In goreanischen Bädern herrscht fast immer Geschlechtertrennung, und wenn sie auch nur durch die Besuchszeiten geregelt ist. Das bedeutet nicht, daß keine Bademädchen zur Verfügung stehen, um die Bedürfnisse eines richtigen Mannes zu erfüllen, oder daß ansehnliche Seidensklaven in den Bädern der freien Frauen gewisse Wünsche erfüllen. Eine Holzgitterwand trennte das Bad vom Vorraum. Die Tür stand offen. Ein paar Schritte entfernt von mir schlief ein Mann auf dem Boden. Insgesamt schliefen etwa sieben oder acht Burschen im Bad. Vermutlich zogen sie die Wärme hier den ungeheizten Schlafplätzen in den Etagen der Herberge vor. Es ist auf Gor nicht ungewöhnlich, daß die Leute bei kaltem Wetter in den Bädern übernachten. Hier ist es meistens wärmer als in ihren Häusern. Morgens gehen sie dann, und einige von ihnen begeben sich zu ihren Gönnern, in der Hoffnung auf ein Frühstück oder eine Einladung zum Mittagessen.
Ich öffnete ein Auge. Die Tür zum Vorraum hatte sich geöffnet.
Es gibt viele Arten zu baden. Es kommt beispielsweise auf die Wassertemperatur der Wanne an sowie auf die Reihenfolge, wie man sie benutzt. Eine weitverbreitete Methode sieht vor, daß man in der Ersten Wanne eine Zeitlang einweicht und sich, wenn man will, mit dem Schwamm wäscht. Dann verläßt man die Wanne und benutzt das Öl. Es wird in die Haut massiert und mit dem Schaber wieder entfernt. Es gibt viele Arten von Schabern. Einige sind reichverziert, sie werden in der Regel aus Metall gefertigt, in der Form eines Spachtels. Mit dem Schaber kratzt man das übriggebliebene Öl von der Haut und mit ihm den Schmutz und den Schweiß, was die Poren säubert. Danach steigt man in die Zweite Wanne, in der sauberes Wasser wartet, wäscht mit dem Schwamm den restlichen Schmutz und die Rückstände des Öls ab und entspannt sich.
Steht ein Bademädchen zur Verfügung, übernimmt sie diese Arbeit. Die Dienste des Bademädchens, zu denen auch eine Massage und Liebe gehören, ganz nach den Wünschen des Kunden, sind im Eintrittspreis eingeschlossen. Aber hier, im Krummen Tarn, waren sie auch in normalen Zeiten gesondert zu bezahlen. Bademädchen sind natürlich immer Sklavinnen. In manchen Städten werden freie Frauen, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben, zur Arbeit als Bademädchen verurteilt. Nach einiger Zeit, wenn man der Meinung ist, daß sie ihre Lektionen gelernt haben, werden sie richtig versklavt und in die Ferne verkauft. Vermutlich ist das auch richtig so. Nach dieser Zeit sind sie ohnehin für die Freiheit verdorben.
»He!« rief ein Mann, auf den der Neuankömmling getreten war.
Ein anderer stand in dem Zwielicht auf und wurde mit einem Tritt aus dem Weg befördert.
Ich öffnete das andere Auge, um die Lage einzuschätzen.
Der Bursche schwankte leicht. Er war nackt, seine Kleidung hing zweifellos auf einem der Haken jenseits des Gitters, im Vorraum. Das ist das übliche Verfahren, besonders wenn die Wannen alle besetzt sind und die Luft von Dampfschwaden durchzogen wird. Ich hatte meine Kleidung nur deshalb hinter der Ziegelplattform aufgehängt, um sie zu trocknen. In der einen Hand hielt er einen Beutel, der vermutlich die Badeutensilien enthielt, in der anderen das an seinen Schnüren baumelnde, in der Scheide steckende Schwert sowie eine rechteckige flache Tasche. Im allgemeinen gilt das Tragen von Waffen im Bad als unschicklich; in den großen öffentlichen Bädern muß man sie meistens beim Betreten abgeben. Andererseits konnte ich es ihm wirklich nicht verübeln, eine Klinge mitzubringen, vor allem an einem Ort wie diesem. Ich hatte es auch getan. Ich wußte es nicht genau, aber ich vermutete, daß draußen auf dem Haken ein Helm hing. Ich hatte den Tarn im Tarnstall der Herberge nicht vergessen. Auch wenn er keine Insignien aufgewiesen hatte, war es eindeutig ein Kriegstarn gewesen. Daß der Mann neben dem Schwert die rechteckige Tasche mit ins Bad gebracht hatte, verriet mir, daß sie wichtig war, und zwar zu wichtig, um auf dem Schlafplatz oder an dem Haken zurückgelassen zu werden. Er hängte Schwert und Tasche an einen Wannenhaken.
