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Na ja, vielleicht auch nicht. Meb würde wohl eher eine mörderische Wut bekommen.

Die Szene auf der Bühne riß Nafai aus seinem gehässigen Tagtraum. Der alte Liebestrankverkäufer versuchte, eine zögerliche junge Frau zu überreden, eine Kräutermischung von ihm zu kaufen.

Schütt die Mischung in sein Bier Leg die Blume in dein Bett Und du wirst sehen, um halb vier Ist er tot – oh, sei so nett, Verzeihe mir, wird er um dich werben.

Endlich ergab die Handlung Sinn. Der alte Mann wollte den Geliebten des Mädchens vergiften, indem er dem Mädchen einredete, die tödliche Kräutermischung sei ein Liebestrank. Das begriff sie anscheinend nicht – alle Personen dieser Satire waren unglaublich dumm –, und sie widersetzte sich dem Kauf aus anderen Gründen.

Lieber würd’ ich sterben. Ich will keine gemeinen Umtriebe. Ich will nur seine wahre Liebe.

Plötzlich brach der alte Mann in einen Operngesang aus. Seine Stimme war wirklich nicht schlecht, trotz der komischen Übertreibungen.

Der Traum von Liebe ist so schön!

In diesem Augenblick trat Mebbekew auf, die Maske vor dem Gesicht, und wandte sich direkt an das Publikum.

Hört dieses alten Mannes widerlich Getön!

Sie führten nun ein seltsames Duett auf, bei dem der alte Liebestrankverkäufer eine Zeile sang und der junge Mebbekew einen direkten Kommentar zum Publikum sprach.

Liebe geht nicht nur durch den Magen! (Ich folge ihm seit vielen Tagen.) Ein Geliebter könnte wohl erröten! (Ich weiß, er will ihren Geliebten töten.) Ein andrer zieret sich vielleicht. (Sein Grips ist einfach unerreicht.) Du brauchst nur eine Demonstration! (Ich geb dem Narren ’ne Vision.) Auf daß dein Zauder nicht mehr schwele! (Er glaubt, sie käme von der Überseele.) Dann gewinnst sein Herz du doch im Nu! (Eine kleine Flamme gehört dazu.) Ganz gleich, wie du sie gewinnst, Sobald du deine Fäden spinnst genießt die Liebe deines Schatzes du doch immerzu.

Eine Vision der Überseele. Eine Flamme. Die Wendung, die die Satire nahm, gefiel Nafai keineswegs. Dun gefiel nicht, daß die Maske des alten Liebestrankverkäufers eine wilde, weiße Haarmähne und einen weißen Vollbart hatte. War es möglich, daß sich die Nachricht so schnell und weit verbreitet hatte? Einige Satiriker waren dafür bekannt, daß sie wichtigen Klatsch vor allen anderen aufschnappten – meistens sah sich das Publikum eine Satire nur an, um herauszufinden, was gerade so geschah, und viele Zuschauer fragten einander nach der Vorstellung: Was hatte das wirklich zu bedeuten?

Mebbekew hantierte auf der Bühne an einer Kiste herum. »Vergiß den Feuereffekt!« rief der Satiriker ihm zu. »Tu einfach so, als würde es funktionieren!«

»Irgendwann müssen wir es mal ausprobieren«, erwiderte Mebbekew.

»Jetzt nicht.«

»Wann?«

Der Satiriker stand auf, schritt zum Fuß der Bühne, bis er direkt vor Mebbekew stand, und bildete mit den Händen vor dem Mund einen Trichter. »Wir … werden … den … Effekt … später … . ausprobieren!« rief er.

»Na schön«, sagte Meb.

Der Satiriker kehrte zu seinem Platz auf dem Hügel zurück. »Und du wirst den Feuereffekt sowieso nicht auslösen«, sagte er.

»Tut mir leid«, sagte Meb. Er kehrte zu seinem Platz hinter der Kiste zurück, aus der heute abend wahrscheinlich eine Flammensäule emporschießen würde. Auch die anderen Maskenträger kehrten auf ihre Plätze zurück.

»Ende des Liedes«, sagte Meb. »Feuereffekt.«

Augenblicklich rissen der Liebestrankverkäufer und das Mädchen in einer Geste der spöttischen Überraschung die Hände hoch.

»Eine Flammensäule!« rief der Liebestrankverkäufer.

