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»Die Gorajni. Die Naßköppe.«

Sie hatten den Spitznamen wegen ihres Brauchs bekommen, ihre Lockenfrisuren lang zu tragen und mit parfümiertem öl einzureiben. Sie waren auch als bösartige Krieger bekannt, die die Gewohnheit hatten, Gefangene abzuschlachten, die versäumt hatten, ihren Wert zu beweisen, indem sie sich eine ernsthafte Verletzung zuzogen, bevor sie sich ergaben. »Aber die wohnen Hunderte von Kilometern nördlich von hier«, sagte Nafai, »und die Potoku stammen aus dem Südosten. Worüber führen sie also Krieg?«

»Was bringen sie dir eigentlich in deiner kleinen Schule bei?« sagte Elemak. »Die Potoku haben ihren Schutz über die gesamte Küstenebene ausgedehnt, bis hinauf zum Fluß Mochai.«

»Klar, richtig. Schutz wovor?«

»Vor den Gorajni, Nafai. Wir befinden uns zwischen ihnen. Das nennt man Geographie.«

»Ich weiß, was Geographie ist«, sagte Nafai. »Ich verstehe nur nicht, warum es überhaupt einen Krieg zwischen den Gorajni und den Potoku geben sollte, und wenn doch, wie sie ihn ausfechten wollen. Ich meine, Potokgavan hat eine Flotte – all ihre Häuser sind Schiffe, um Gottes willen –, aber da Gorajnivat keine Küste hat …«

»Keine Küste hatte. Sie haben Usluvat erobert.«

»Das weiß ich auch.«

»Oh, davon bin ich überzeugt«, sagte Elemak. »Sie haben auch Pferdewagen. Hast du davon schon mal gehört?«

»Räder«, sagte Nafai. »Pferde, die Männer in Kisten in die Schlacht ziehen.«

»Und Vorräte befördern, mit denen man ein Heer auf einem langen Marsch versorgen kann. Auf einem sehr langen Marsch. Pferdewagen verändern alles.« Plötzlich klang Elemak enthusiastisch. Es war schon viele Jahre her, daß Nafai beobachtet hatte, daß sich Elja für etwas begeistern konnte. »Ich sehe schon den Tag, da wir die Kammstraße und die Ebenenstraße verbreitern, damit die Bauern ihre Erzeugnisse in Pferdewagen hierher bringen können. Dieselbe Anzahl Pferde kann zehnmal soviel Güter befördern. Ein Mann, zwei Pferde und ein Wagen werden dann herschaffen, wozu heute ein Dutzend Männer und zwanzig Pferde nötig sind. Der Preis der Nahrungsmittel sinkt. Die Kosten, unsere Erzeugnisse hügelabwärts zu bringen, sinken sogar noch tiefer – da steckt Geld. Ich sehe schon Straßen, die Hunderte von Kilometern lang sind und mitten durch die Wüste führen – weniger Tiere bei unseren Karawanen, weniger Futter, das wir mitschleppen müssen, und wir müssen auf den Reisen auch nicht mehr so viel Wasser finden. Die Welt wird kleiner, und Vater versucht, es zu verhindern.«

»Und das alles hat etwas mit seiner Vision zu tun?«

»Die alten Gesetze der Überseele. Räder sind nur bei Getrieben oder Spielzeugen erlaubt. Ein abscheuliches Sakrileg. Ist euch klar, daß Pferdewagen seit Abertausenden von Jahren bekannt sind und niemand je einen gebaut hat?«

»Bis jetzt«, sagte Issib.

»Vielleicht gibt es einen guten Grund dafür«, sagte Nafai.

»Der Grund war Aberglaube, sonst nichts«, sagte Elemak, »aber jetzt haben wir die Gelegenheit, zweihundert Pferdewagen zu bauen. Die Potokgavan bezahlen uns dafür und geben uns die Pläne, und der Preis, den Gaballufix ausgehandelt hat, ist so hoch, daß wir weitere zweihundert für uns bauen können.«

»Warum bauen die Potoku ihre Wagen nicht selbst?«

»Sie kommen auf Booten her«, sagte Elemak. »Anstatt die Wagen in Potokgavan zu bauen und sie dann über das Wasser hierher zu transportieren, schicken sie einfach ihre Soldaten, und die Wagen stehen dann für sie bereit.«

»Warum hierher?«

»Weil hier die Grenze gezogen werden wird. Die Gorajni dringen nicht weiter vor, oder sie bekommen es mit den Potoku zu tun. Versuche gar nicht erst, es zu verstehen, Nafai, das ist Männersache.«

