lärung gefunden haben. Beispielsweise sind die Lebensgewohnheiten des Pterodactylus ...«

Eine Stimme: »Quatsch!«

Lautes Gelächter.

»Die Lebensgewohnheiten des Pterodactylus«, wiederholte Professor Challenger unbeirrt, »sind besonders aufschlußreich. Ich habe ein Bild dieser Kreatur in der Brieftasche und kann Sie anhand dieses Bildes davon überzeugen .«

Dr. Illingworth: »Anhand von Bildern lassen wir uns nicht überzeugen.«

Professor Challenger: »Heißt das, daß Sie ein lebendes Exemplar sehen wollen?«

Dr. Illingworth: »Jawohl, das heißt es.«

Professor Challenger: »Und das akzeptieren Sie dann als stichhaltigen Beweis?«

Dr. Illingworth, lachend: »Aber natürlich.«

Jetzt bahnte sich die Sensation des Abends an - eine dramatische Zuspitzung, für die es in der Geschichte wissenschaftlicher Tagungen keine Parallele gibt. Professor Challenger gab mit der Hand ein Zeichen. Unverzüglich sah man unseren Mitarbeiter, Mr. E. D. Malone, sich erheben und zum Hintergrund des Podiums gehen. Einen Augenblick später kam er in Begleitung eines riesigen Negers wieder nach vorn. Die beiden schleppten gemeinsam eine große rechteckige Kiste an und setzten sie behutsam vor dem Stuhl des Professors ab. Jeglicher Laut im Saal erstarb, und jeder stand im Banne des Schauspiels, das sich vor aller Augen entwickelte.

Professor Challenger nahm den Schiebedeckel ab. Er blickte in die Kiste hinein, schnalzte mehrmals mit den Fingern, und sagte mit lockender Stimme: »Komm schon, mein Kleines!« Einen Moment später erschien mit kratzendem, rasselndem Geräusch eine unbeschreiblich scheußliche Kreatur und hockte sich auf den Rand. Das Gesicht des Untiers glich dem wüstesten Wasserspeier, den sich die Phantasie eines mittelalterlichen Steinmetzen je ausgedacht haben konnte. Es war bösartig und schrecklich, mit zwei Knopfaugen, die wie brennende Kohlestücke glühten. Der lange, offene Schnabel zeigte eine Doppelreihe haifischartiger Zähne. Die Schultern hielt es vorgebeugt.

Um den Hals war etwas gewickelt, was wie ein schmutziger grauer Schal aussah. Es schien der Gottseibeiuns persönlich zu sein, so wie wir ihn uns als Kinder vorgestellt haben.

Es gab Unruhe im Publikum. Jemand schrie. Zwei Damen in der ersten Reihe sanken ohnmächtig vom Stuhl. Für einen Augenblick bestand die Gefahr einer allgemeinen Panik.

Professor Challenger hob beschwörend die Arme, um die Ruhe wiederherzustellen. Aber gerade mit dieser Bewegung erschreckte er das Untier an seiner Seite. Plötzlich entfaltete sich der merkwürdige Schal, breitete sich aus und entpuppte sich als ein Paar flatternder, lederartiger Flügel. Challenger griff nach den Beinen der scheußlichen Kreatur, erwischte sie jedoch nicht mehr. Das Untier hatte sich von der Kiste abgestoßen und flatterte in großen Kreisen in der Queens Hall herum, mit trockenem, ledernem Klappen seiner zehn Fuß spannenden Flügel. Ein fauliger, ekelhafter Geruch breitete sich im Raum aus.

Die Angstschreie der Leute auf der Galerie, die durch die bedrohliche Nähe dieser glühenden Augen und des mörderischen Schnabels erschreckt waren, reizten das Scheusal noch mehr. Schneller und schneller flog es und schlug in blinder Wut gegen Wände und Leuchter.

»Das Fenster! Um Himmels willen, macht das Fenster zu!« brüllte der Professor vom Podium, wo er umhertanzte und die Hände rang. Ach, seine Warnung kam zu spät! In der nächsten Sekunde hatte die Kreatur, die wie eine riesige Motte in einem Lampenschirm immer wieder gegen die Wände stieß, die Öffnung erreicht, ihren gräßlichen Körper hindurchgezwängt - und war fort.

Professor Challenger sank auf seinen Stuhl zurück und schlug die Hände vors Gesicht, während aus dem Publikum ein langer, tiefer Seufzer der Erleichterung aufstieg.

Wie soll man in Worten beschreiben, was sich dann abspielte - wie der ganze Überschwang der Mehrheit und die Reaktion der Minderheit sich zu einer einzigen großen Woge der Begeisterung vereinigten, die vom Hintergrund des Saales nach vorn rollte, stetig an Volumen zunahm, über das Orchester schlug, das Podium überflutete und die vier Helden auf ihrem Kamm davontrug? Hatte das Publikum den Forschern bisher keine Gerechtigkeit widerfahren lassen, so machte es jetzt alles im Übermaß wieder wett. Alles war auf den Beinen. Alles lief, schrie und gestikulierte durcheinander. Eine dichte Menge jubelnder Männer umgab die vier Reisenden.

»Hoch! Hoch mit ihnen!« schrien Hunderte von Stimmen. Augenblicklich erschienen die vier Gestalten über den Köpfen der Menge. Vergeblich suchten sie sich zu befreien. Sie wurden auf ihrem luftigen Ehrenplatz festgehalten. Selbst wenn man gewollt hätte, wäre es kaum noch möglich gewesen, sie herunterzulassen, so dicht war das Gedränge.

»Regent Street! Regent Street!« schrien die Stimmen.