»Ich möchte später ein Mädchen aufs Zimmer geschickt bekommen«, sagte ich.
»Du bekommst kein Zimmer.«
»Wofür bezahle ich dann zehn Tarsk?«
»Für die Übernachtung.«
»Ihr habt keine Zimmer?«
»Keine Einzelzimmer für unsere Gäste. Wir haben Schlafsäle.«
»Aber dort stehen doch Betten?« vergewisserte ich mich besorgt.
»Betten?« Er runzelte die Stirn.
»Ja, Betten.«
»Natürlich nicht.«
»Ich verstehe.«
»Du weißt doch sicher, wo du hier bist«, sagte er.
»Auf der Vosk-Straße«, erwiderte ich vorsichtig.
»Und hundert Pasang vom Fluß entfernt. Keine Herberge in der Gegend hat Betten. Das müßtest du wissen. Du scheinst nicht besonders gut im Bilde zu sein.«
»Das mag schon sein.«
»Vielleicht versuchst du es einmal in einer der Prachtherbergen zwischen Ar und Venna.«
»Das ist über zweitausend Pasang weit entfernt«, protestierte ich.
»Sicherlich wirst du mich dafür doch nicht verantwortlich machen wollen.«
»Das käme mir niemals in den Sinn.«
»Keine Sorge«, sagte er. »Selbst in diesen schweren Zeiten hat sich der Verwalter, der auch eine sympathische, edle Seite hat, nicht dazu durchringen können, die Platzlinien zu entfernen.«
»Das ist eine gute Nachricht«, sagte ich. »Und was sind Platzlinien?«
»Die meisten Herbergen weisen dir einfach einen großen Gemeinschaftssaal zu, den man sich mit anderen teilen muß. Ziemlich primitiv. Hier im Zum Krummen Tarn vermieten wir Schlafplätze.«
»Ich verstehe.«
»Die sind sogar deutlich markiert.«
»Das höre ich gern.«
»Zwar kann man so weniger Leute aufnehmen«, erklärte er, »aber dafür gibt es auch weniger Auseinandersetzungen. Freie Frauen ziehen es sowieso vor, einen Platz für sich zu haben. Außerdem kann man für markierte Schlafplätze mehr verlangen.«
»Wenn ich es also richtig verstanden habe, ist diese Herberge für diese Gegend auf ihre Weise eine Prachtherberge.«
»Genau.«
»Vielleicht kannst du das Mädchen für die Nacht dann zu meinem Schlafplatz schicken?« bat ich.
»Nicht für die Nacht, nein«, sagte er. »Aber für eine Viertel-Ahn.«
»Und was bitte steht auf der Preisliste?«
»Ich weiß«, sagte er. »Aber dafür sind wir einfach zu überfüllt. Andererseits würden wir dir für diese Zeit auch nur drei Kupfertarsk in Rechnung stellen.«
»Für eine Viertel-Ahn?«
»Der Verwalter ist ein Schurke.«
»Ich denke, er hat aber auch eine sympathische, edle Seite.«
»Die hält er bedeckt«, sagte der Mann.
»Vielleicht ist er ja doch nicht der Schurke, für den du ihn hältst.«
»Doch, doch, er ist ein Schurke.«
»Drei Tarsk für eine Viertel-Ahn hört sich gerecht an«, sagte ich, wobei ich mich fragte, ob ich mehr Erfolg hätte, wenn ich mit dem Verwalter selbst spräche. Aber vermutlich war er zu dieser Stunde nicht mehr auf den Beinen.
»Im Pagaraum lassen wir eine Zechprellerin bedienen«, sagte er. »Die könntest du für eine Ahn haben, kostet ein Tarskstück.«
»Weiß sie, was zu ihren Pflichten gehört?«
»Nein.«
»Ich werde sie mir ansehen und dir später Bescheid geben.«
»Das wären dann vierzehn Kupfertarsk.« »Ich komme nur auf zwölf«, sagte ich. »Zehn für die Übernachtung, zwei fürs Bad.« »Ich bin davon ausgegangen, daß du Decken willst.« »Natürlich.«
»Also vierzehn.« Die Summe wurde auf eine Rechnung geschrieben. Aus einem Schrank an der Seite holte er die Badesachen und legte sie auf die Theke.
»Die Decken hole ich mir, wenn ich gegessen habe«, sagte ich.
»Ich werde dir zwei reservieren, zusammen mit deinem Ostrakon.«
»Ich hätte gern einen Schlafplatz in der Nähe der Wand, wenn möglich in der Saalecke.«
»Das hätte jeder gern«, sagte er. »Du hast Platz S-Drei-Siebenundneunzig. Das ist Nummer Siebenundneunzig, im Südflügel, dritter Stock.«
»Gut.«
»Versuch, nicht über die Viehtreiber zu stolpern. Die können sehr häßlich werden, wenn man mitten in der Nacht auf sie tritt.«
»Ich werde mich bemühen.«
»Wenn du schon auf sie treten mußt, dann solltest du es so machen, daß sie zumindest eine Zeitlang nicht mehr aufstehen können.«
»Ich verstehe.«
»Darf ich deinen Namen erfahren?«
»Nein.«
Das schien ihn nicht zu überraschen. Vermutlich zogen es viele Leute auf der Durchreise vor, sich nicht zu identifizieren oder einen falschen Namen anzugeben.
