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Nafai bewegte sich noch immer nicht.

»Das ist eine Belästigung«, sagte Zdorab. »Die reinste Schikane.« Er sah Nafai an, konnte der gefühlslosen holographischen Maske aber natürlich keine Zustimmung oder Mißbilligung entnehmen.

»In der Stadt treiben sich Mörder herum«, sagte der Wächter entschuldigend. »Du selbst hast gemeldet, daß des Wetschiks jüngster Sohn Roptat ermordet hat, also müssen wir jeden überprüfen.«

Nafai trat vor und streckte die Hand nach dem Daumenscanner aus. Doch dabei neigte er den Kopf zu dem Wächter hinab und sagte leise: »Und was, falls der Mann, der diese absurde Lüge verbreitet, selbst der Mörder war?«

Der Wachposten zuckte zurück; die junge Stimme hatte ihn überrascht, und den Worten konnte er keinen Sinn entnehmen. Dann schaute er auf den Bildschirm hinab und sah den Namen, den der Stadtcomputer dort angab. Er zögerte einen Augenblick lang und dachte nach.

Überseele, gib diesem Mann Verstand. Laß ihn die Wahrheit verstehen und dementsprechend handeln.

»Danke, daß du dich dem Gesetz unterworfen hast, Herr Gaballufix«, sagte der Wächter. Er drückte den Freigabeknopf, und Nafai sah, daß sein Name vom Bildschirm verschwand. Niemand sonst hatte ihn sehen können.

Ohne einen Blick zurückzuwerfen, schritt Nafai durch das Tor hinaus. Er hörte Zdorabs Schritte hinter sich. »Habe ich das richtig gemacht, Herr?« fragte Zdorab. »Ich meine, ich hatte den Eindruck, du wolltest den Daumenabdruck nicht geben, und da habe ich … Wohin gehen wir? Ist es nicht etwas zu dunkel, um sich hier in die Büsche zu schlagen? Können wir nicht auf der Straße bleiben, Herr Gaballufix? Natürlich spendet der Mond Licht, also ist es nicht so dunkel, aber …«

Bei Zdorabs Gerede war es unmöglich, sich der Stelle, an der Nafais Brüder auf ihn warteten, leise zu nähern. Und nun hatte Zdorab ihn laut mit dem Namen Gaballufix angesprochen. Es kam kaum überraschend, als Nafai eine hastige Bewegung sah und sich schnell entfernende Schritte hörte. Natürlich – sie glaubten, daß Nafai gefangengenommen worden war und sie verraten hatte, daß Gaballufix kam, um sie zu töten. Was konnten sie denn schon sehen? Doch nur das Kostüm.

Nafai hantierte an dem Kontrollkästchen herum. Wie konnte er sagen, ob das Kostüm ein- oder ausgeschaltet war? Schließlich riß er sich das Kostüm über den Kopf und rief dann, so laut, wie er es wagte, und mit nicht mehr verstellter Stimme: »Elemak! Issja! Meb! Ich bin’s – lauft nicht weg!«

Sie blieben stehen.

»Nafai!« sagte Meb.

»In Gaballufix’ Kleidung!« sagte Elemak.

»Du hast es geschafft!« rief Issib lachend.

Ein leiser Schrei direkt hinter ihm erinnerte Nafai daran, daß der arme Zdorab weniger Gefallen an dieser freudigen Wiedersehensszene gefunden hatte; schließlich hatte er gerade herausgefunden, daß er genau dem Mann gefolgt war, dem man vorwarf, vor nur wenigen Stunden Roptat ermordet zu haben und der mit Gaballufix etwas Ähnliches angestellt haben mußte.

Nafai drehte sich um und sah, daß Zdorab Fersengeld gab und weglaufen wollte. »Ich bin sehr flink«, hatte Zdorab zuvor gesagt, doch nun erfuhr Nafai, daß er gelogen hatte. Mit einem halben Dutzend Schritten hatte er den Mann eingeholt; er riß ihn zu Boden und rang kurz mit ihm, dann hatte er ihn in den Schwitzkasten genommen und die Hand auf seinen Mund gedrückt. Die Wächter waren keine fünfzig Meter weit entfernt. Zweifellos hatte die Überseele verhindert, daß sie dem Schrei Beachtung schenkten, doch die Fähigkeit der Überseele, die Menschen dumm zu machen, war begrenzt.

»Hör mir zu«, flüsterte Nafai wütend. »Wenn du tust, was ich sage, Zdorab, werde ich dich nicht töten. Hast du verstanden?«

Nafai fühlte, daß der Mann nickte.

