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In die Menge kam Bewegung, und der Menschenstrom bewegte sich auf den Ausgang zu, die vier auf den Schultern. Draußen auf der Straße gab es eine außergewöhnliche Szene.

Dort wartete eine unüberschaubare Menschenmenge. Sie reichte vom Oxford Circus bis über das Langham Hotel hinaus. Als die vier Abenteurer hoch über den Köpfen der Massen unter den hellen Bogenlampen vor der Halle erschienen, wurden sie von einem Begeisterungssturm begrüßt.

»Ein Triumphzug! Ein Triumphzug!« schrie alles. Schulter an Schulter setzte sich die Menge in Bewegung durch Regent Street, Fall Mall, St. James Street und Piccadilly. Der gesamte Verkehr in der City kam zum Erliegen, und zahlreiche Zusammenstöße mit Polizisten und Droschkenkutschern wurden gemeldet. Erst nach Mitternacht wurden die Reisenden schließlich vor dem Eingang zu Lord John Roxtons Wohnung im Albany freigelassen. Und die begeisterte Menschenmenge sang »^ey are jolly good Fellows« und sozusagen als Schlußpunkt der Veranstaltung »God save the King«.

Soweit also mein Freund Macdona. Ein zuverlässiger, wenn auch blumenreicher Bericht über die Vorgänge. Was das Hauptereignis betriffi, so war es wohl für das Publikum eine Überraschung, nicht aber für uns. Der Leser wird sich erinnern, wie ich Lord John begegnete, als er sich in seiner Schutzkrinoline aus Zweigen aufgemacht hatte, um für Professor Challenger das >Teufelsküken< zu besorgen. Ich habe ebenfalls die Schwierigkeiten angedeutet, die wir mit dem Gepäck des Professors hatten, als wir das Plateau verließen. Bei näherer Beschreibung unserer Rückreise hätte ich auch noch eine Menge über die Plage zu berichten, die wir mit dem Appetit unseres unsauberen Gefährten hatten, den wir nur mit verfaulten Fischen füttern konnten. Wenn ich bisher nichts darüber gesagt habe, so geschah dies natürlich auf ausdrücklichen Wunsch des Professors hin. Er wollte nicht, daß auch nur das leiseste Gerücht über das unwiderlegbare Argument, das wir mit uns führten, durchsickerte, bevor der geeignete Augenblick gekommen war.

EinWort noch zum Schicksal des Londoner Pterodactylus. Eindeutige Gewißheit gibt es in diesem Punkt nicht. Nach der Aussage zweier erschreckter Frauen hatte er sich auf dem Dach der Queens Hall niedergelassen und war dort mehrere Stunden lang wie ein lebendiges Teufelsbild gehockt. In den Abendzeitungen am nächsten Tag war zu lesen, daß ein Soldat, der vor dem Marlborough House Wache gestanden hatte, wegen unerlaubten Verlassens seines Postens vor das Kriegsgericht gestellt wurde. Seine Entschuldigung, daß er sein Gewehr hingeworfen und die Flucht ergriffen hätte, weil er plötzlich beim Aufolicken den Teufel vor dem Mond dahinfliegen gesehen habe, wurde vom Gericht nicht akzeptiert, könnte aber in direktem Zusammenhang mit unserem Pterodactylus stehen.

Die einzige andere Spur, die ich noch hinzufügen kann, stammt aus dem Logbuch der Friesland, eines Dampfers der Holland-Amerika-Linie. Sie besagt, daß am nächsten Morgen um neun Uhr, zehn Meilen vor Start Point, ein seltsames Tier - halb Ziege, halb Fledermaus - beobachtet wurde. Es sei mit erstaunlichem Tempo vorbeigeflogen und in südwestlicher Richtung verschwunden. Wenn sein Heimatinstinkt ihm den richten Kurs eingab, besteht kein Zweifel, daß der letzte europäische Pterodactylus irgendwo in den endlosen Weiten des Atlantik ertrunken ist.

Und nun zu Gladys, meiner Gladys vom geheimnisvollen See - der nun wieder in Zentralsee umbenannt werden wird, denn Gladys soll durch mich keine Unsterblichkeit erlangen. Hatte ich nicht von Anfang an einen brutalen Chrakterzug in ihr vermutet? Hatte ich nicht, sogar zu jener Zeit, als ich noch stolz darauf war, ihrem Geheiß zu folgen, gewußt, daß es eine recht armselige Liebe sein mußte, wenn der Geliebte in den Tod oder doch in tödliche Gefahr geschickt wurde? Habe ich nicht in meinen geheimsten Gedanken durch die schöne Fassade ihres Gesichts hindurch in ihre Seele geblickt und dort den Zwillingsschatten von Selbstsucht und Unbeständigkeit erkannt? Waren es Heldentum und menschliche Größe an sich, die sie liebte, oder hatte sie mich nur wegen des Ruhms, der ohne eigene Anstrengung und Opfer auf sie ausstrahlen sollte, in die Fremde geschickt? Sind diese meine Gedanken nur Ausdruck jener Klugheit, die nach dem Schaden kommt? Es war auf alle Fälle der Schock meines Lebens. Vorübergehend wurde ich zum Zyniker. Aber jetzt, da ich dies schreibe, ist schon eine Woche vergangen.