»Wie kann auf einem kahlen Felsen in der Wüste plötzlich Feuer erscheinen?« rief das Mädchen. »Es ist ein Wunder

Der Liebestrankverkäufer wirbelte zu ihr herum. »Du weißt nicht, wovon du sprichst, Hure! Ich bin der einzige, der das sehen kann! Es ist eine Vision!«

»Nein!« rief Mebbekew mit tiefster Stimme. »Es ist ein Bühneneffekt!«

»Ein Bühneneffekt!« rief der Liebestrankverkäufer. »Dann bist du …«

»Endlich hast du kapiert!«

»Der alte Mumpitz, die Überseele!«

»Ich bin stolz auf dich, du alter Depp! Fast hättest du das dumme Huhn geneppt!«

»Sie ist nur ein kleiner Fisch – du bist jedoch betrügerisch!«

»Nein!« rief der Satiriker. »Nicht ›jedoch‹, du Idiot! ›Doch betrügerisch‹, sonst stimmt die Betonung nicht!«

»Tut mir leid«, sagte der junge Maskenträger, der den Liebestrankverkäufer spielte. »›Depp‹ reimt sich auch nicht mit ›geneppt‹, und Sinn macht der ganze Text auch nicht, aber das liegt wohl an meiner falschen Betonung.«

»Es muß keinen Sinn ergeben, du großkotziger Grünschnabel, es muß nur Geld bringen!«

Alle lachten – doch es war klar, daß die Schauspieler den Satiriker nicht besonders mochten. Sie arbeiteten sich wieder in die Szene ein, und kurz darauf sangen Meb und der Liebestrankverkäufer herumtanzend, wie gut sie darin waren, die Leute hereinzulegen, und wie unvorstellbar leichtgläubig die meisten Menschen doch waren – besonders Frauen. Anscheinend hatten alle Verse des Lieds den Zweck, einen Teil des Publikums tödlich zu beleidigen, und es ging so weiter, bis jede nur erdenkliche Gruppe in Basilika ihr Fett wegbekommen hatte. Während sie sangen und tanzten, tat das Mädchen so, als würde es ein Stück Fleisch in den Flammen braten.

Meb vergaß seinen Text nicht so oft wie der andere Maskenträger, und obwohl Nafai wußte, daß die ganze Szene darauf ausgelegt war, Vater zu erniedrigen, mußte er anerkennen, daß Meb ziemlich gut war und so klar und deutlich sang, daß man jedes Wort genau verstehen konnte. Das könnte ich auch schaffen, dachte Nafai.

Das Lied kehrte immer wieder zu demselben Refrain zurück:

Ich stehe neben einem Feuer Und mir ist nicht geheuer Denn der bester aller Lügner spielt neben mir zum Tanz.

Als das Lied zu Ende war, hatte die Überseele – Meb – den Liebestrankverkäufer überzeugt, die beste Möglichkeit, die Frauen Basilikas zu dem zu bringen, was er wollte, bestand darin, sie zu überzeugen, die Überseele gäbe ihm Visionen ein. »Sie lassen sich so leicht betrügen«, sagte Meb, »wir müssen diese Mädchen nur belügen.«

Die Szene schloß damit, daß der Liebestrankverkäufer das Mädchen von der Bühne führte und ihr erzählte, er habe eine Vision gehabt, in der die Stadt Basilika verbrannt sei. Der Satiriker griff nun auf alliterierende Reime zurück, die Nafai etwas natürlicher vorkamen als die Knüttelverse, aber nicht so lustig waren. »Willst du die letzten Wochen der Welt wartend mit einem starken, aber schussligen jungen Schurken verbringen? Bist du nicht besser bedient mit einem alten, aber aufgeklärten Angetrauten, der ein das normale Maß überschreitendes, alles überstrahlendes Verhältnis zur Überseele hat?«

»Gut«, sagte der Satiriker. »Das ist prima. Probieren wir jetzt die Straßenszene.«

Eine andere Gruppe von Maskenträgern kam auf die Bühne. Nafai eilte augenblicklich zu dem Rasenstück, auf dem Mebbekew, die Maske noch über dem Gesicht, den neuen Dialog auf einen Zettel schrieb.

»Meb«, sagte Nafai.

Meb sah verblüfft auf und versuchte, ihn durch die kleinen Augenschlitze der Maske zu erkennen. »Wie hast du mich genannt?« Dann sah er, daß es Nafai war. Augenblicklich sprang er auf und ging davon. »Verschwinde, du kleiner Rattenfresser.«