»Ich gebe dir meinen Eid bei der Überseele, daß ich Roptat nicht ermordet habe. Dein Herr Gaballufix hat Roptats Tod veranlaßt und den Befehl gegeben, auch mich und meine Brüder zu töten. Er war der Mörder, doch nun habe ich Gaballufix getötet und seiner gerechten Strafe zugeführt. Hast du mich verstanden? Ich töte nicht des Vergnügens willen. Ich will dich nicht töten. Wirst du still sein, wenn ich die Hand von deinem Mund nehme?«

Erneut ein Nicken, und Nafai gab seinen Mund frei.

»Ich bin froh, daß du mich nicht töten willst«, flüsterte Zdorab. »Ich möchte nicht tot sein.«

»Glaubst du meinen Worten?«

»Würdest du meiner Antwort glauben?« fragte Zdorab. »Wir sind jetzt wohl in einer jener Situationen, in denen man ziemlich genau das sagt, was der andere hören will, meinst du nicht auch?«

Damit hatte er nicht Unrecht. »Zdorab, ich kann dich nicht in die Stadt zurückkehren lassen, verstehst du? Ich glaube, es läuft darauf hinaus – wenn du wirklich einer von Gaballufix’ Leuten bist, eine der Läuse, die er anheuert, damit sie in Basilika die Drecksarbeit für ihn erledigen, kann ich dir nicht vertrauen und müßte dich jetzt einfach töten. Aber ich glaube nicht, daß du so ein Mistkerl bist. Ich glaube, du bist ein Bibliothekar, ein Buchhalter, der keine Ahnung hatte, worauf er sich einließ, als er eine Stelle bei Gaballufix antrat.«

»Ich habe gewisse Dinge gesehen, doch niemand schien sie für seltsam zu halten, und niemand hat je meine Fragen beantwortet, und so habe ich schließlich einfach den Mund gehalten. Hauptsächlich.«

»Wir gehen in die Wüste. Wenn du mit uns gehst und bei uns bleibst und uns dein Wort gibst, wirst du ein freier Mann sein, Teil unseres Haushalts, gleichberechtigt mit jedem anderen. Wir wollen dich nicht als Diener; wir nehmen dich nur als Freund.«

»Natürlich gebe ich dir meinen Eid. Aber wie willst du wissen, ob du mir auch glauben kannst?«

»Schwöre bei der Überseele, mein Freund Zdorab, und ich werde es wissen.«

»Dann schwöre ich bei der Überseele, daß ich bei dir bleiben und auf ewig dein treuer Freund sein werde. Unter der Bedingung, daß du mich nicht umbringst. Denn wenn du mich töten würdest, wäre der Rest meiner Schwurs ja wohl hinfällig.«

Nafai sah, daß seine Brüder sich nun um sie geschart hatten. Sie hatten den Schwur natürlich gehört, aber eine andere Meinung. »Töte ihn«, sagte Meb. »Er ist einer von Gaballufix’ Leuten, du kannst ihm nicht glauben.«

»Ich werde ihn töten, wenn es sein muß.«

»Woher sollen wir es wissen?« fragte Issib.

Aber Nafai hörte sie nicht. Er lauschte der Überseele, und die Antwort war klar. Vertraue dem Mann.

»Ich akzeptiere deinen Eid«, sagte Nafai. »Und ich schwöre bei der Überseele, daß weder ich noch ein Mitglied meiner Familie dir Schaden zufügen wird, solange du deinen Eid hältst. Ihr alle – schwört es.«

»Das ist absurd«, sagte Mebbekew. »Du bringst uns alle in Gefahr.«

»Für diese Nacht hat die Überseele mir die Befehlsgewalt gegeben«, sagte Nafai, »und ihr habt versprochen zu gehorchen. Ich kam mit dem Index aus der Stadt, nicht wahr? Und Gaballufix ist tot. Also schwört es diesem Mann!«

Sie alle leisteten den Eid.

»Jetzt«, sagte Nafai zu Zdorab, »gib mir den Index.«

»Das kann ich nicht«, sagte Zdorab.

»Seht ihr?« sagte Meb.

»Ich meine – als du mich zu Boden gerissen hast, habe ich ihn fallen lassen.«

»Wunderbar«, sagte Elemak. »Die ganze Mühe, um diesen wertvollen Index zu bekommen, und jetzt müssen wir ihn Stück um Stück vom Wüstenboden auflesen.«

Doch Issib fand ihn nur einen Meter entfernt, und als Elemak ihn aufhob, schien er unbeschädigt zu sein. Zumindest im Mondlicht konnten sie nicht einmal einen Kratzer ausmachen.

Mebbekew sah ihn sich genau an, nahm ihn in die Hand, hob ihn hoch. »Nur ein Ball. Eine Metallkugel.«