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»Schnarchst du?« fragte er meinen neuen Nachbarn.

»Niemals«, versicherte ihm der Mann.

»Wenn doch, schläfst du heute im Sitzen!«

»Das hatte ich sowieso vor!«

Ich war fest davon überzeugt, daß der Mann vorhatte, in dem Moment aufzubrechen, in dem der Krieger einschlief. Denn konnte man sich darauf verlassen, daß er in angenehmer Laune war, wenn er aufwachte? Und was, wenn er unter Alpträumen litt und mitten in der Nacht um sich schlug, mit einem Messer in der Hand?

Mein Nachbar setzte sich mit dem Rücken an die Wand. Der Krieger sah verächtlich zu mir herüber. »Liebhaber von Tarskweibchen«, lachte er.

Mir entging nicht, daß er den Riemen der Kuriertasche drei- oder viermal um den linken Arm schlang. Vermutlich war der Lederriemen mit Draht verstärkt, wie es bei Diplomatenpost häufig vorkam; in der Tasche selbst waren wahrscheinlich zwischen Leder und Futter zusammengeschmiedete Eisenringe eingearbeitet. Solche Vorkehrungen machten die Tasche sicher gegen die üblichen Methoden von Beutelschneidern.

Augenblicke später schnarchte der Krieger.

Ich streckte die Hand aus und packte meinen Nachbarn auf Platz achtundneunzig, der offenbar aufbrechen wollte, am Arm.

Er stöhnte. »Woran liegt es, daß ich niemals von kleinen Männern belästigt werde?«

»Was ist dein Beruf?«

»Ich bin Marketender.«

»Ausgezeichnet.«

»Das dachte ich auch einmal.«

Das verwunderte mich nicht. Diesem Beruf gingen hauptsächlich ehemalige Kutscher oder Flüchtlinge nach. Das schien aber auf ihn nicht zuzutreffen. Zum Beispiel hatte er weder Kinder noch eine Gefährtin dabei. Davon abgesehen hätten sich nur die wenigsten Flüchtlinge die Herberge leisten können. Ihm fehlte sowohl die Raffinesse eines Kaufmanns als auch die Grobheit eines Viehhändlers. Ein Viehhändler, der hier übernachtete, hätte die Taschen voller Geld gehabt und befände sich auf der Rückreise von Ar-Station. Auf der Hinreise wäre er bei seiner Herde geblieben, die hauptsächlich aus Verr oder Tarsk bestehen.

»Du bist auf dem Weg zum Heerlager der Cosianer vor Ar-Station«, wagte ich eine Vermutung.

Er nickte.

Es war eine naheliegende Vermutung gewesen, da er in der Herberge übernachtete. Er vertraute auf den Schutz, den sie bot. Geld und Kreditbriefe kann man in einem Wagen verbergen, aber bei großen Mengen Mehl, Salz, Dörrfleisch, Paga und dergleichen mehr ist das nicht möglich, ganz zu schweigen von den unzähligen Dingen, die man im Feld braucht und für die die Marketender sorgen, Dinge wie Haarbürsten, Kerzen, Lampenöl, kleine Messer, Werkzeuge, Pfannen, Eßgeschirr, Wetzsteine, Feuersteine, Daumenfesseln, Handund Fußschellen, Nasenringe, Lederfesseln, Sklavenkragen und Peitschen.

»Ich habe einen Auftrag für dich«, sagte ich.

»Du willst, daß ich unseren Freund auf neunundneunzig umbringe?« fragte er.

»Nein.«

»Das ist vielleicht auch besser so«, entgegnete er. »Falls ich es nicht schaffen sollte, die Angelegenheit sauber zu erledigen, er aufwacht und ich mit dem blutigen Messer in der Hand über ihm knie, kann man sich nicht darauf verlassen, daß er die Sache aus unserer Sicht sieht.«

»Du hast recht.«

»Sein Temperament ist ungezügelt«, sagte er, »und unter diesen Umständen könnte man es kaum jemandem verübeln, wenn er gereizt reagiert.«

»Dem stimme ich vorbehaltlos zu«, sagte ich.

»Was also kann ich für dich tun?«

»Hör genau zu.«

7

»Diener!« brüllte der Krieger aus der Zweiten Wanne, die in bequemer Nähe zum Badeingang stand. »Schür das Feuer!«

Es war noch früh, aber die meisten der Männer, die auf dem Boden des Bades die Nacht verbracht hatten, waren bereits aufgebrochen.

Der Bursche, der herankam, um sich um das Feuer zu kümmern, war eigentlich zu groß für jemanden, der solche Dienste verrichtete; er trug eine Kapuze, vermutlich um entstellende Narben zu verbergen, die die Gäste verschreckt hätten, und einen langen Umhang. Er humpelte – sicher das Resultat eines Sturzes vom Tarnrücken – eilig zu der Ziegelsteinplattform, auf der die Wanne stand, und schürte die Flammen mit dem Feuerrechen.