»Wir schreiben alles auf die Rechnung«, sagte er.
»Ausgezeichnet.«
»Die Rechnung muß vor oder bei der Abreise bezahlt werden«, sagte er. »Sollte es einen Anlaß zum Mißtrauen geben, behalten wir uns das Recht vor, auf der sofortigen Bezahlung zu bestehen.«
»Das ist vernünftig.«
»Das finden wir auch.«
»Eure Preise sind, wie du ja selbst zugegeben oder zumindest angedeutet hast, ziemlich hoch«, sagte ich.
»Das sind sie«, bestätigte er. »Ich würde sie nicht bezahlen wollen.«
Ich sah ihn an.
»Man kann darüber verhandeln.«
»Bist du dir da wirklich sicher?«
»Ja.«
»Ich kann nicht glauben, daß der Verwalter tatsächlich so stur ist, wie du ihn mir beschrieben hast.«
»Ich versichere dir, er ist es«, sagte der Bursche.
»Bestimmt ist er nicht der Schurke, als den du ihn darstellst.«
»Doch. Glaub mir, ich weiß es.«
»Ich schätze, daß er zu dieser Stunde nicht mehr auf den Beinen ist«, vermutete ich.
»Aber ja.«
»Glaubst du, ich könnte ihn sprechen?« »Das hast du doch die ganze Zeit getan«, sagte er »Ich bin der Verwalter.«
»Oh«, sagte ich.
4
In einer der Zweiten Wannen, der Reinigungswanne, schloß ich die Augen. Es gab fünf Erste Wannen und fünf Zweite Wannen. Bei allen handelte es sich um große, niedrige, runde Badewannen aus Ton, die mit einem Porzellanüberzug versehen waren und auf offenen, etwa einen Meter hohen Ziegelsteinplattformen ruhten. In diesem Bad, das für die Gegend recht angemessen war, schürte, hütete und säuberte man die Feuer unter den Plattformen mit langstieligen Feuerrechen. Es war schon spät, und vermutlich hatte sich seit der achtzehnten Ahn keiner mehr um die Feuer gekümmert. Aber das Wasser war noch immer angenehm warm. Neue Feuer würde man sicher erst zur fünften Ahn entfachen. Die nasse Kleidung hatte ich hinter der Wanne auf ein Gestell gehängt, das vor der Plattform stand. Sie war sicher schon trocken. Jede Wanne war etwa zwei Meter breit und einen halben Meter tief. An einem Haken hinter mir, der für Handtücher bestimmt war, hing das Schwert.
Wie die Geschichte uns lehrt, sind mehr als nur ein Mann und auch ein paar Ubar im Bad angegriffen worden. Natürlich war das Bad in der Herberge sehr einfach, fast schon primitiv. Zum Beispiel erhitzte man das Wasser im selben Raum und nicht etwa mittels im Keller befindlicher Öfen, deren Wärme man durch Ventile und Rohre in die Höhe leitete. Es gab hier auch keine Becken mit parfümiertem Wasser, keine Massageräume, keine Dampfbäder. Ganz zu schweigen von Sportplätzen, auf denen man sich im Ringen messen oder eine Partie Fangen mit einem großen oder kleinen Ball spielen konnte. Es gab keine Gärten, die zum Spazierengehen einluden, keine Kunstgalerien, keine Händlerarkaden, keine Ärztehöfe, keine Lesezimmer und auch keine Musikzimmer.
In den meisten goreanischen Städten und Dörfern dienen die Badehäuser als bequeme und beliebte Orte der Zusammenkunft. Man kann hier Nachrichten und den neuesten Klatsch erfahren. Viele dieser Etablissements sind großzügig ausgestattet, sie sind geräumig, manchmal sogar palastartig. Einige Bäder erhalten stattliche Summen öffentlicher Gelder, da sie Objekte des Bürgerstolzes darstellen. Selbst Arme können sich in ihnen wie die Reichen fühlen, es kostet sie zumeist nur ein Tarskstück. Bewerber für öffentliche Ämter verteilen gelegentlich Ostraka an die Armen; diese Eintrittskarten ermöglichen dann den kostenlosen Besuch. In Turia oder Ar sind es Gebäude von monumentaler Größe, die beinahe wie überkuppelte, säulengeschmückte Stadien aussehen. Sie umfassen Dutzende von Räumen und Becken; man kann sich darin verlaufen.