»Was tust du da?« Der Mann, der die Frage stellte, war der einzige, der außer mir eine Wanne in Beschlag genommen hatte. Da er nach mir eingetroffen war, weichte er seine Glieder noch immer in der Ersten Wanne ein; er hatte aus Bequemlichkeit diejenige ausgewählt, die der Trennwand am nächsten stand. Ich hatte absichtlich die Wannen in der anderen Ecke genommen. So blieb mir eine gewisse Reaktionszeit zwischen dem Eintritt eines Neuankömmlings und dem Augenblick, in dem er mich erreichte.
»Ich nehme die erste der Ersten Wannen«, sagte der Mann mit dem Schwert.
»Ich teile mein Badewasser nicht«, sagte der Bursche im Wasser ziemlich unfreundlich.
Daheim in ihren Städten teilen die meisten Goreaner durchaus die Wanne mit anderen. Das ist einer der Gründe, warum die Badewannen so groß sind. Sicher, für gewöhnlich tut man es nur mit Freunden oder Bekannten, aber wenn das Badehaus überfüllt ist, ist es ein Gebot der Höflichkeit, auch einen unbekannten Mitbürger hineinzulassen. Das gleiche gilt übrigens auch für Teiche, die auf Gor meistens in den Bädern zu finden sind.
»Ich auch nicht«, sagte der Schwertträger und stieg auf die Plattform.
Der Mann in der Wanne schrie auf, als er gepackt und mit Schwung aus dem Wasser befördert wurde und sich auf dem Holzboden wiederfand. Er kämpfte sich auf die Beine und erstarrte; im Licht der einzigen Lampe und dem rötlichen Schein der glimmenden Holzscheite funkelte das blankgezogene Schwert des Fremden.
»Schür das Feuer!«
Der so unsanft aus dem Wasser entfernte Mann beeilte sich, einen Feuerrechen zu schnappen und unter der Plattform herumzufuhrwerken.
»Hol Holz. Bring das Feuer zum Brennen. Du gehst nicht eher, bis alles zufriedenstellend ist.«
Der Mann begab sich zu einem der großen Fässer, die ein Stück über dem Boden eine Öffnung aufwiesen, holte einen Eimer Holzspäne, die er unter die Ziegelsteinplattform warf. Er schob sie mit dem Rechen zurecht. Er brachte den Eimer zurück zu dem Faß, trat zu der danebenstehenden Holztonne, besorgte sich Kienspäne und einen Armvoll schmale Holzscheite. Die Späne brannten schnell. Er schob die Scheite nach. Dann sah er im Schein der flackernden Flammen fragend und ängstlich zu dem Neuankömmling hoch.
»Hinaus!«
Erleichtert eilte der Mann zum Durchgang, schnappte sich seine Kleidung und verließ das Bad.
Der Neuankömmling schob das Schwert zurück in die Scheide und stieg in die Wanne. Er lehnte sich zurück und stöhnte wohlig.
Ich fand nicht daß er sich anständig verhalten hatte, andererseits ging es mich nichts an.
Einige der Burschen, die auf dem Boden gelegen hatten, rückten naher an die Plattform heran, als das Feuer richtig brannte. Allerdings achteten sie darauf, einen breiten Weg freizulassen, damit der Mann in der Wanne freie Bahn hatte, wenn er ausstieg.
Ich war hungrig und hatte mich lange genug in der Wanne entspannt, also stieg ich aus dem Wasser, zog mich an, suchte meine Habseligkeiten zusammen und verließ das Bad, wobei ich drauf achtete, über niemanden zu stolpern.
Sobald ich mich auf der anderen Seite der Trennwand befand, nutzte ich die Gelegenheit, um im Licht der kleinen Lampe, die über dem Ausgang hing, einen Blick auf die Kleiderhaken zu werfen. Der Helm trug das Feldzeichen der Kompanie von Artemidorus aus Cos.
5
»Komm her«, sagte ich. »Noch näher.« Ich zeigte auf eine Stelle rechts von mir, neben dem niedrigen Pagatisch, hinter dem ich mit übereinandergeschlagenen Beinen saß.
Die Ketten klirrten leise, als sie gehorchte.
Ich sah mir die Fußschellen genauer an. Sie hatten Schlösser. Sie paßten wie für sie gemacht, lagen eng an ihren Knöcheln an. Die Länge der Kette, die sie verband, betrug etwa fünfzig Zentimeter, was mehr als ausreichend war. Ich zog ihre Handgelenke nach unten. Die Handschellen saßen fest, unverrückbar; es war unmöglich, aus ihnen zu entkommen. Die Kette dazwischen war dreißig Zentimeter lang.