Ich will mein Erlebnis mit Gladys in wenigen Worten erzählen. In Southampton erwartete mich weder ein Brief noch ein Telegramm. Von Sinnen vor Besorgnis kam ich gegen zehn Uhr am gleichen Abend zu der kleinen Villa in Streatham. War Gladys krank oder tot? Wo waren meine nächtlichen Träume von zärtlichen Umarmungen, ihrem lächelnden Gesicht und den Lobesworten für den Ritter, der ausgezogen war und sein Leben für sie gewagt hatte, geblieben? Ich war von den erhabenen Gipfeln herabgestürzt und stand bescheiden auf dem Erdboden. Aber immer noch hätte eine einleuchtende Erklärung die Wolken wieder zerstreuen können. Ich stürzte den Gartenpfad hinauf, hämmerte gegen die Tür, hörte drinnen die Stimme von Gladys, drängte mich an dem bestürzten Hausmädchen vorbei und eilte ins Wohnzimmer. Im Schein der Stehlampe saß sie auf einem niedrigen Sofa neben dem Klavier. Mit drei Schritten war ich bei ihr und ergriff ihre beiden Hände.

»Gladys!« rief ich. »Gladys!«

Sie blickte mit überraschtem Gesicht auf. Irgendwie wirkte sie verändert. Der Ausdruck ihrer Augen, der harte Blick, die verkniffenen Lippen waren mir neu an ihr. Sie entzog mir die Hände.

»Du?« fragte sie bloß.

»Gladys!« rief ich. »Was ist denn los mit dir? Du bist doch meine Gladys, oder etwa nicht? Die liebe kleine Gladys Hungerton?«

»Nein«, sagte sie. »Ich heiße jetzt Gladys Potts. Darf ich dir meinen Mann vorstellen?«

Wie absurd das Leben doch sein kann! In dem Sessel, in dem ich immer gesessen hatte, hockte ein kleiner, rothaariger Mann, vor dem ich mich jetzt verbeugte und dem ich die Hand schüttelte. Wir grinsten uns gegenseitig peinlich berührt und mit leeren Gesichtern an.

»Bis unser Haus fertig ist, wohnen wir noch einstweilen hier«, sagte Gladys.

»Wie angenehm«, sagte ich.

»Hast du meinen Brief denn nicht bekommen?« fragte Gladys. »Ich habe ihn nach Para geschickt.«

»Nein, ich habe keinen Brief bekommen.«

»Schade, dann hättest du Bescheid gewußt.«

»Dafür weiß ich jetzt Bescheid«, sagte ich.

»Ich habe William viel von dir erzählt«, sagte Gladys. »Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Es tut mir ja so leid. Aber so tief kann deine Liebe zu mir nicht gegangen sein, sonst wärst du nicht um die halbe Welt gereist und hättest mich allein hier zurückgelassen. Du bist doch jetzt nicht eingeschnappt, oder?«

»Überhaupt nicht. Aber ich glaube, ich muß jetzt wieder gehen.«

»Wollen Sie nicht etwas trinken?« fragte der mickrige Rotschopf. »Es ist offensichtlich immer wieder dasselbe, was? Muß ja aber auch so sein, wenn wir die Polygamie nicht einführen wollen.«

Er lachte idiotisch, während ich zur Tür ging.

Ich war schon draußen, als ich einer plötzlichen Eingebung folgend noch einmal zurückging.

»Würden Sie mir bitte eine Frage beantworten?« bat ich.

»Kommt darauf an«, sagte Mr. Potts.

»Wie haben Sie es denn geschaffi? Haben Sie einen verborgenen Schatz ausgegraben, einen neuen Pol entdeckt, als Pirat die Welt umsegelt, oder sind Sie über den Kanal geflogen? Mit welcher Art von Romantik haben Sie ihr imponiert?«

Aus dem gutmütigen, dümmlichen Gesicht sahen mich zwei Augen entgeistert an.

»Finden Sie diese Fragen nicht etwas sehr persönlich?« meinte er.

»Nein«, sagte ich. »Noch eine letzte Frage: Was sind Sie von Beruf?«

»Ich bin Buchhalter«, sagte Mr. Potts stolz. »Zweiter Mann bei der Firma Johnson und Merrivale in der Chancery Lane Nummer einundvierzig.«

»Aha«, sagte ich. »Dann gute Nacht.«