»Ich habe den Eindruck, daß Vater richtig handelt, wenn er versucht, diese Vereinbarung zu verhindern«, sagte Nafai. »Ich meine, würden die Gorajni nicht ein Heer schicken, um uns aufzuhalten, wenn sie herausfinden, daß wir Pferdewagen für die Potoku bauen?«

»Sie werden es erst erfahren, wenn es zu spät ist.«

»Wieso sollten sie es nicht erfahren? Ist Basilika so geübt darin, Geheimnisse zu bewahren?«

»Selbst wenn sie es erfahren würden, Njef, wären die Potoku hier, um sie daran zu hindern, uns zu bestrafen.«

»Aber wenn die Potoku nicht kämen und wir ihnen daher gar keine Pferdewagen bauen würden, hätten die Gorajni gar keinen Grund, uns zu bestrafen.«

Elemak senkte den Kopf dicht über den Tisch, um deutlich seine Verzweiflung zur Schau zu stellen, Nafai alles erklären zu müssen.

»Die Welt verändert sich«, sagte Issib. »Wir sind daran gewöhnt, daß es sich bei Kriegen lediglich um örtliche Zwistigkeiten handelt. Aber die Gorajni haben das verändert. Sie erobern andere Länder, die ihnen niemals einen Schaden zugefügt haben.«

Elemak griff die Erklärung auf. »Eines Tages werden sie bis zu uns vorstoßen, ob die Potoku nun hier sind, um uns zu schützen, oder nicht. Ich persönlich würde das Kämpfen lieber den Potoku überlassen.«

»Ich kann nicht glauben, daß so schlimme Dinge geschehen und niemand in der Stadt darüber spricht«, sagte Nafai. »Ich verstopfe meine Ohren wirklich nicht mit Schlamm, und ich habe nichts davon gehört, daß wir Pferdewagen für Potokgavan bauen wollen.«

Elemak schüttelte den Kopf. »Es ist ein Geheimnis. Oder war vielmehr eins, bis Vater es vor dem Klans-Rat zur Sprache gebracht hat.«

»Du meinst, jemand hat das vereinbart, und der Klans-Rat wußte nichts davon?«

»Es war ein Geheimnis«, sagte Elemak. »Wie oft muß ich dir das noch erklären?«

»Also wollte jemand diese Vereinbarung im Namen der Stadt Basilika und des Klans Palwaschantu treffen, und der Klans-Rat oder Stadtrat wurden nicht hinzugezogen?«

Issib lachte bedauernd. »Wenn man es so ausdrückt, klingt es wirklich ziemlich seltsam, oder?«

»Es klingt überhaupt nicht seltsam«, sagte Elemak. »Wie ich sehe, hast du dich bereits Roptats Partei angeschlossen.«

»Wer ist Roptat?«

»Er ist ein Palwaschantu«, antwortete Issib, »nicht einmal in Eljas Alter, der diesen Krieg benutzt, um sich eine Reputation als Prophet aufzubauen. Nicht wie Vater, die Überseele gibt ihm keine Visionen ein, er schreibt einfach Prophezeiung, die sich lesen, als würde ein Hai einem das Bein abreißen. Und er sagt ständig dasselbe, was du gerade gesagt hast.«

»Du meinst, dieser geheime Plan ist so bekannt, daß es schon eine von diesem Roptat geführte Partei gibt, die ihn zu blockieren versucht?«

»So geheim war er nun auch wieder nicht«, sagte Elemak. »Es gibt kein Komplott. Es gibt keine Verschwörung. Es gibt nur ein paar gute Leute, die versuchen, Basilikas lebenswichtige Interessen wahrzunehmen, und ein paar Verräter, die alles tun, um das zu verhindern.«

Elemak hatte eindeutig eine ziemlich einseitige Sicht der Dinge. Nafai hatte einen anderen Blickwinkel anzubieten.

»Oder vielleicht ein paar gierige Profitler, die unsere Stadt in eine schrecklich gefährliche Lage bringen, damit sie reich werden, und ein paar gute Leute, die versuchen, die Stadt zu retten, indem sie sie aufhalten. Ich ziehe das nur als Möglichkeit in Betracht.«

Elemak war wütend. »Die Leute, die an diesem Projekt arbeiten, sind schon so reich, daß sie wohl kaum noch mehr Geld brauchen«, sagte er. »Und ich verstehe nicht, wie ein vierzehnjähriger Schüler, der noch nie im Leben Männerarbeit geleistet hat, plötzlich eine Meinung über ein politisches Thema haben kann, von dem er vor zehn Minuten noch gar nicht gewußt hat, daß es überhaupt existiert.«

»Ich habe nur eine Frage gestellt«, sagte Nafai. »Ich habe dich nicht beschuldigt.«

»Natürlich hast du mich nicht beschuldigt«, sagte Elemak. »Ich habe sowieso keinen Anteil an diesem Projekt.«