»Schneller! Beeil dich, Kerl!« herrschte ihn der Krieger an.

»Ja, Herr, ja, Herr!« keuchte der vermummte Diener.

Durch die Beobachtungen in der vergangenen Nacht war ich fest davon überzeugt gewesen, daß der Krieger, sollte er ein Bad nehmen, die vorderste Erste Wanne und später die direkt dahinter befindliche Zweite Wanne auswählen würde. Manche Männer halten sie für die besten Wannen, und so konnte man davon ausgehen, daß er ebenfalls diese Meinung vertrat. Anscheinend war das Badefeuer an diesem Morgen nicht richtig zum Brennen gebracht worden. Der Diener, der dafür zuständig war, eilte nun herbei, um sich darum zu kümmern. Der Krieger, der anscheinend ungern auf gewisse Annehmlichkeiten verzichtete, würde sich noch einen Augenblick lang gedulden müssen, bis das Wasser schön warm war, aber man konnte davon ausgehen, daß er dann noch eine Zeitlang in der Wanne blieb, und sei es nur, um sich für die erlittenen Unbequemlichkeiten und Verzögerungen zu entschädigen.

Der Diener, der gelegentlich vor sich hin murmelte, hinkte umher und kümmerte sich um das Feuer.

Ich hatte vorausgesehen, daß sich der Krieger am Morgen ins Bad begeben würde. Er hatte am vergangenen Abend viel getrunken, also würde er wenige Stunden später durstig und schweißgetränkt aufwachen. Sicherlich würde er einen schlimmen Kater haben; nach dem, was sich abgespielt hatte, war das keine abwegige Vermutung. Für den Fall, daß er weniger empfindlich als gedacht war, hatten wir uns die Freiheit genommen, auf dem Boden um seinen Schlafplatz herum einige stattliche Grundbestandteile aus den Nachtgeschirren der Etage zu verteilen. Wir hofften, daß er nach seinen Ausschweifungen eine ganz natürliche Erklärung für ihre Anwesenheit parat hatte.

Der Diener schrubbte die umliegenden Ziegelsteinplattformen ab, hob Holzsplitter vom Boden auf und machte sich nützlich.

»Ahh!« sagte der Krieger und lehnte sich zurück.

»Ist die Wassertemperatur zufriedenstellend?« fragte der Diener und hinkte heran.

»Ja!« knurrte der Krieger.

Der Diener lud eine Armvoll Brennholz auf der Plattform neben der Wanne ab. Auf diese Weise konnte er sich an einem Tag mit starkem Andrang ein paar Gänge zur Vorratstonne sparen. Das ist ein alter Trick der Badebediensteten. Der Diener stellte sich dabei jedoch recht ungeschickt an. Ein paar Holzscheite stießen lautstark gegen die linke Wannenseite, was den darin sitzenden Krieger zu ärgern schien.

»Verschwinde!« befahl er.

»Kann ich noch zu Diensten sein?« fragte der Diener.

»Du sollst verschwinden!« brüllte der Krieger. »Raus!«

»Ja, Herr! Ja, Herr!« stieß der zusammengekrümmte Diener hervor und hinkte schnell weg, als hätte er Angst. Im nächsten Augenblick war er hinter der Trennwand verschwunden.

Als ich hinter der Trennwand stand, warf ich einen letzten Blick zurück zu den Wannen, achtete allerdings darauf, mich noch nicht aufzurichten. Unter meinem Umhang befanden sich natürlich Gürtel, Schwert und Scheide, sein Geldbeutel und die Kuriertasche; ich hatte alles vom Haken genommen, während der Lärm der gegen die Wanne prallenden Scheite mögliche Geräusche übertönte und für Ablenkung sorgte. Der Krieger lag zurückgelehnt mit geschlossenen Augen im Wasser. Der richtige Diener saß vermutlich oben im Pagaraum und genoß Kuchen und Batitee, ein an goreanischen Feiertagen sehr beliebtes Frühstück. Er hatte die nötigen Mittel dazu. Ich hatte ihm fünf Kupfertarsk gegeben.

Im Vorraum nahm ich den Helm und die Kleidung des Kriegers vom Haken.

Dann verließ ich das Bad.

8

Ich ging langsam zum Tarnstall.

Jede Minute zählte. Ich trug nun das Blau von Cos, Uniform und Helm eines Angehörigen von Artemidorus’ Kompanie. Ich hatte die Sachen von dem Haken im Bad entwendet.

Ich klopfte gegen das Tor des Tarnstalls.